Cosmo und ich sahen ihn unentschlossen an. Mit Sicherheit würde er uns verpfeifen und bei mir läuteten schon sämtliche Alarmglocken! Doch Aarón wirkte ganz entspannt. Überhaupt nicht so als hätte er gerade zwei Typen dabei erwischt, wie sie einen kleinen Ladenbesitzer bestahlen. Sein Blick fiel stattdessen auf die Wasserflasche, die meinem Halbbruder heruntergefallen war.
„Also Jungs, ihr hättet auch fragen können", meinte er unerwartet sanft.
Cosmo bückte sich und hob sie wieder auf, danach drückte er sie eng an sich und warf mir noch einen letzten Blick zu. Ich wusste nur zu gut was jetzt kam. Wir wurden erwischt und sollten besser weg. Aber nicht ohne die Flasche.
Aarón war jedoch nicht blöd und hielt Cosmo am Arm fest. Dieser zappelte herum, war aber zu klein, um etwas ausrichten zu können. Ich wollte gerade eingreifen, da drehte sich der Grauhaarige zu mir um und blickte mir in die Augen. Überrascht hielt ich inne. Es war, als würde er mich in einen Bann ziehen und mit seinem Blick mir befehlen, stehen zu bleiben, was mir echt die Sprache verschlug.
„Lassen Sie mich los!", fauchte Cosmo noch immer aufgebracht.
„Es hat keinen Sinn, Kleiner. Wehr dich einfach nicht. Euch passiert nichts!", versuchte Aarón ihn zu beruhigen.
Meine Augen verrenkten sich zu Schlitzen. Wieso sollten wir ihm glauben? Er hatte nichts davon, uns gehen zu lassen. „Lassen sie ihn besser los!", knurrte ich ihn drohend an.
Während er mich ansah, konnte ich keine einzige Emotion in seinen Augen erkennen. Sie waren offen, aber dennoch verschlossen. Verschlossen für diejenigen, die versuchten sie zu lesen und zu scannen.
„Kommt einfach mit", sagte er nur mit beeindruckender Ruhe. Er nahm Cosmo die Wasserflasche ab und nahm aus dem Regal noch drei weitere. Dann ging er in Richtung Kasse. Dabei hielt er meinen Bruder noch immer fest, also musste ich ihm folgen. Kurz bevor er aber die Regale hinter sich ließ und die Kasse erreichte, hielt er inne. „Wenn du mir versprichst nicht wegzulaufen, lass ich dich los und euch passiert nichts."
Es war töricht auf ihn zu hören, aber wir taten es trotzdem. Stillschweigend und mit gesenkten Köpfen liefen wir hinter ihm her, so, als könnten wir uns vor dem Kassierer verstecken.
„Aarón! Lässt du dich auch mal wieder blicken", rief der Verkäufer plötzlich aus und beinahe hätte ich überrascht den Kopf gehoben, um ihn mir anzusehen.
„Ja, ich bin erst seit heute wieder hier und dachte mir, dass ich mal bei dir vorbeischau. Außerdem musste ich noch ein paar Besorgungen machen", antwortete unser Begleiter erfreut und begrüßte sein Gegenüber mit einem Handschlag. Offenbar kannten die sich. Noch ein Grund mehr, warum er uns verraten würde.
Cosmo und ich beobachteten das Szenario nur verwirrt und ich spürte nur zu deutlich, wie sich mein Bruder an mich drückte. Das tat er oft in solchen Situationen. Keine Ahnung warum, vielleicht gab es ihm ja Sicherheit.
„Und wer seid ihr?", wollte der Verkäufer plötzlich von uns wissen und riss mich aus meinen Gedanken. Freundlich sah er zu uns, während er die Flaschen abscannte.
Zu meiner Verwunderung bezahlte Aarón sie und antwortete auch für uns. „Das sind Ace und Cosmo. Ich hab sie auf dem Weg von Bilbao eingesammelt und mitgenommen."
„Ah, und was wollt ihr hier? Besucht ihr Verwandte?", fragte er weiter. Cosmo wollte gerade verneinen, doch ich nickte hektisch mit dem Kopf, was mir einen komischen Blick meines Bruders und von Aarón einbrachte.
„Wen denn?", hakte er viel zu neugierig nach und ich stöhnte genervt auf.
„Wissen wir noch nicht, unsere Mutter hat uns hergeschickt!", erklärte der Silberhaarige, nachdem er mir in die Rippen stieß. „Aber wenn wir es wissen, sagen wir Bescheid."
Der Verkäufer schmunzelte. Er wusste natürlich, dass es eine Lüge war, ließ sich aber nichts anmerken. Vermutlich stempelte er es so ab, dass wir es ihm einfach nicht sagen wollten, was ja auch stimmte.
„Okay, na dann. Wir sehen uns!", verabschiedete sich Aarón.
„Ja, schönen Tag noch und bestell Julia schöne Grüße." Wer war Julia?
„Mach ich." Damit verließ er das Geschäft.
Wir natürlich hinter ihm. Draußen hätten wir eigentlich davonlaufen können und ich hatte das auch vor, doch Cosmo bestand darauf, bei ihm zu bleiben. Schließlich wollte er wissen, weshalb er uns nicht verpfiffen hatte. Aarón lief gelassen zu seinem Wagen. Dabei drehte er sich nicht einmal zu uns um. Als würde er wissen, dass wir ihm schon folgten, denn genau das taten wir. Dort angekommen, sperrte er auf und lud in aller Ruhe seinen Einkauf auf die große Ladefläche zu den Kisten.
„Das war nicht nett, den Verkäufer anzulügen", stellte er fest, ohne sich von der Arbeit abbringen zu lassen.
„Was soll man machen? Wir sind schließlich keine Wohltätigkeitsorganisation! Was kümmerts uns? Das war von dem doch nur Smalltalk. In Wahrheit interessiert es ihn nen Scheiß, was wir hier wollen", entgegnete ich mit zusammengebissenen Zähnen.
Doch der ältere Mann lachte nur. „Vielleicht. Aber eure Lüge ist aufgeflogen. Da hättet ihr auch gleich die Wahrheit sagen können. Wieso sich also die Mühe machen eine Alternative zu finden?" Das war ne gute Frage. Und wir hatten keine Antwort darauf. „Hier. Aber bevor ihr noch einmal zum Stehlen gezwungen seid, fragt doch einfach", sagte er plötzlich wieder so sanft, aber mit tadelndem Blick. Dabei warf er uns zwei der Wasserflaschen zu. Eine für jeden.
Ohne Probleme fing ich sie auf und betrachtete sie fassungslos. „Aber-"
„Vielleicht lernt ihr ja daraus. Zwei Flaschen Wasser sind nicht gerade teuer", erklärte er und stieg in seinen Wagen. „Wo werdet ihr die Nacht verbringen?"
Cosmo zuckte mit den Schultern. „Wissen wir noch nicht."
„Hm." Aarón schien nachzudenken und tippte mit seinen Fingern auf dem Lenkrad herum, während er die Stirn in Falten legte. „Zwei Straßen weiter gibt es ein kleines Gasthaus. Sie haben manchmal Betten frei und ich kenn den Inhaber sehr gut, vielleicht-"
Bevor er weiterreden konnte und somit unsere Zeit stahl, unterbrach ich ihn. „Danke, aber nein danke. Wir kommen schon zurecht." Damit drehte ich mich um.
„Danke für die Flaschen!", rief Cosmo dem Mann im Auto noch zu, ehe wir um die nächste Ecke verschwanden.
Der Kerl konnte doch nicht, nur weil er uns geholfen hatte, sich einfach in unsere Angelegenheiten einmischen! Mir war klar, dass ich ein super Angebot abgelehnt hatte. Aber ich hatte schon immer für Cosmo und mich gesorgt und würde dies auch weiterhin tun. Ohne Hilfe. Am Ende würden wir doch nur in seiner Schuld stehen und das war das Letzte was ich wollte.
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Hope in the Darkness
AkcjaAls Auftragskiller und ehemaliger Obdachloser hatte Ace es nicht immer einfach. Seine Weltansicht ist dementsprechend negativ. Doch als er eines Nachts einen entscheidenden Fehler macht und sich unbewusst mit der Mafia anlegt, wird der Jäger zur Fl...