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❝Kein Mensch❞

BIANCA SENKTE IHREN Blick und blieb stumm

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BIANCA SENKTE IHREN Blick und blieb stumm. Es war schwierig zu glauben, dass er nicht real war. Auch er schien es nicht wahr haben zu wollen. In seinen Augen glitzerte etwas Dunkles auf. Sie neigte sich zur Seite und versuchte herauszufinden, was in ihm vorging. Wie fühlte man sich, wenn man erfuhr, dass man nicht existierte? Wütend? Traurig?

"Wenn das in Ordnung für dich ist, dann okay", sprach Bianca. Sie runzelte ihre Stirn und probierte, zu Sam durchzudringen. Sein kurzes Nicken wirkte auf sie, als käme es nicht von ihm. Sein abwesender Blick schweifte zu den ausgerissenen Grasbüscheln. Er griff nach einem Halm und platzierte es über seinem Handgelenk. Das Rascheln der Blätter klebte in Biancas Ohren wie Blut. Papier war scharf wie ein Messer. Die Natur wetzte es, bis es tödlich wurde.

Sam drückte den Grashalm gegen seine Haut und zog ihn blitzschnell drüber. Eine Linie tauchte auf, aus der sein Blut Perle für Perle floss. Bianca blinzelte. Spielten ihr die Augen einen Streich? Sie rückte näher und drehte sich so, dass sie auf ihn keinen Schatten mehr warf. Aber es war egal, aus welchem Winkel sie die Wunde betrachtete. Sams Blut war blau, als pulsiere Tinte durch seine Adern.

"Wäre nett, wenn du dir nicht all zu viel Zeit lassen würdest. Auch wenn ich nicht echt bin, fühle ich Schmerz", drängte Sam. Seine Worte hallten in Biancas Ohren bitter nach. Sie riss ihren Blick von dem unnatürlichen Blut und umklammerte die Feder in ihrer Hand fester. Widerwillig tunkte sie die Spitze in seine Wunde ein. Sie bemühte sich, nicht zu tief hineinzufahren. Ihr Zittern erschwerte ihr das, doch Sam rührte sich nicht. Wie eingefroren saß er neben ihr und starrte sie an.

"Wieso ist dein Blut blau?", fragte Bianca nach einem Räuspern. Durch ihre Frage war die Situation noch seltsamer geworden. Doch die Neugierde in ihr hatte gewonnen, weswegen ihr das rausgerutscht war. Sie schwenkte ihre Feder auf die freigeschaufelte Fläche zu und biss sich auf die Lippen.

 "Gute Frage. Obwohl die Antwort auf der Hand liegt", überlegte Sam und ein kühles Schmunzeln kam von ihm. "In meinen Adern fließt kein Blut, da ich kein Mensch bin. Wenn ich einer wäre, dann wäre es doch Mord, mich umzubringen. Töten ist moralisch inakzeptabel." Bianca sah durch das Blatt hindurch. Die Sicht verschwamm und ihre Hände zeichneten von selbst die ersten Striche. Als die Tinte dünner wurde, lehnte sie sich zu Sam zurück und tunkte die Feder in seine Wunde ein. Er starrte sie nachdenklich an.

"Und hier kommt das Widersprüchliche an euch Menschen ins Spiel. Ihr lehnt das Morden zwar ab, aber ihr erfindet fiktive Figuren, um sie quälen zu können. Weil es euch unterhaltet. Weil es euch Spaß macht, andere leiden zu sehen. Es ist nichts als meine Bestimmung, Tinte zu vergießen", erklärte Sam mit schmerzverzerrter Miene. Ein seltsames Gefühl breitete sich in Bianca aus. Schuld und Betroffenheit. Er hatte recht, da half es nicht, sich selbst zu belügen. Unruhig wandte sie sich dem Zeichenpapier zu und malte weiter.

