18. Jagdverletzung

165 27 35
                                    

„Was ist denn mit dir passiert? Kommt rein!", meinte die ältere Frau bestürzt.

Wir betraten sofort den Flur als sie uns Platz machte und Keno brachte mich in die kleine Wohnstube. Dort setzte er mich auf dem Sofa ab. Der Köter blieb zum Glück draußen. Das Polster gab ordentlich nach und hatte bereits einige Kratzer. Sogar ein paar Löcher waren im Bezug und es roch als läge ein Toter darin. 

Das Haus war nichts im Vergleich zu Aaróns und dennoch war es besser als alles was ich und Cosmo je hatten. Die wenigen Zimmer und das knarzende Dach boten wenigstens Schutz vor schlechtem Wetter und Kälte.

„Wie konnte Das passieren, Keno?", wollte seine Mutter wissen. Sie war uns ins Zimmer gefolgt und betrachtete mich mit sorgenvollem Blick. Von ihr also hatte Keno diesen bescheuerten Ausdruck!

Der Braunhaarige zuckte mit den Schultern. „Max hat ihn umgeworfen und da ist die Verletzung wieder aufgegangen. Ich hatte gehofft du kannst ihm helfen?"

„Natürlich! Aber wie kam es denn bitte dazu?"

Nervös sah Keno zu mir. Er wusste es ja selbst nicht genau. Das Einzige, was er wusste und was auch offensichtlich war, war die Tatsache, dass es eine Schussverletzung war.

„Mum, das ist nicht-", fing Keno zögerlich an, wurde aber unterbrochen.

„Ich will und ich muss es wissen!", beharrte sie. Diese Frau duldete keine Widerrede!

Bevor Keno die Entstehung der Wunde erklären konnte, sagte ich, „Es ist eine ältere Schussverletzung, die nicht gut versorgt wurden ist."

Sie zog erschrocken die Augenbrauen hoch, während sie einen Verbandskoffer holte und anschließend darin wühlte. „Wie konnte das denn passieren?" In ihrer Stimme schwang Unruhe mit.

„Jagdverletzung", gab ich knapp von mir.

Kenos Mutter nickte. „Jacke aus!", befahl sie.

Ich gehorchte und befreite die Verletzung von Klamotten und Verband. Innerlich bereitete ich mich bereits auf das Nähen vor und suchte mir etwas zum Festkrallen, damit ich nicht das Haus zusammenschrie. Immerhin konnte sie mich schlecht auf ihrem Sofa betäuben. Zuerst desinfizierte sie die Stelle und ich biss die Zähne zusammen. Ihre Bewegungen waren geübt und wirkten sehr erfahren. Allerdings war sie auch nicht zimperlich. Sie wusste was sie tat und machte einen entschlossenen und selbstbewussten Eindruck.

„Ich bin übrigens Daniela, Kenos Mutter und du?", versuchte sie mich abzulenken.

„Ace", brummte ich.

Sie nickte. Ihre Haare hatte sie hinten zu einem Dutt gebunden und die Falten in ihrem Gesicht wurden noch intensiver als sie wieder in den Kasten sah. „Ich kann deine Wunde leider nicht nähen, da mir die Materialien fehlen."

Ich atmete auf.

„Was?! Aber Ace muss doch versorgt werden!", protestierte Keno. Der sollte bloß still bleiben!

„Die Verletzung kann auch so heilen. Es muss nur die Blutung gestoppt werden. Es sind, soweit ich beurteilen kann, keine wichtigen Organe verletzt. Die Kugel ist nicht mehr im Körper und kann keinen weiteren Schaden anrichten." Eindringlich sah sie Keno und mich an. „Und vor allem sollte ihr die Verletzung in Ruhe lassen! Das bedeutet, dass ich das jetzt noch ordentlich verbinden werde, und dann lasst ihr den Verband erstmal in Ruhe. Außerdem solltest du dich ausruhen, Ace", erklärte sie weiter.

