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❝Fünf vor Zwölf❞

"OH, MEIN GOTT", stotterte Bianca

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"OH, MEIN GOTT", stotterte Bianca. "Es ist so weit. Gleich ist er da. Der Riss." Die Buchstaben und Wörter traten aus ihrer Kehle wie lose Fetzen. Sam stand mit einem Mal neben ihr, ohne dass sie es bemerkt hatte. Er nahm ihre Hand in seine und blickte ihr fest in die Augen.

"Bianca, ganz ruhig. Wir haben mehr Zeit, als es scheint. Weißt du noch, wo der Übergang zwischen Wald und Wiese war?", fragte Sam und deutete in das Feld voller Leere und schwarzer Striche. Blitze zierten die verdorbene Landschaft und ließen Bianca schlucken. Sie schüttelte den Kopf.

"Vielleicht weißt du es nicht mehr, aber die Felder und Blumenwiesen machen den Großteil der Welt aus. Mit den Laubbäumen hat der Riss noch kaum Territorium eingenommen." Sam drückte ihre Hand fester, als sich ihre Augen in der Weite verloren und immer größer wurden.

"Aber er ist schneller geworden. Für Gras braucht er nicht so lange. Schau hin. Er kommt ganz schnell", rieselte es aus Bianca hervor. Sie sah Sam schockiert an, doch er seufzte nur.

"Komm", forderte er sie auf, "komm mit." Ohne ihre Hand loszulassen, führte er sie vom Riss weg und steuerte den Wasserfall an. Sie war über den Druck um ihre Finger herum froh. Wahrscheinlich würden die Beine unter ihr nachgeben, wenn er sich von ihr abwenden würde. Das samtige Rauschen des Bücherflusses war freundlicher geworden. Der Klang lud dazu ein, sich in seine rettenden Arme zu begeben.

Unter ihren Füßen fühlte sie einen Grund. Sie trat immer seltener auf Bücher und ein Blick nach unten bestätigte ihr, dass der Inhalt der Bibliothek größtenteils zurückgeflossen war. Mit jedem Schritt in Richtung des Wasserfalls flüsterten ihr mehr Stimmen im Kopf zu, dass sie das Richtige tat. Wenn sie in den Himmel hochsah, kitzelte das Licht ihr Gesicht. Wärme wollte ihren Körper trösten, doch sie begann zu zittern.

Dicht vor dem Wasserfall kamen sie zum Stehen. Sam atmete die Bücherluft ein und starrte das Phänomen vor sich an. Er ließ Biancas Hand los, woraufhin Kälte in sie hineinströmte. Ihr Herz fröstelte. Es pochte in unregelmäßigem Takt. Wusste nicht, ob es schneller oder langsamer klopfen sollte. Wusste nicht, ob es überhaupt eine Wahl hatte. Es kämpfte mit dem Verstand den alten Kampf um das Fühlen und die Logik.

"Bist du bereit?", fragte Sam, doch alles drang nur gedämpft zu ihr durch.

"Ich weiß nicht." Es kam Bianca vor, als stünde sie außerhalb ihres Körpers und würde sich bei allem zusehen.

"Du weißt, dass es keine andere Möglichkeit gibt. Du weißt das, oder nicht?", fragte Sam. Er löste seinen Blick vom Wasserfall und drehte den Kopf zu ihr. Er schien nicht mehr sicher zu sein, ob Bianca gedanklich noch bei ihm war.

"Ja", murmelte sie, noch bevor sie ihre Gedanken zu Ende denken konnte. Ihr Mund war ihr zuvorgekommen. Ihre Lippen hatten die Antwort schneller geformt, als ihr lieb war.

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