"Schon seltsam, dass man Tinte vergießen muss, um eine Geschichte zu erschaffen", überlegte Bianca und zeichnete in kleinen schwungvollen Bewegungen Finley. Es ging schnell. Sie konnte ihren eigenen Händen kaum folgen, da sie sich selbstständig machten. Direkt daneben beschloss sie, Liz zu malen, da noch genügend Platz frei geblieben war. Außerdem wollte sie diese Aktion hier möglichst schnell hinter sich bringen.

"Ja, schon seltsam", stimmte Sam ihr zu. Seine Worten hallten in ihr noch lange nach. Sie gehörte auch zu diesen Menschen, die er kritisierte. Es war sein gutes Recht, das zu tun. Genau wie er es gesagt hatte, waren seine Schmerzen real. Bianca sah ihn wie jeden lebendigen Menschen auch. Da war kein Unterschied. Sobald sie ihn anschaute, fühlte sie mit ihm genauso wie mit jedem Wesen, das aus Fleisch und Blut war. Ob Papier in ihm drinnen steckte und Tinte durch seinen Körper rann, spielte keine Rolle.

Bianca hob ihren Blick vom Grund und drehte sich wieder zu Sam, da sie mehr Blut brauchte. Noch immer starrte er sie an, als hätte sie etwas im Gesicht. Unwillkürlich strich sie sich eine Strähne aus dem Gesicht. Ein Teil der Tinte an seiner Wunde war bereits getrocknet, weswegen sie in ihrer Bewegung innehielt. Ihre Kehle war trocken, als sie zu ihm aufsah. Sie konnte seinen Blick nicht ganz deuten. 

"Ich brauch noch ein bisschen mehr", murmelte Bianca unbeholfen. Sie wollte das Wort 'Blut' nicht in den Mund nehmen, da sie den Geschmack auf ihrer Zunge fürchtete. Ihre Fingerkuppen waren blau, obwohl sie sich bemüht hatte, möglichst nicht in Berührung damit zu kommen. Es war noch warm, was auf ihrer Haut ein seltsames Gefühl auslöste. Es gab nichts Realeres als Hitze. Das machte sie fertig.

Sam spannte seinen Unterarm an und seine Muskeln bewegten sich darunter. Neue Tinte quoll aus der Wunde und rann an seinem Arm hinab. Bianca fing mit der Feder schnell einen Tropfen auf, da sie plötzlich das Gefühl bekam, dass sie nicht verschwenderisch mit seinem Blut umgehen sollte. Auch wenn er nur ein Protagonist war, der in ihrer Realität nicht existierte, lebte er hier und jetzt. Das fühlte sie genau wie die Wärme, die von ihm ausging.

Bianca wandte sich ein letztes Mal dem Abbild von Liz zu und verlieh ihm den letzten Schliff. Sie hatte nicht zu wenig und nicht zu viel Mühe und Tinte hineingesteckt. Ein Strichmännchen hätte nie gereicht, aber das hier schon. Sie spürte, dass die beiden wieder lebendig sein würden. Es war, als brodelte es unter dem Papier. Sie legte ihre Hand auf die Zeichnung und schloss die Augen.

"Und?", fragte Sam. Bianca schlug die Augenlider auf. Die zwei waren kurz davor, wieder zu existieren, aber noch fehlte etwas. Es lag an ihr, sie zurückzuholen, das wusste sie. Trotzdem hatte sie keine Ahnung, was sie jetzt tun sollte. Sich noch stärker konzentrieren? Sie hatte schon während dem Zeichnen ihr bestes gegeben und wenn das nicht gereicht hatte, dann wusste sie auch nicht weiter. Nein, alleine der Gedanke an die beiden reichte nicht aus. Es gab noch etwas anderes, worauf sie achten musste.

"Keine Ahnung", gab Bianca zerknirscht zu und blickte Sam hilflos an.

"Keine Ahnung", gab Bianca zerknirscht zu und blickte Sam hilflos an

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