Zwar hatte Aarón auch gesagt, dass ich mich die nächsten Tage schonen sollte, nur musste ich doch arbeiten! Das war die Bedingung für unseren Aufenthalt.

„Hast du wenigstens etwas, was wir mitnehmen können?", fragte Keno.

Sie nickte. „Ja, ich gebe euch noch Schmerzmittel und eine Salbe für die Entzündung mit. Außerdem solltest du nicht so viel laufen, Ace. Wenn du liegst, ist das Risiko für eine Blutung geringer und dein Körper braucht Ruhe!", trichterte sie mir nochmals ein.

„Keine Sorge, ich werde nochmal mit Aarón reden und dafür sorgen, dass er sich ausruht!", versicherte Keno seiner Mutter.

„Gut, aber sollte die Heilung nicht besser werden oder sogar ganz ausfallen, dann müsst ihr ins Krankenhaus! Das hättet ihr eigentlich sogar schon...", murmelte sie noch. Sie schien mir zwar zu glauben, dass es eine Jagdverletzung war, aber dennoch wirkte sie komisch.

„Ich werde ihn persönlich hin schleifen, wenn es sein muss." Keno sah mich an und ich knurrte nur. Das konnte er vergessen!

Daniela verband noch meine Verletzung und rieb sie mit einer komischen Salbe ein. Der Verband war um einiges fester als der von Cosmo und tat schon fast weh. Doch sie beharrte darauf ihn so fest zu machen. Sie würde es schon wissen... 

Am Ende klebte sie noch ein großes Pflaster drauf, damit es auch ordentlich hielt. „Ihr werdet aber nicht laufen, Aarón soll euch abholen", bestimmte sie dann.

„Okay." Keno zückte sein Handy aus seiner Jacke und wählte Aaróns Nummer. 

Das Telefonat dauerte nicht lange und am Ende kam es dazu, dass uns mein Arbeitgeber mit dem Jeep holen würde. Bis dahin warteten wir im Wohnzimmer und tranken Tee. Gespannt blickte ich immer wieder in die Tasse. Es war faszinierend wie viele verschiedenen Gerüche und Geschmäcker es doch gab.

Keno warf mir einen verstörten Blick zu, weil ich andauernd den Geruch einzog und wohlig ausatmete. Seine Mutter hatte derweil alles aufgeräumt und kam nun wieder zu uns. „Das ist der nächste Punkt. Viel trinken, um den Blutverlust auszugleichen."

Dann hörten wir ein Motorengeräusch, Max bellte und an dem Fenster fuhr ein dunkles Auto vorbei. Aaróns Jeep. Das war unser Stichwort. Wir bedankten uns bei Daniela und anschließend verließen wir das Haus. Keno hatte mir seine Jacke gegeben, da ich noch immer oberkörperfrei war. Aarón sollte den Verband nicht sehen und Keno machte es nichts aus, im Shirt zum Auto zu laufen.

„Ace, Keno meinte es geht dir nicht gut, was ist denn-" Sein Blick fiel auf die Jacke in Kenos Händen. Es war meine und sie war voller Blut.

Keno schlug die Tür schnell zu und setzte sich auf die Ladefläche zu Max, da es nur zwei Sitze gab. Somit war ich dem älteren Mann und seinen Fragen vollkommen ausgeliefert. „Ich kann Das erklären", versuchte ich meine Haut zu retten.

Doch Aarón war anders als die Meisten und statt auszurasten, lächelte er nur. Seine Ruhe war fast schon beängstigend. „Ich hoffe nur, Daniela hat die Verletzung gut versorgt, wenn nicht fahr ich dich ins Krankenhaus. Das ist zwar ewig weit weg, aber das ist egal."

Überrascht verschluckte ich mich fast an meiner eigenen Spucke. „Woher?"

„Woher kommt sonst das Blut, Ace?"

Ich wandte den Blick schnell ab. „Auf der Jacke hätte auch Ketchup oder Marmelade sein können."

„Sicher", lachte Aarón. „Nur mein ich das blutverschmierte Handtuch, was ich im Bad gefunden hab."

Hope in the DarknessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt