Seite 18

44 9 12
                                    

╝ Seite 18 ╔
❝Loslassen❞

"WIE MEINST DU das?", bohrte Sam nach

Hoppla! Dieses Bild entspricht nicht unseren inhaltlichen Richtlinien. Um mit dem Veröffentlichen fortfahren zu können, entferne es bitte oder lade ein anderes Bild hoch.

"WIE MEINST DU das?", bohrte Sam nach. "Du hast mich doch auch zum Leben erweckt." Er drückte die Hand gegen seine Wunde, um die Blutung zu stoppen. In seiner Miene zeichnete sich Sorge ab, dass sein Opfer umsonst gewesen war. Doch die Hoffnung in seinen Augen drang zu Bianca durch.

"Keinen Plan. Echt, ich weiß nicht, was dort oben abgegangen ist. Meine Erinnerungen sind irgendwie verdreht. Als hätte sie jemand zensiert, verstehst du?", versuchte sie sich herauszureden. Sie biss sich auf die Unterlippe und überlegte, wie viel davon tatsächlich wahr war. An die Handlung des Buches konnte sie sich nicht erinnern, aber an alles andere bis ins kleinste Detail. Vor ihrem inneren Auge taten sich Bilder auf, deren helles Weiß sie dazu brachte, sich von den Erinnerungen abzuwenden. 

"Dann versuch das doch zu umgehen", schlug Sam vor und kratzte das blaue Blut von den Händen.

"Ich versuch es ja, aber das ist nicht so einfach", druckste Bianca herum und fuhr sich durch die Haare.

"Nicht so einfach? Heißt das, du erinnerst dich doch?", fragte Sam, was sie innerlich zum Seufzen brachte. "Dann musst du daran festhalten." Er nahm ihre Hände und sah sie bittend an. Sie blickte verblüfft in seine Augen, sodass sie vergaß, den Damm aus weiß leuchtenden Erinnerungen zurückzuhalten. 

Sams Ehrlichkeit rief in ihr ein dumpfes schlechtes Gewissen hervor und die Bilder überschwemmten sie. Als sie ihn gezeichnet hatte, war die stumme Leere um sie herum so schmerzhaft gewesen, dass sie es kaum ausgehalten hatte. Sams Abbild zu ihren Füßen war aus einem Gefühl heraus entstanden. Malen war eine Fähigkeit, die ihr Perfektionismus unter normalen Umständen nicht zugelassen hätte. Doch die Trauer war dort oben stärker gewesen und hatte sie besiegt. 

"Sam, ich weiß nicht, ob es in meiner Macht steht, noch mehr Tote zum Leben zu erwecken. Das alles im Nichts war eine Ausnahmesituation für mich", erklärte Bianca und spielte mit ihren Fingern.

"Alles klar, dann stellen wir die Ausnahmesituation einfach nach", beschloss Sam mit einem Schulterzucken, ließ aber ihre Hände nicht los. "Bianca, du bist ein Mensch, das einzige Wesen mit einer echten Fantasie. Du kannst Dinge erschaffen, verstehst du das? Du hast dich bis jetzt davor verschlossen, aber du kannst es, das wissen wir jetzt." Sie schluckte. Aus dieser Perspektive hatte sie es noch gar nicht betrachtet. Gott zu spielen, hatte sie sich immer wesentlich einfacher vorgestellt. Allerdings hatte auch niemand behauptet, dass sich ein Gott an keine Regeln halten musste. Auch wenn Bianca nichts von derartigen Richtlinien hielt.

"Das klingt beängstigend", erwiderte sie.

"Ist es. Aber es ist auch wundervoll, falls wir Finley und Liz zurückbringen können", erklärte Sam und legte den Kopf schief. "Komm schon, jetzt sei nicht so. Streng dich an. Was hast du genau gemacht, nachdem du mich dort oben gezeichnet hast? Woran hast du gedacht? Was hast du gefühlt?" Bianca atmete tief ein und aus.

