8. Glückliche Familie

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Aarón verließ mit uns im Schlepptau die Scheune. Cosmo grinste fröhlich vor sich her und ich starrte meinen Vordermann misstrauisch an.

Um die Tiere würde er sich später kümmern, meinte er. Außerdem hatte er noch weitere Leute, die auf dem Hof arbeiteten, zum Beispiel den Bruder seiner Frau. Oder so ähnlich. Ganz verstanden hatte ich es nicht. Mein Bruder war jedenfalls sehr erfreut über die Tatsache, dass wir nun ein Dach übern Kopf hatten, zumindest für die nächste Zeit. Ich war da nicht so überzeugt. Immerhin hatte Aarón eine Familie und da passten zwei Jungs von der Straße nicht hinein.

„Komm schon, freu dich mal!", forderte Cosmo flüsternd und stieß mir sacht in die Rippen.

Ich erwiderte das nur mit finsterem Blick. „Warten wir erstmal ab!"

Doch der Silberhaarige ließ sich seine gute Laune nicht nehmen. „Sei nicht so ein Pessimist!"

„Ich bin ein Realist!", entgegnete ich. Von vorne hörte ich Aarón leise lachen. Der sollte bloß aufhören!

Das Gelände, welches offenbar Aaróns Familie gehörte, war ziemlich groß und weitläufig. Wie viele der großen Felder und Wiesen ihm gehörten wusste ich nicht. Auch die angrenzenden Wälder gehörten zum Gelände, sowie weitere Scheunen und Geräteschuppen. Im Zentrum, wo die meisten Häuser standen, lag das recht große Familienhaus, wohin Aarón uns führte.

Meiner Meinung nach war er ziemlich dumm! Er kannte uns nicht und ließ uns einfach in sein Haus und zu seiner Familie! Ich war ein ehemaliger Auftragskiller und Cosmo nach wie vor ein kleiner Meisterdieb. Wir konnten dem alten Mann große Probleme bereiten. Zudem durfte man den Mafiosi nicht vergessen, der hinter mir her war.

Vor uns erklang plötzlich ein lautes Gebell und ich zuckte unweigerlich zusammen. Auch Cosmo schien das haarige Wesen nicht geheuer, denn schnell versteckte er sich leicht hinter mir.

Klar, der große Ace würde damit schon fertig werden, besten Dank auch, Cosmo!

„Hey mein Großer!", begrüßte Aarón das Fellknäul. Also konnte es ja keine große Bedrohung sein, oder? 

Der große Hund bellte uns weiter an, während er auf uns zu gerannt kam und sich von Aarón streicheln ließ. Dabei beäugte er uns misstrauisch und ich starrte einfach nur zurück. Der sollte nur herkommen, dann rupf ich ihn!

„Ihr braucht keine Angst zu haben. Der tut niemanden was", erklärte Aarón uns und nun kam der Vierbeiner auf uns zu. „Das ist Max. Max, das sind Ace und Cosmo", stellte er uns vor. Wie dumm, das Vieh konnte sich das doch eh nicht merken!

Max fing damit an, meine Hand zu beschnüffeln und ich zog sie ruckartig weg. Der Hund ignorierte das und wandte sich stattdessen an Cosmo. Dieser wollte erst dem Hund ausweichen, doch entschied sich dazu mal dem Frieden zu trauen und hielt ihm seine Hand hin. Natürlich schleckte der Flohsack diese ab und somit war das Eis gebrochen. Die beiden schienen sich wohl gut zu verstehen.

Aarón beobachtete uns schmunzelnd. „Komm, Max!", rief er und der große Hund gehorchte.

„Ist er nicht süß?", quietschte Cosmo begeistert. Oh man, wenn das jetzt die ganze Zeit so weitergehen würde.

„Hm", machte ich nur und folgte Aarón ins Haus. Kurz stutzte ich als ich sah, dass der Hund ebenfalls das Haus betrat. Das hieß dann wohl, dass ich und die Töle jetzt Mitbewohner waren. Super!

„Schatz, ich bin da!", rief Aarón, während er seine Jacke auszog und seine Schuhe in Hausschuhe umtauschte. Cosmo und ich sahen uns neugierig im Flur um. Neben den Jacken hingen Familienbilder, auf denen fast alle immer lächelten. Also eine eklig glückliche Familie.

„Du kommst genau richtig, Frühstück ist fertig!", kam es von einer Frau zurück, die wir nicht sehen konnten.

Aarón warf uns einen abschätzenden Blick zu. „Ich hab noch jemanden mitgebracht", meinte er und betrat zusammen mit seinem Hund die Küche. Uns zeigte er mit einem Blick, dass wir ihm folgen sollten. Cosmo und ich taten dies zögerlich.

„Wen denn?", wollte sie leicht irritiert wissen. Aarón antwortete nicht, sondern sah uns einfach nur an, nachdem er die Frau umarmt hatte. „Oh, wer seid ihr denn?", fragte sie mit einem freundlichen Lächeln. Ihre dunkelbraunen Haare hatte sie hochgesteckt und ihre dunklen Augen gaben mir das Gefühl, nicht vollkommen ungewollt zu sein. Dennoch entging mir ihr skeptischer Blick nicht. Wir mussten in unseren dreckigen, nassen Klamotten wahrscheinlich wie die letzten Penner aussehen.

„Ich bin Cosmo", stellte mein Halbbruder sich vor, nutzte dabei seinen ganzen Charme, und ließ mich mit Absicht aus, damit ich auch sprechen musste.

Gestresst atmete ich aus. Ich fühlte mich einfach müde und ausgelaugt. „Ace."

„Schön euch kennenzulernen. Ich bin Julia, Aaróns Frau. Wollt ihr mitessen?" Überrascht darüber, dass sie so offen uns gegenüber war, starrte ich sie an. Dabei überließ ich Cosmo die Entscheidung und er willigte natürlich ein. „Dann geht doch schon mal ins Esszimmer, wir kommen gleich. Und Aarón sollte euch vielleicht noch neue Klamotten bringen", ergänzte sie zögerlich.

Da das Esszimmer gleich gegenüber war, fanden wir es schnell und setzten uns an den bereits gedeckten Tisch. 

Im Hintergrund hörten wir Julia und Aarón leise reden. Wahrscheinlich erklärte er seiner Frau gerade die Situation. Ich sah mich derweil um. Das Meiste hier war aus Holz, frische Blumen standen auf dem Tisch und der Geruch von Kaffee wehte von der Küche zu uns herüber. Der Tisch, an dem wir saßen, war ebenfalls aus Holz und weiße Gardinen bedeckten die Fenster.

Dann kam das Ehepaar zu uns. „Wollt ihr etwas trinken?" Ich nickte Julia zu und als wir beide nochmal zustimmten, schenkte sie uns Kaffee ein. Was für ein Luxus! „Schatz, kümmerst du dich um Cosmo und Ace? Ich hol die Kinder."

Aarón nickte und führte uns in einen separaten Raum, damit wir uns umziehen konnten. Duschen würden wir später. Wieder am Tisch atmete ich den Kaffeegeruch ein und schloss kurz meine Augen. Die warmen Brötchen luden zum Hineinbeißen ein und die ganzen Brotbeläge kannte ich nicht. Unglaublich, dass sie das mit uns teilten!

Der Hund Max war allerdings in der Küche geblieben. Vermutlich musste er da essen. War mir auch recht so.

Dann erklang Kindergeschrei und jemand polterte die Treppe hinunter. Im Türrahmen erschienen dann zwei kleine Kinder, die genau gleich aussahen. Ein Junge und ein Mädchen. Zwillinge, schoss es mir durch den Kopf. Als die Beiden uns bemerkten, erstarrten sie.

„Ihr könnt euch ruhig setzen. Das sind Ace und Cosmo", wies Julia die beiden an. Die Kleinen hörten und setzten sich uns gegenüber.

„Wir sind Paula und Adrian", stellten sich die beiden unsicher vor, während sie uns auffällig musterten. Cosmo lächelte sie ehrlich an, während ich keine Ahnung hatte, wie ich mich bei einem kleinen Kind verhalten sollte.

„Dann sind wir ja jetzt vollständig", sagte Julia mit Blick auf den Türrahmen. Dort standen Aarón und ein Mädchen in Cosmos Alter mit hellbraunen Haaren und dunklen Augen. Auch sie wurde uns kurz als Helena vorgestellt und Cosmo fielen fast die Augen aus.

Als dann alle am Tisch saßen und ich einen Blick auf die Familie hatte, verspürte ich das erste Mal so etwas wie Sehnsucht. Sie hatten so eine glückliche Familie und gingen respektvoll miteinander um. So etwas hatte ich nie und würde ich wohl auch nie haben, abgesehen von Cosmo.

Hope in the DarknessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt