42. Schuldgefühle

57 17 8
                                    

Das ungute Schuldgefühl, welches sich seit längerem in meinen Eingeweiden festgesetzt hatte, verschwand auch wenig später beim Kartenspielen nicht. Zusammen saßen wir alle im Wohnzimmer auf den weichen Teppich und spielten mal wieder Brisca. Die Spielregeln musste Cosmo zwar erst noch lernen und auch ich würde wahrscheinlich nie gewinnen, aber es ging ja um den Spaß.

„Wehe einer schummelt schon wieder", mahnte Aarón nach der zweiten Runde mit einem unterdrückten Grinsen, der sehr wohl bemerkt hatte, dass Cosmo hier und da Karten verschwinden und hervorzaubern ließ.

Als Cosmo die Anspielung bemerkte, lief er rot an und senkte schnell den Blick. Ich hingegen lachte nur und bekam auch schon sofort den Ellenbogen in die Rippen gerammt.

Das Unwetter draußen ließ jedoch auch jetzt nicht nach. Zwar wurde es dadurch hier drinnen unsagbar gemütlich, aber den ein oder anderen beunruhigten Blick nach draußen konnte ich nicht verhindern. Es war nicht nur der Regen, der mit ungeheurem Lärm aufs Dach schlug, sondern auch der Wind, den man bis ins Haus hören konnte.

„Wenn das so weitergeht, musst du morgen glaube nicht in die Schule", stellte Julia besorgt fest als am Fenster ein Ast vorbeiflog.

Helena sah sofort erwartend zu ihrem Vater, der nur bestätigend nickte, ehe er meinte, „Dann kannst du uns ja morgen mit aufräumen helfen."

Sofort sanken die Mundwinkel der Jugendlichen nach unten und ich grinste breit. Weniger Arbeit für uns. Auch Cosmo schien der Gedanke, dass Helena bei uns morgen wäre, zu gefallen, anzüglich grinste er sie an und wackelte kurz mit den Augenbrauen. Sie allerdings sah ihn nur skeptisch an und brachte etwas mehr Abstand zwischen sich und meinen Bruder.

Erst als dieser ihr nachrutschte, entschied ich, dass ich doch ein guter Mensch war und schlang den Arm um seinen Bauch, um ihn wieder auf seinen Platz neben mich zu ziehen.

Der Spieleabend ging eine ganze Weile so weiter. Keno würde heute wieder auf dem Sofa übernachten und Julia hatte einige Snacks aus der Küche wie Salzstangen mitgebracht, so, dass wir bis spät in die Nacht hinein spielten und uns unterhielten. Ich allerdings hatte irgendwann aufgegeben, mich auf den Bauch gelegt und sah den anderen zu. Sie waren wirklich wie eine Familie für mich und keinen von ihnen würde ich etwas Böses wollen.

Gut, vielleicht Max. Aber der war ja in der Küche.

„Wir sollten langsam mal ins Bett", meinte Julia irgendwann nach der wievielten Runde. Adrian gähnte und seine Zwillingsschwester Paula lehnte sich müde an ihn. „Oder zumindest ihr beiden."

Protestierend sahen die Kleinen zu ihrer Mutter, gehorchten dann aber doch und folgten ihr mit einem, „Gute Nacht", nach oben.

Keno ging daraufhin nach oben auf die Toilette und Helena sammelte die Karten ein, um anschließend auch ihr Bett aufzusuchen. Cosmo legte sich nur neben mich auf den Teppich, drehte sich mit dem Gesicht zu mir, rollte sich demonstrativ zusammen und legte seinen Kopf auf meinen Rücken. Das Ganze wurde von Aarón schmunzelnd beobachtet.

Auch der Hausherr wollte gerade aufstehen und gehen, doch ich hielt ihn auf. „Aarón?"

„Ja?" Fragend sah er zu mir und als ich ihn unentschlossen ansah, gab er sich einen Ruck und setzte sich zurück auf den Teppich. „Du weißt, dass du mit mir über alles reden kannst, Ace?"

„Hm." Der ältere Mann sah mich geduldig an, was mir das Gefühl gab, dass ich zu nichts gedrängt wurde, was ich im Moment einfach brauchte. „Ich... du meintest doch, dass wenn ich Jesus in meinem Leben haben will... diese Veränderung haben will, ein neues Leben, dann müsste ich reinen Tisch machen und ihn anerkennen." Aarón nickte und zog leicht die Augenbrauen zusammen, als könnte er selbst kaum glauben, dass ich das Thema freiwillig anschnitt. „Was heißt das jetzt im Endeffekt?"

„Ace...", nachdenklich fuhr Aarón sich einmal übers Gesicht, was seine Müdigkeit deutlich machte, „Die Sünde trennt uns von Gott...deswegen ist Vergebung so wichtig. Jesus ist dafür schließlich gestorben. Damit wir errettet werden können. Indem du ihm dein Leben übergibt's und deine Schuld vor ihm bringst, wirst du ein neuer Mensch."

„Und wenn die Schuld zu groß ist? Oder man immer wieder neue Fehler macht? Wo hört das denn auf?"

„Schuld kann vergeben werden, Ace, auch wenn sie noch so groß ist. Das ist schließlich der Urgrund christlicher Freiheit", erklärte er und warf dabei einen Blick auf Cosmo, der noch immer friedlich neben mir schlummerte. „Dafür musst du deine Taten aber eben auch ehrlich bereuen und Jesus als deinen Retter anerkennen."

Durchatmend spielte ich mit den Flusen des Teppichs. „Das klingt irgendwie einfacher als es sich anfühlt."

„Das stimmt wohl." Aarón warf mir noch ein erwärmendes Lächeln zu und beugte sich doch tatsächlich nach vorn, um mir über den Kopf zu streicheln, ehe er aufstand. „Wir sollten morgen darüber reden, es ist schon spät. Fragen stellen kannst du aber immer. Ich freu mich, dass dich das Thema interessiert." Auch Cosmo strich er kurz über den Kopf. „Wenn du das Gefühl haben solltest, dass du etwas vor Gott bringen musst, dann tu es, Ace. Glaub mir, hinterher gehts dir besser."

Gähnend sah ich ihm hinterher. Das war für mich definitiv noch nicht abgehakt.

Als Keno jedoch dann auch wieder runterkam, beschloss ich aufzustehen. Cosmo nahm ich schnell mit und nach einem Zwischenstopp im Bad kuschelten wir uns zusammen ins Bett. Das Licht, welches vom Flur unter der Tür hindurch schien, war irgendwann auch aus und von unten erklangen keine Schritte mehr. Nur der Sturm ließ nicht nach und sorgte für Krach.

Cosmo war schon vor einer Weile eingeschlafen und auch ich dämmerte langsam weg, als plötzlich die Tür aufging.

„Cosmo? Ace?", flüsterte eine Stimme und ich seufzte leise.

Dann hob ich den Kopf und sah zu den Zwillingen im Türrahmen, die mit ihren Schlafsachen und je einem Kuscheltier verängstigt zu mir sahen. „Was?"

„Können wir bei euch schlafen?", fragte Paula und Adrian machte einen zögerlichen Schritt aufs Bett zu. „Bitte?"

Mein Kopf sackte wieder aufs Kissen und innerlich zählte ich bis fünf. Doch mein Mitleid, welches normalerweise nicht existierte, sorgte dafür, dass ich schließlich doch einknickte. „Na schön, aber es wird nicht gekuschelt!"

„Okay!", meinten sie fröhlich und es dauerte nicht lange, da lagen die beiden zwischen uns und missachteten meine Regel völlig. Bei der geringen Größe des Bettes auch kein Wunder. Ich akzeptierte dies notgedrungen und starrte an die Decke, während der Schlaf auch mich langsam einholte.

Hope in the DarknessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt