Kapitel 17: Im Herzen bei mir

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Dick eingepackt laufe ich neben Chris her. Wir beide tragen dicke Jacken und der Schal ist bis zur Nase gezogen. Trotz des kalten Wetters laufe ich mit Chris durch Bünde. Bünde entpuppt sich als eine kleine, verschlafene Kleinstadt. Gerade laufen wir durch die kleine Einkaufsstraße. Diese zeichnet sich durch kleine Geschäfte, Cafés und Resturant aus. Im Sommer kann ich mir einen regen Betrieb sehr gut vorstellen.
,,Bist du in Bünde zur Schule gegangen?", frage ich Chris und vergrabe meine Finger in meiner Jackentasche.
,,Nein. Wir sind in Herford zur Schule gegangen." ,erklärt mir Chris. Nur vereinzelt sind Menschen unterwegs. Einige Frauen tingeln von Geschäft zu Geschäft und schleppen ihre Männer hinter sich her. Viele erledigen bestimmt ihre Weihnachtseinkäufe. Immerhin ist in 4 Wochen Weihnachten. Wie Chris das Fest so feiert? Ich weiß wie ich das Fest feiern werde. Traditionel werde ich am 24.12 mit Essen vom chinesischen Lieferdienst auf dem Sofa verbringen.
,,Wie war denn deine Schulzeit?" ,harke ich vorsichtig nach.
,,Naja...es gab schon besseres. Im großen und ganzen hatte ich eine tolle Schulzeit. Natürlich gab es hier und da einige Spitzen auf grund meiner Leidenschaft, aber ansonsten war es eine positive Zeit. Wie war deine Schulzeit?" , berichtet er mir und blickt mich neugirig an. Dabei fällt ihm eine Strähne ins Gesicht.
,,Ich muss sagen, dass es ebenfalls eine tolle Zeit. Doch oft hatte ich das Gefühl, dass ich für viele die personifizierte Erinnerung an den Holocaust bin. Die 90 er waren aufregend aber auch turbulent." ,zögerlich breche ich mein Schweigen.
,,Ja, die 90er waren schon ein cooles Jahrzehnt." ,schwelgt Chris in Erinnerung.
,,Hattest du ein Tamagotchi?"
Mit einer Gänsehaut erinnere ich mich an dieses schreckliches Teil.
,,Nein. Du?" angewidert verzieht Chris sein Gesicht.
,,Nein. Wir hätten meine Eltern damit in den Wahnsinn getrieben." ,lache ich bei der Vorstellung, dass wir Kinder so ein Teil gehabt hätten. ,,Wie es scheint, ist Bünde ehr ein ruhiges Pflaster." ,stelle ich fest und schaue kurz in den Kinderwagen. David schläft tief und fest.
,,Ja. Das schätzen Andreas und ich sehr. Wir können hier unser Leben leben ohne angesprochen oder fotografiert zu werden." ,berichtet er und ein Hauch von Stolz schwingt in seiner Stimme mit.
,,Das hört sich gut an. Also kannst du Nachts in schlechter Verfassung einkaufen gehen, ohne fotografiert zu werden und auf der Titelseite der BILD zu stehen?" ,fasse ich nüchtern zusammen.
,,Ich könnte in Bünde nach 20.00 Uhr zwar nicht mehr einkaufen gehen, aber prinzipiell ja." ,bestätigt er und bleibt ruckartig stehen.
,,Was ist?",frage ich erschrocken und bleibe ebenfalls stehen. Chris start erschrocken auf die kleine aus Eisen bestehende Tür. Eine hohe Mauer umzäunt einen Bereich und Efeu rankelt an der Mauer hoch. Kahle Bäume stehen mitten auf dem Gelände. Auf den Ästen sitzen Raben und krätzen unheil voll.
,,Wir sind am Friedhof." ,flüstert Chris heiser. Ich erwische mich dabei, wie ihn Fragen möchte, warum dies gerade so wichtig erscheint. Aber sicherlich wird sein Vater hier liegen.
,,Würde es dich stören, wenn wir kurz zu seinem Grab gehen?" ,sagt Chris traurig. Seine braunen Augen haben einen traurigen Glanz und Tränen scheinen ans Tageslicht.
,,Oh natürlich." ,lenke ich ein. Wenn ich einst gelernt habe, dann das man den Toten immer respekt zollen sollte.  Dankend blickt er mich an. Quietschend öffnet Chris das Tor. Die Raben werden davon aufgeschreckt und erheben sich mit lautem Flügelschlag. Ich schiebe David's Kinderwagen über den Weg des Friedhofes. Noch nie zuvor war ich auf einem christlichen Friedhof. Irgendwie ein befremdliches Gefühl. Schweigsam folge ich Chris. In mir macht sich das Gefühl bereit, dass er mir Nachts um 3.00 Uhr den Weg zum Grab seines Vaters beschreiben kann. Er biegt nun nach Rechts und bleibt vor einem Grab stehen. Ich stelle mich zu ihm und schiebe David stehend vor und zurück. Wenn ich jetzt damit aufhöre, dann wird David wach und fängt an zu weinen. Meine andere Hand lege ich Chris auf den Arm, um ihm Trost zu spenden. Vor mir liegt ein unscheinbares Grab. Es ist mit Tannenzweigen abgedeckt. In der Mitte ragt eine Kerze heraus. Der Grabstein zeigt wie sehr ihn seine Familie geliebt hat ,bzw. ihn immer noch liebt. Neben dem Namen und den Lebensdaten stehen noch ein paar Zeilen auf dem Stein. Daneben ein Schmetterling.
Jeder Tag mit dir war ein Geschenk
,,Hallo Papa. Hier ist Chris." ,begrüßt Chris seinen Vater. Ich blicke ihn von der Seite an.
,,Ich habe noch jemanden mitgebracht. Besser gesagt, sind es zwei Menschen. David ist mein Sohn und Mina die Mama." ,Chris stellt uns vor und ich bin mir unsicher was ich nun tun soll. Doch ich ringe mich zu einem ,,Hallo." durch. Schweigend starre ich auf den Stein.
,,Warum wurde ein Schmetterling auf den Stein graviert?" ,frage ich neugirig.
,,In der Kirche wo die Trauerfeier stattfand, saß ein Schmetterling. Es war so, als ob Papa auf diese weise bei uns ist." ,erklärt er mir leise. ,,Immer wenn wir einen Schmetterling sehen, müssen wir an Papa denken."
Ich nicke nur und weis nicht was ich sagen soll.
,,Er ist bestimmt sehr stolz auf euch." ,betonte ich und streiche mir eine Strähne weg. Ich lege meine Hand kurz auf seine und drücke sie. Sanft lächelt er mich an.
,,Ich bin sehr stolz auf ihn. Er hat mich zu dem gemacht wer ich heute bin. Im Herzen ist er immer bei mir."
Ein Lächeln ziert sein Gesicht. Ich selber muss an die Beerdigung meiner Oma denken. Ganz viele Menschen kamen und es wurde viel geweint. Es war die erste wirklich Beerdigung in meinem Leben.
,,Wollen wir los? Mir ist kalt und ich könnte zu Hause heiße Schokolade kochen." ,spreche ich ihn an und unterbreite ihm meinen Vorschlag. Chris nickt nur und verabschiedet sich. Fröstelnd laufe ich nun Chris hinterher und versuche ein Zittern zu unterdrücken.

Hallo ihr Lieben. Vielen Dank für eure Kommentare und Votings. Wie ihr bestimmt wisst, is heute ein sehr trauriger Tag. Am 27.Januar 1945 wurde das Konzentrationslager Auschwitz befreit. Seit je her steht dieser Tag im Zeichen des Gedenkens an die Opfer der Shoah ( Holocaust). Daher sind meine Gedanken bei all den Menschen die Opfer des Regimes und ihrer unmenschlichen Politik gewurden sind. Wir werden euch nie vergessen🕯. Auf grund des Anlasses werde ich nun den Zentralratspräsidenten der Juden in Deutschland zittieren. Meiner Meinung nach hat Josef Schuster mit dem Satz den Kern der Zeit getroffen.
,,Deutschland kann vor seiner Vergangenheit nicht davonlaufen und in der Gegenwart nicht wegschauen."

Wenn Magie Träume wahr werden lässt Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt