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Klaustrophobie

BIANCA WOLLTE IHREN Mund öffnen und widersprechen

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BIANCA WOLLTE IHREN Mund öffnen und widersprechen. Es kribbelte in ihrem Hals. Sie wollte dieses Gefühl loswerden, indem sie erklärte, wieso das eine schlechte Idee war. Aber ihr fiel nichts ein. Ihr fiel nichts ein, was dagegen sprach. Sie hatte nach dem Denkanstoß ungeduldig verlangt. Jetzt, wo sie ihn bekommen hatte, sollte sie sich daran festhalten und ihn weiter ausbauen. Doch etwas in ihr hielt sie zurück.

"Nein", gab Bianca unter zusammengepressten Lippen als Reaktion wider. "Ich habe das Gefühl, dass das eine schlechte Idee ist." Sie sah Sam nicht an. Plötzlich waren die lahmen Berge interessanter als er. Sie wollte seinem Blick ausweichen.

"Aber jetzt denk doch mal nach. Diese Welt hier ist nicht wie unsere. Die physikalischen Gesetze gelten hier nicht. Wer weiß. Vielleicht sind die Berge die einzige Möglichkeit, den Himmel zu erreichen", erklärte Sam hektisch und sah ihr fest in die Augen. Sein Blick war so auffällig, dass sie fast zu ihm geschaut hätte. Mit aller Willenskraft hielt sie ihren Kopf stur nach vorne gerichtet.

"Mir egal. Es ist nicht das Richtige", gab sie zurück. Sam legte seinen Kopf in den Nacken und seufzte.

"Und was macht dich da so sicher?", fragte er misstrauisch.

"Keine Ahnung. Mein Bauchgefühl. Ich weiß es einfach", erklärte sie. Bruchteile von Argumenten schossen in ihren Kopf und wollten sich zu einer glaubhaften Erklärung zusammensetzen. Es funktionierte nicht. In ihren Gedanken war alles abgehakt. Unlogisch und unbrauchbar. 

"So viel zum Thema Vertrauen", bemerkte Sam. Bianca griff sich an die Stirn und stapfte wie ein Roboter vor sich her.

"Ich weiß auch nicht, warum ich das weiß. Ich weiß es einfach. Ich weiß, dass wir nur Zeit verlieren würden", erklärte sie und gestikulierte mit ihren Händen herum, als würde das ihr Geschwafel unterstützen. Tat es natürlich nicht. Sie atmete den Ärger aus, doch in ihr wuchs neuer heran.

"Aber du hast nicht mal einen anderen Vorschlag", erkannte Sam. In seinem Unterton schlummerte der Zynismus. "Es reicht jetzt. Das führt zu nichts. Wenn du herumstehen willst und glaubst, dir kommt ein genialer Einfall, dann tue das. Viel Erfolg. Ich gehe jetzt zu den anderen und erzähle ihnen von den Bergen." Er beendete die Diskussion. Ohne zu ihr zu sehen, beschleunigte er seine Schritte und holte zu den anderen auf. Bianca gab einen frustrierten Laut von sich.

Die Stille hüllte sie ein und trieb ihre Wut bis zu ihrer Kehle hinauf. Sie hätte am liebsten ihren Ärger Sam entgegengeschleuert, aber dafür war es jetzt zu spät. Selbstgespräche wollte sie nicht führen, also schluckte sie den Zorn hinunter. Ihre Emotionen verblassten elend langsam und ihre Gedanken machten Purzelbäume. Aus dem Chaos in ihrem Kopf konnte sie keinen Schluss ziehen. Es trat nur das Bauchgefühl scharf und klar hervor. Die Berge waren nicht die Rettung, die sie suchten. Das flüsterte es ihr wieder und wieder ins Ohr.

Bianca schob das Thema gedanklich beiseite und schweifte ab. Die Bibliothek. Das Buch. Der Riss. Die Geschehnisse zogen vor ihrem inneren Auge vorüber. Sie war hier aufgewacht und ein vertrautes Gefühl hatte sich in ihr breit gemacht. Keine Geborgenheit. Nur die Ahnung, das alles bereits zu kennen. Sie wusste noch, dass die Handlung in ihrem Buch so ähnlich abgelaufen war. Aber die Erinnerungen waren verschwommen. Sie konnte es nicht sicher sagen und es zu beweisen, war erst recht unmöglich. 

