42 | Geschrei

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Meine Tasche eng in meinen Armen, mein Kopf nach unten gesenkt und mein Körper leicht zitternd. Die anderen merkten nicht wie es mir gerade ging. Wie gern ich jetzt einfach losschreien und meine Tränen den freien Lauf lassen würde. Mein Herz und meine Brust zogen sich zusammen und mir fiel das Atmen so schwer vor. Ich will einfach nur für immer verschwinden und nie wieder irgendwo auftauchen. Ich will einfach nicht mehr.

„Wieso bleibt sie nicht einfach bei dir? Du bist doch ihre beste Freundin!", sagte Ryan, wobei ich meine Lippen zusammen presste.

„Du kennst meine Eltern nicht. Sie sind echt streng. Wegen Caleb erlauben sie nicht dass meine Freundinnen bei uns übernachten.", sagte sie, woraufhin ich ihn seufzen hörte. Langsam blickte ich wieder nach vorne zu denen, wie sie dort standen und miteinander diskutierten. Währenddessen saß ich auf dem Sofa in Ryan's Wohnung und ich hörte ihnen zu. Obwohl es um mich ging, sagte ich nicht ein Wort.

„Komm schon, Bro. Nur für ein paar Tage.", sagte Jackson und blickte Ryan bittend an. Dieser sah dann Jackson wütend an und grölte leise auf. Dann sah er zu mir, woraufhin ich sofort wegblickte.

„Du weißt, dass ich es nicht mag, wenn Leute über Nacht bei mir bleiben. Nicht mal dich lass ich hier übernachten.", sagte dann Ryan, wobei Jackson dann genervt mit den Augen rollte.

„Ist schon gut, Leute. Ich kann auch Chase fragen, ob ich bei ihm bleiben kann.", sagte ich dann und stand vom Sofa auf, woraufhin alle mich anblickten. Zwar hat Chase selber Probleme und ich will ihm echt ungern noch mehr eine Last sein, aber eine andere Möglichkeit habe ich nicht. Ich kann nicht zu Hause schlafen. Nicht nachdem was heute passiert ist.

„Chase? Der Drogendealer Chase?", fragte Jackson überrascht, woraufhin ich mit dem Kopf nickte.

„Du willst sie echt bei ihm pennen lassen? Raff dich mal Ryan.", sagte Jackson dann und sah mahnend zu Ryan, der mich stirnrunzelnd anblickte. Eigentlich habe ich gehofft ihn so lange wie möglich nicht sehen zu müssen, doch jetzt stehe ich hier mit einer vollen Tasche und kein Platz zum
Schlafen. Ich seufzte innerlich auf und ballte meine Hände zu Fäusten, als ich bemerkte wie erbärmlich das alles gerade war.

„Jackson, ist gut. Es ist alles geklärt. Ich frag einfach Chase.", sagte ich, griff nach meiner Tasche und lief dann an allen vorbei zur Haustür.

„Adelina.", rief mir Kylie zwar besorgt hinterher, doch ich hörte nicht auf sie. Ich wollte nur noch aus dieser scheiß Wohnung raus. Ich wollte doch nur meine Ruhe endlich haben.

„Ist gut. Sie kann hier bleiben.", sagte Ryan plötzlich, woraufhin ich sofort zum Stehen kam. Ich drehte mich dann langsam nach hinten und blickte sofort in seine kalten Augen. Diese Augen waren so kalt als ich ihn kennenlernte. Nach einiger Zeit waren sie aber nicht mehr so. Sie strahlten Wärme und Geborgenheit aus. Und jetzt? Jetzt erkenne ich sie nicht mehr.

„Es war eine dumme Idee hierherzukommen. Ich geh jetzt.", sagte ich und wollte mich wieder umdrehen. Doch Ryan hielt mich zurück.

„Adelina, ich sagte, dass es okey ist.", sagte er und blickte mich dabei mahnend an. Ich presste meine Lippen zusammen und nickte dann leicht einverstanden mit dem Kopf. Kylie klatschte sich dann in ihre Hände und blickte uns erleichtert an.

„Gut, dass das jetzt geklärt ist.", sagte sie erfreut und lief dann zu mir. Sie legte bei mir angekommen ihre Arme um mich und drückte mich fest zu sich.

„Ich liebe dich, ja? Vergiss das nie.", sagte sie, während sie mich wieder anblickte. Ich lächelte sie schwach an und nickte mit dem Kopf.

„Kylie, es wird bald Mitternacht. Ich bring dich lieber nach Hause.", sagte dann Jackson und kam zu uns. Daraufhin umarmte sie mich nochmal und lies dann schmollend los.

„Ruf mich an wenn du reden willst, aber geh lieber früh schlafen und ruh dich aus. Und morgen holen wir dich ab, okey?", fragte sie, woraufhin ich wieder nur mit dem Kopf nickte. Ich hatte nicht mal die Kraft mehr etwas zusagen.

