Als ich dann am nächsten Morgen mit Cosmo zum Frühstück lief, hatte ich ehrlich gesagt gehofft, dass die Schmerzen weg wären. Doch das waren sie nicht. Die Wunde war vergangene Nacht erneut aufgegangen und das war mehr als schlecht. Eigentlich müsste sie genäht werden, aber das war uns hier nicht möglich.
Für die Treppe brauchte ich schon viel länger als sonst und Cosmo blieb stehts an meiner Seite. „Ace, du musst es Aarón sagen!", versuchte er mich schon zum zehnten Mal an dem Morgen zu überreden.
Widerwillig schüttelte ich den Kopf. Das kam gar nicht in Frage! Wie sollte ich denn bitte eine Schussverletzung erklären?! Am Ende würde Aarón uns noch rauswerfen, oder schlimmer!
„Vergiss es!", knurrte ich daher nur und nahm dankbar Cosmos Hilfe an, der mich für die Treppe leicht stützte.
Unten angekommen trat ich schnell einen Schritt zur Seite, denn Julia kreuzte unseren Weg. Am Essenstisch wurde es nicht gerade besser. Die lauten Geräusche der Kinder und die ständigen Fragen von Aarón nervten und bereiteten mir Kopfschmerzen. Wenigstens das Sitzen bekam ich einigermaßen gut hin.
„Du siehst so blass aus, Ace. Geht's dir nicht gut?", fragte mich Julia und auch ihr Mann sah mich sorgenvoll an.
Ich sah ihr direkt in die Augen, um meine Lüge zu verbergen. „Alles bestens."
Es fiel mir in den meisten Situationen leicht, einen sicheren Eindruck zu hinterlassen. So auch heute, denn die beiden Eltern beließen es dabei. Nur Cosmo sah mich von der Seite aus traurig an. Natürlich hatte er gehofft, dass ich reinen Tisch machen würde.
„Eure Aufgaben werden für heute ziemlich einfach sein. Zuerst schlichtet ihr das fertig geschnittene Holz ein und anschließend werdet ihr mit Keno den Weidezaun reparieren. Das ist nicht viel, aber Ace, überanstreng dich nicht!", mahnte Aarón, woraufhin ich nickte.
Aarón schien zufrieden. „Gut, dann sehen wir uns später zum Mittagessen." Damit verließ er das Haus und ging an seine eigene Arbeit. Die kleinen Nervensägen mussten wahrscheinlich Schularbeiten machen und Julia würde wieder hierbleiben.
„Ähm, Julia hast du vielleicht mal ne... Schmerztablette oder so?", fragte plötzlich Cosmo und überrascht schnellte mein Blick zu ihm. Er wollte doch nicht...? Vielsagend sah er mich aus seinen braunen Kontaktlinsen an.
„Ja, natürlich. Hast du etwa Kopfschmerzen?"
„Jap, muss mich wahrscheinlich erstmal ans Klima gewöhnen", erklärte er und nervös spielte er unter dem Tisch mit seinen Fingern. Damit gab sie sich zufrieden. Ans Klima, wer's glaubt. Schnell gab sie ihm zwei der kleinen Tabletten und er bedankte sich, bevor wir ebenfalls das Haus verließen.
„Und ich dachte schon kurz, du verrätst mich", meinte ich leicht lachend, was ich schnell bereute, da das Stechen zurückkam.
„Würde ich nie und das weißt du auch." Eilig überreichte er sie mir und ohne Wasser schluckte ich sie einfach hinunter.
Etwas entspannter legte ich den Kopf in den Nacken. „Danke, wirklich."
„Kein Problem." Er klopfte mir auf die Schultern. „Die wirst du brauchen, das Holz ist nicht gerade leicht und der Weidezaun sieht von hier schon ziemlich groß aus."
Ich folgte ihm und er hatte recht, wenn ich das ganze Holz schon sah, wurde mir mulmig.
Mittlerweile waren schon zwei Stunden vergangen und wir hatten nur noch fünf Stücken oder so übrig, doch ich war am Ende. Hier war es bei weitem nicht so heiß wie in Mexiko, aber trotzdem. Auch die Schmerztabletten wirkten nicht richtig ohne Wasser. Die ständige, körperliche Belastung schien mein verletzter Körper auch nicht sonderlich nice zu finden und die Schmerztabletten waren ja auch für Kopfscherzen geeignet und nicht für Schusswunden, die nicht richtig versorgt waren.
Cosmo versuchte schon mir den größten Teil abzunehmen, aber das funktionierte auch nicht auf Dauer. Irgendwann lehnte ich mich erschöpft gegen die Wand des Holzschuppens und drückte die Hand auf meine Flanke, während ich hechelnd die Luft ausstieß.
„Geht's?", fragte mein Halbbruder unnötigerweise.
Aber ich konnte ihn verstehen, er machte sich nur Sorgen. Außer Atem nickte ich. Versuchte das Stechen weg zu atmen.
„Bleib sitzen, ich mach den Rest", bestimmte er und ich ließ ihn einfach machen. So konnte ich nicht wirklich weitermachen, das musste ich einsehen. Also sah ich meinem Bruder zu, wie er meine Arbeit fertig erledigte und hinterher teilten wir uns eine Flasche Wasser, wobei Cosmo mir wieder etwas mehr gab.
Ich wollte erst protestieren, doch er ließ keine Widerrede zu. Mir kam das befremdlich vor. Normalerweise sorgte ich für uns und hatte uns vor Bedrohungen auf der Straße verteidigt, doch jetzt war es umgekehrt. Jetzt kümmerte sich Cosmo um mich.
„Na, seid ihr fertig? Ich soll euch abholen", erklang plötzlich eine Stimme, die mir bekannt vorkam. Keno.
„Ja, ich bin übrigens Cosmo und das ist-"
„Ace, ich weiß", unterbrach Keno meinen Halbbruder, während sein Blick auf mir haftete. „Alles in Ordnung?", wollte er bestürzt wissen.
Warum fragten mich das heute alle?!
Wieder nickte ich und stand auf, dabei stützte ich mich leicht an der Hauswand hinter mir ab. Doch Kenos wachsamen Augen entging meine zögerliche Bewegung nicht und auch nicht, dass ich für eine Millisekunde die Augen vor Schmerz zusammenkniff und meine Beine zittrig wirkten.
„Wie du meinst, kommt ihr?", wollte er zögerlich wissen ohne eine Antwort zu erwarten.
Damit ging er voraus und wir liefen zu dritt zur Weide. Momentan war diese noch leer, aber bald würden dort Kühe stehen und das behagte mir nicht. Deswegen mussten wir uns ja auch um den Zaun kümmern. Keno erklärte uns kurz die Aufgabe und dann drückte er uns eine Zange und jede Menge Draht in die Hände. Das würde zwar lange dauern, aber war nicht so anstrengend und ich war einfach mehr als froh, dass wir das Holzschlichten hinter uns hatten.
Doch bereits nach einer halben Stunde merkte ich, dass ich eine Pause brauchte. Wir waren über ein großes Stück auf der Weide verteilt und somit konnte es nicht schaden mal auszusetzen, oder? Also legte ich die Zange und den Draht auf den Boden und lehnte mich wie vorhin gegen den starken Holzpfeiler.
„Ace? Schon erschöpft?", neckte Keno mich.
Seine Aussage ignorierte ich müde. Mir ging es einfach miserabel und ich hatte wieder Kopfschmerzen. Ein unangenehmer Schmerz schoss wieder meinem Bauch und meiner Flanke entlang, wodurch ich erneut die Augen schloss.
Ich hörte Schritte und als ich die Augen ein Stück öffnete, erkannte ich Keno, der auf mich zu kam und Cosmo, der versuchte mein Verhalten plausibel zu erklären.
„Ich hab mir vorhin das lange genug angesehen, du klappst mir ja gleich zusammen, Ace!", schimpfte der Braunhaarige. „Wir machen das allein fertig, ruh dich aus, okay?" Wieder nur ein Nicken meinerseits. Doch bevor Keno sich wieder ganz seiner Arbeit widmete, drehte er sich noch einmal um. „Aber dann will ich eine Erklärung, ich mach mir Sorgen!"
Erschrocken sah ich ihn. Was sollte ich ihm denn sagen? Überfordert ging mein Blick zu Cosmo, doch er schien kein Problem zu haben. Klar, er wollte ja, dass ich die Wahrheit sagte. Aber das ging nicht! Ich hatte es nicht anders gelernt, als meinen Schmerz zu verstecken. Es machte einen angreifbar und das durfte ich nicht sein!
Also musste ich mir wohl etwas Gutes einfallen lassen.
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Hope in the Darkness
ActionAls Auftragskiller und ehemaliger Obdachloser hatte Ace es nicht immer einfach. Seine Weltansicht ist dementsprechend negativ. Doch als er eines Nachts einen entscheidenden Fehler macht und sich unbewusst mit der Mafia anlegt, wird der Jäger zur Fl...