Eisern starrte Bianca den Boden vor sich an. Mit jedem Gedanken, der sie überrollte, beschleunigte sie ihre Schritte. Ihr fiel gar nicht auf, dass die Gruppe vor ihr anhielt und deren Stimmen immer näher kamen. Als sich einige Wortfetzen in ihren Ohren verfingen, hob sie ihren Kopf an. Sie drosselte ihr Tempo nicht, bis sie unmittelbar vor ihnen stand.

"Nein, ich kann jetzt einfach nicht weiter", klagte Liz und zupfte an ihrem Oberteil herum, das ihr den Hals zuschnürte. "Ich fühle mich eingeengt. Bitte, ich brauche eine Pause." Bianca stellte sich neben sie.

"Das geht nicht. Kriege dein Klaustrophobieproblem unter Kontrolle. Glaubst du, wir haben eine Wahl? Ich nerve dich ja nicht einfach so damit. Ich will ja auch nicht mehr weiterlaufen", gab Finley zu. Er sah zum Boden und trat von einem Bein auf das andere. "Meine Füße brennen seit ungefähr von Anfang an. Aber wenn wir stehen bleiben, sterben wir. So wie der fremde Mann ... ." Liz starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an.

"Es geht um die Berge, nehme ich an", murmelte Bianca. Sams Blick schwenkte zu ihr und fixierte sie.

"Jetzt habe ich den toten Mann gerade erfolgreich verdrängt!", rief Liz verschreckt und schlug sich eine Hand vor den Mund. "Musstest du mich daran erinnern?" Ihr Nuscheln ließ die Worte ineinander verschwimmen. Ein gedämpfter Schluchzer entfuhr ihr. Finley blinzelte überfordert.

"Besser wir gehen jetzt. Je eher wir bei den Bergen sind desto schneller sind wir in Sicherheit", riet Sam. "Hoffentlich", fügte er nach einer Denkpause leise hinzu. Bianca schloss die Augen und massierte sich die Schläfen.

"Ich will nicht", jammerte Liz und verzog ihre Miene traurig. "Außerdem bringt das sowieso nichts, wenn wir dorthin gehen."

"Kannst du bitte den Mund halten? Ich muss mich konzentrieren. Danke", zischte Bianca und versuchte das nervige Gejammer auszublenden. Sie wollte sich auf Sam konzentrieren, aber die piepsige Stimme ließ nicht locker.

"Nein, wirklich. Es bringt nichts", sagte Liz und schniefte. Sie drehte sich um ihre eigene Achse und deutete auf alles. "Seht euch um. Wieso sollen wir irgendwohin gehen, wenn das Irgendwo sowieso schon fast bei uns angekommen ist." Sie senkte ihren Kopf, doch Bianca hob interessierte eine Augenbraue. Sie richtete ihren Blick auf die Ferne und wich zurück.

"Heilige Maria Mutter Gottes", entfloh es Finley. "Wie ist das möglich?"

Das Gebirge war so nah, dass Bianca den Kopf heben musste, um den Horizont zu finden. Die monströsen Berge waren überall. Ein Nebel umwaberte sie und ließ es schwieriger werden, die genaue Entfernung zu schätzen. Das Gebirge kesselte sie ein und verschlang immer mehr Platz. Die Welt wurde kleiner. Stück für Stück. Bianca schluckte. Jetzt verstand sie, warum sich Liz eingeengt fühlte. Das beklemmende Gefühl drückte ihre Brust zusammen und ließ ihr Herz schneller schlagen. 

"Aber wenn die Berge schon so nah sind ...", überlegte Sam zaghaft.

"... wie weit ist dann der Riss von uns entfernt?", vervollständigte Bianca die Frage.

 wie weit ist dann der Riss von uns entfernt?", vervollständigte Bianca die Frage

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