„Bis morgen.", sagte dann Jackson und blickte mich aufmunternd an. Dann liefen die beiden händehaltend aus der Wohnung. Als die Haustür sich wieder schloss, drehte ich mich zu Ryan um. Gerade als ich mich bei ihm bedanken wollte, redete er plötzlich in mich rein.

„Du kannst auf dem Sofa schlafen und essen, was du willst. Mach einfach kein Dreck und stör nicht.", sagte er, wobei ich dann einverstanden mit dem Kopf nickte. Mehr kann ich auch nicht machen. Er drehte sich dann um und wollte in sein Zimmer gehen. Doch er stoppte in seiner Bewegung und sah wieder kurz zu mir.

„Und komm nachts nicht in mein Zimmer. Egal was ist.", sagte er, drehte sich um und verschwand in seinem Zimmer. Und da ließ er mich mit Fragen im Kopf alleine im Wohnzimmer. Wieso sollte ich nicht nachts in sein Zimmer? Wieso sollte ich überhaupt darein wollen? Da mich das aber weiter nicht interessierte, lief ich wieder auf das Sofa zu und ließ mich dort fallen. Seufzend legte ich meine Hände auf meine Augen und versuchte meine Tränen zu unterdrücken.

Es war eigentlich so ein schöner Tag. Ich war heute Morgen noch glücklich. Das einzige, was mich aufregte, war nur der Streit mit Ryan. Doch dann kam er durch die Tür. Wieso musste er auch wieder zurückkehren? Wieso konnte er nicht einfach dort bleiben, wo er auch in all den Jahren war?

Wieso musste mein Vater wieder kommen, nachdem er uns erst das Leben zur Hölle gemacht hat und danach abgehauen ist?

Als sich plötzlich die Tür von Ryan öffnete, riss ich mich sofort zusammen und setzte mich schnell auf. Er kam mit einer fetten Sporttasche aus dem Zimmer und blickte automatisch zu mir.

„Ich geh trainieren.", sagte er kurz und knapp und lief dann durch die Wohnung zur Tür. Training? Um diese Uhrzeit? Bevor ich noch was sagen war er auch schon durch die Haustür gelaufen und ich war alleine. Ich nahm den Kissen vom Sofa in die Hand und schrie in diesen meine ganze Seele raus. Dann ließ ich mich nach hinten fallen und heulte all meine Tränen leer, bis ich dann mit Kopfschmerzen eingeschlafen war.

Wenigstens habe ich in meinen Träumen Ruhe von meinen Schmerzen.

———

Als eine Tür sich leise öffnete und wieder sich schloss, flatterten meine Augen langsam auf. Ich erkannte doch nichts, da es im Wohnzimmer stockdunkel war. Als ich dann Schritte in meine Richtung laufen hörte, schloss ich wieder Augen. Dann wurde es kurz still und die Schritte blieben stehen. Nach paar Sekunden entfernten sich die Schritte, aber kamen dann aber wieder zu mir.

Sanft spürte ich wie eine Decke über mich gelegt wurde und wie jemand mir den Kopf langsam hochhobt und ein Kissen drunter stellte. Dann spürte ich wie eine warme Hand meine Haare zur Seite schob und sich wieder entfernte. Dann ging die Person weg und ich hörte wie eine Tür sich wieder öffnete und schloss.

Dann schlief ich wieder tief und fest ein.

Bis ich plötzlich ein Geschrei hörte.

Erschrocken setzte ich mich auf und blickte mich panisch um. Doch ich sah nichts. Es war dunkel. Das Geschrei klang so unglaublich schmerzvoll und fürchterlich. Mein Herz raste als ich hörte wie das Geschrei sich auch noch verschlimmerte. Sofort stand ich auf meine Beine auf und zögerte keine einzige Sekunde. Ich rannte auf Ryan's Zimmer und stürmte in sein Zimmer. Auch wenn er mir gesagt hat, dass ich nachts nicht in sein Zimmer gehen sollte, muss ich darein.

Sofort schaltete ich in dem dunklen Zimmer die Nachttischlampe an und erkannte ihn dann endlich auf dem Bett. Wie er dort gekrümmt war und vor sich hin schrie. Meine Augen weiteten sich, als ich sah, wie seine Augen geschlossen waren und er überall am Körper schwitzte.

Er hat einen Albtraum.

Mein Herz setzte für eine Sekunde aus als ich ihn so sah. Wie er schmerzerfüllt und ängstlich war. Sofort stieg ich auf das Bett und legte sanft meine Hand auf seinen Rücken. Meine Hand zitterte als er plötzlich wieder laut aufschrie und sich in den Bettlaken festklammerte. Ich nahm ihn sofort sanft in meinen Armen und drückte ihn fest zu mir. Er presste sein Gesicht gegen meine Brust und lies dabei tausende Träne fallen. Ich versteckte mein Gesicht in seiner Halsbeuge und strich beruhigend über seinem Rücken.

„Du bist nicht alleine. Ich bin da.", sagte ich leise und strich ihm sanft die Tränen aus dem Gesicht. Langsam beruhigte er sich und seine Schreie hörten endlich auf.

„Ich bin da.", sagte ich und drückte einen leichten Kuss auf seine Stirn.

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