Saite 8

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╝ Saite 8 ╔
❝Einzige Chance

BIANCA ZUPFTE GEDANKENVERLOREN an den Bändern und ließ sich in das tiefe Vertrauen ein, das sie sich selbst gegenüber verspürte

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BIANCA ZUPFTE GEDANKENVERLOREN an den Bändern und ließ sich in das tiefe Vertrauen ein, das sie sich selbst gegenüber verspürte. Es war, wie es Sam gesagt hatte; die Fantasie starb nie. Wie also kam sie hier weg? Wo war die Bibliothek? Wenn sich die Welt auflöste, die Dimensionen verschwanden und der Riss alles auffraß, wo konnte sie noch ansetzen? Sie schüttelte den Kopf und kaute an ihrer Lippe.

Die richtige Welt existierte nicht mehr. Es war eine bittere Einsicht, doch sie war notwendig. Immer nervöser zupfte Bianca an den Fäden und ließ ihren Verstand auf Hochtouren arbeiten. Wenn die Realität sich aufgelöst hatte, aber die Fantasie nie starb, was bedeutete es dann? Sobald sie ihre Augen schloss, konnte sie sich die Welt vorstellen, wie es sie einmal gegeben hatte. In ihren Gedanken konnte sie etwas erschaffen, das angeblich nicht mehr bestand.

Bianca öffnete die Augen und ihre Hand stockte so abrupt, dass sie unabsichtlich einen der dünneren Fäden herausriss. Sie ließ ihren Blick senken und beobachtete das weiße Band. Ihr Bauchgefühl meldete sich und sie hörte zu. Sie fühlte, dass sie am richtigen Weg war. Damals beim Bücherwasserfall war sie der Bibliothek ganz nah gewesen, daran glaubte sie fest. Es fehlte nicht viel.

Sie nahm das herausgerissene Seil in beide Hände und wog es darin. Als sie es auseinanderzog, gab sich die unendliche Dehnbarkeit preis. Es war flexibel. Eine wertvolle Eigenschaft, wenn man sie mit Spontanität kombinierte. Sie setzte sich gerade hin und räusperte sich, was der Riss mit einem Grollen missbilligte. Sein Geräusch brachte die Girlanden zum Schwingen und Bianca musste sich mit einer Hand blitzschnell in die Seile einhaken und sich flach hinlegen. Ihr Herz pochte ihr bis zum Hals. 

Als sich Bianca wieder aufrichtete, ignorierte sie das Zittern der Fäden. Sie hob den Kopf nur noch höher und machte sich frei von der Angst, das Gleichgewicht zu verlieren. Was jetzt zählte, waren ihre Gedanken und das zerschlissene Seil, das sie noch immer umklammert hielt. Das letzte Mal, als sie im Nichts gefangen gewesen war, hatte sie ein Tor zu einem Zukunftsort gerettet. In diesen Momenten dachte sie, es wäre vorbei, doch mit Dark-Sams Hilfe - so düster seine Einschätzungen auch sein mochten -, zauberte sie etwas Magisches herbei. Sie brachte etwas Unmögliches zustande, indem sie ihrer Fantasie Glauben schenkte.

Bianca kramte die Feder hervor und band ein Ende des gerissenen Seils daran fest. Sie hielt ihr Werk hoch und stellte fest, dass der Faden nur eine Armlänge betrug. Zu kurz. Das würde nicht ausreichen, um sich eine ordentliche Grundlage zu schaffen. Denn wenn sie es geschafft hatte, in die Zukunft zu gelangen - in eines der letzten Kapitel zu springen -, dann konnte sie auch in die Vergangenheit. Nein, noch weiter zurück. Was lag vor dem ersten Kapitel? Vor dem Vorwort und dem Titel? Was befand sich jenseits des Buches?

Rasch scannte Bianca die Seile ab, die Teil ihrer Girlande waren. Sie zählte 35. Den äußersten Faden fixierte sie und griff danach. Er gab einen dumpfen verlorenen Ton von sich, wie eine Saite, die nirgendwo hingehörte. Sie stach mit dem spitzen Ende der Feder hinein und hielt ihn dabei fest, damit er nicht wegsprang.

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