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❝Außerhalb❞

DIE PAPIERWAND KAM näher und näher

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DIE PAPIERWAND KAM näher und näher. Die Flammen ließen Biancas Blickfeld verschwimmen, doch sie hörte nicht auf zu rennen. Ihre Beine schienen am verkohlten Grund zu kleben. Sie bündelte ihre gesamte Energie und fixierte die weiße Front. Das Ziel vor ihren Augen trieb sie an den Rand ihrer Kräfte. Sie gab nicht auf. Das Feuer hatte sich an einigen Stellen der verletzlichen Wand verbissen. Es arbeitete sich einen Weg hindurch. Schwarze Ränder verfärbten das weiße Papier. Es löste sich Schicht für Schicht. Die Front war dicker als gedacht.

Bianca bekam kaum noch Luft. Es war, als müsse sie ersticken. Die letzten Schritte stolperte sie nach vorne, um endlich die lang ersehnte Wand zu erreichen. Sie legte ihre zitternden Hände darauf und befühlte das raue Papier. Durch die Front ging ein Beben, das sie zusammenzucken ließ. Sie tastete sich weiter nach links, da dort drüben ein schwarzer Rand zu sehen war. Keuchend lief sie hinüber, während sie sich fest gegen die Front drückte, um wach zu bleiben.

Als sie die Stelle erreicht hatte, stieß sie die verbrauchte Luft aus und seufzte. Ihre Hände gruben sich in das knisternde Papier hinein und rubbelten. Es hatte sich ein kleines Loch hineingebrannt, doch das Feuer schaffte es nicht, es noch weiter zu vergrößern. Sie musste nachhelfen. Ihre schmerzenden Hände bearbeiteten die Wand wie wild. Die Front bestand aus vielen Schichten von dünnem Papier. Sie hakte ihre Fingernägel hinein und riss grob ein riesiges Stück heraus. Schwer atmend stolperte sie nach hinten und fiel beinahe um. In ihrem Kopf drehte sich alles.

Bianca schüttelte den Schwindel weg, ließ den Brocken fallen und ballte ihre Hände zu Fäusten. Sie steuerte auf das Loch in der Wand zu und griff mit dem Arm hindurch. Entschlossen, die Öffnung zu vergrößern, riss sie mit Gewalt noch mehr Papier heraus. Das dumpfe Zerreißen hallte in ihrem Kopf nach und brachte sie dazu, ein weiteres Mal fest daran zu ziehen. Sie schrie und bekam einen weißen Batzen zu fassen. Er war ungeahnt schwer. Sie taumelte zur Seite und ließ ihn los, sodass er knirschend auf dem Boden aufprallte. Nach Luft ringend wandte sie sich wieder dem Loch zu. Es war groß genug, um hindurchschlüpfen zu können.

Ihr Nacken kribbelte. Das Flammemeer schlug hohe Wellen, die sie einzunehmen drohten. Das Knistern dröhnte aus jeder Ecke. Bianca stöhnte vor Schmerz und Erleichterung auf. Sie trug sich mühselig zum Loch. Was hinter der Wand war, sah sie nicht an. Sie konnte sich auf gar nichts mehr konzentrieren. Das Feuer brannte ihr das Hirn weg. Sie stolperte auf die Öffnung in der Front zu. Ihre Hände griffen hindurch und hielten sich an den ausgefransten Papierschnipseln fest. Sie drückte ihren zitternden Körper durch das Loch und verzog das Gesicht.

Jeder ihrer Muskeln spannte sich an. Ein Widerstand schien sie wegzudrängen. Es fühlte sich an, als würde ein Kraftfeld dafür sorgen, dass sie brav in der Papierwelt blieb. Nicht mit Bianca. Sie kämpfte mit aller Wut gegen den unsichtbaren Druck an. Ein schmerzerfülltes Keuchen entfuhr ihr. Schwarze Punkte tanzten vor ihren Augen und drohten, sie außer Gefecht zu setzen. Doch sie durfte das Bewusstsein nicht verlieren. Sie biss sich fest auf die Unterlippe, sodass sie vor Schmerz die Augen aufriss und hellwach war. Das Blut rauschte in ihren Ohren. Heftig atmend steckte sie den Kopf durch das Loch und sog die Luft ein.

Bianca wurde schwindelig. Sie wusste nicht mehr, wo oben und unten war. Ihre Hände verloren den Halt und gaben nach. "Nein, verdammt." Blitzschnell krallte sie sich wieder hinein und verhinderte gerade noch so, dass sie zurückgeschleudert wurde. Sie presste ihre Augenlider aufeinander. Ihren Sinnen durfte sie nicht vertrauen. Sie spielten ihr Streiche. Mit einem Schrei drückten ihre Hände den Oberkörper endgültig durch das Loch. Sie fühlte ihre Arme nicht mehr. Es war, als würde sie platzen. In ihr kochte jede Zelle. Ihre Füße schafften es gerade noch über den fasrigen Rand hinaus, bevor Bianca mit einem Schlag nachgab. Alles sackte in ihr zusammen und für einen kurzen Moment konnte sie sich nicht bewegen. Aber sie hatte es geschafft.

Sie atmete tief ein und aus. Ihr Körper war außerhalb der Papierwelt, doch sie hörte das bedrohliche Knistern noch. Die Augen hielt sie festzusammengepresst, in der Angst, sie würde die Welt nicht mehr wiedererkennen. Sie konnte ihren Sinnen nach wie vor nicht trauen. Ihre Orientierung flüsterte ihr Dinge ins Ohr, die nicht möglich waren. Der Druck lastete noch immer auf ihrer Brust. Sie konnte nicht sagen, ob sie lag oder an der Wand klebte.

Zitternd drückte sie sich weg und blinzelte. Das Papier war außerhalb genauso rau wie in der Welt drinnen. Es rieb sich gegen ihre Haut wie Sand. Doch es war unendlich still hier. Sie hob ihren Kopf langsam an. Ihr Blick wanderte an der Ebene entlang und bekam kaum etwas zu sehen. Eine gähnende weißfarbene Weite umgab sie. Alles sah gleich aus. Hier gab es nichts. Oder war das hier das Nichts?

"Bianca?", hörte sie den Ruf ihres Namens. Er klang verzerrt, doch sie kannte die Stimme. Es war Liz' verunsicherter Versuch, sie zu finden. Bianca stand auf und war sich nicht sicher, ob das unter ihr ein Papierboden oder eine Papierwand war. Entweder ihre Füße hafteten darauf oder die Schwerkraft hatte sich um neunzig Grad gewendet. Ihr Bauchgefühl ließ sie auf Letzteres tippen.

Zitternd hockte sie sich nieder und krabbelte auf das Loch im Boden - in der Wand -, zu. Sie hatte Angst, dass es sich die Welt anders überlegte und die unberechenbaren Kräfte sie wegkatapultierten. Mit ihren Händen stützte sie sich an den blättrigen Stellen ab und sie knickten fast unter ihrem Gewicht ein. Sie zuckte zurück und hielt sich woanders fest. Das knisternde Geräusch hallte mehrfach im Nichts wider und schien Liz' Aufmerksamkeit zu erregen. Neugierig blinzelte Bianca durch das Loch und erkannte in den Schatten der Flammen drei näher kommende Schemen.

"Bianca! Leute! Sie ist hier!", rief sie und schluchzte vor Glück. Biancas Herz ging auf. Sie hatte einen Weg gefunden. Sie rettete drei Menschen das Leben. Ihre Wangen waren feucht, als ihre Finger über ihr Gesicht strichen. Freudentränen. Warum zur Hölle weinte sie? Warum zur Hölle konnte sie das nicht zurückhalten? Sie schniefte leise und reichte Liz die Hand.

 Warum zur Hölle weinte sie? Warum zur Hölle konnte sie das nicht zurückhalten? Sie schniefte leise und reichte Liz die Hand

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