"Gar nichts", drang aus ihr hervor, obwohl sie an hundert andere Dinge dachte, die sie nicht zu einem sinnvollen Satz vereinen konnte. "Also nichts Konkretes, das jemanden zum Leben erwecken könnte."

"Gar nichts? Kaufst du dir das überhaupt selbst ab?", fragte Sam schmunzelnd. Er ließ ihre Hände los und sah in den Himmel hinauf. "Als ob das Nichts in dir nichts bewirkt hätte. Als ob du einfach so auf die Idee kommst, mich zu zeichnen. Ohne darüber nachzudenken." Bianca legte eine Hand auf die Zeichnung und grübelte. Klar hatte er recht, sie hielt ihn nicht für dumm. Vielleicht sollte sie ihm einfach direkt sagen, dass sie geweint hatte und am Boden zerstört gewesen war. Aber wie würde er dann reagieren? Würde er sie niedermachen, damit Finley und Liz vielleicht zurückkehrten? Wenn das nicht funktionierte, war alles umsonst gewesen. Verschwendetes Blut und verlorener Verstand. Außerdem konnte Bianca nicht versichern, dass sie ein weiteres Mal vom Grund aufstehen und kämpfen konnte. Sie wusste nicht, ob sie noch die Kraft besaß.

"Das ist es. Nicht nachdenken. Das muss es sein", behauptete Sam. Bianca sah zu ihm und hob eine Augenbraue.

"Nicht nachdenken? Mensch, Sam", erwiderte sie und seufzte. Sie ballte ihre Hände zu Fäusten. "Ich hab geheult, okay? Ich war völlig am Ende. Ich hab das dort oben nicht mehr ausgehalten und mit allem abgeschlossen." Ihre Schultern sackten zusammen.

"Klar, das macht Sinn. Du hast durch das Weinen losgelassen und aufgehört, krampfhaft über alles nachzudenken. Man sagt ja nicht ohne Grund, dass man sich nach dem Weinen befreit fühlt", überlegte Sam und legte einen Finger unter sein Kinn.

"Dein Ernst? Das ist ein Mythos, an den du doch nicht mal selbst glaubst", gab Bianca trotzig wieder und schnaubte.

"Mit viel Fantasie vielleicht schon", überlegte Sam. Er sah sie nachdenklich an und Bianca erkannte ein Funkeln in seinen Augen. "Aber du musst ja nicht zwingend weinen, um mal von den ganzen Sorgen und deiner inneren Verspannung abzulassen."

"Ich weiß nicht so recht", grübelte Bianca. Irgendwas Seltsames lag in der Luft, das spürte sie. Sie wandte den Blick der Zeichnung zu und versuchte ihr Inneres zu ergründen. Ja, sie war nun mal ein Mensch mit einem Herzen aus Stein. Ihr Körper war so schwer und verkrampft, weil er diese Last jeden Tag mit sich herumschleppen musste. Aber wie konnte sie es schaffen, diesen Brocken von sich zu lösen? Sie atmete tief durch und versuchte, sich zu entspannen.

Plötzlich kam Sam näher zu ihr und noch bevor sie reagieren konnte, lagen seine Lippen auf ihren. Er zog sie an sich heran und küsste sie so voller Leidenschaft, dass Bianca überwältigt es geschehen ließ. Seine Hände wanderten von ihren Schultern weiter nach oben und hinterließen brennende Spuren auf ihrer Haut. Es löste ein Inferno in ihr aus, das ihre Gedanken lahmlegte. Sie fühlte alles und nichts zugleich. Als sie sich in den Kuss hineinfallen lassen und ihn erwidern wollte, löste sich Sam von ihr.

"Was macht ihr beiden denn da? Hab ich ja schon von Anfang an gewusst, dass da was läuft. Schon von Anfang an", erklang Finleys Stimme. Er saß wie aus dem Nichts neben der Zeichnung und klopfte Asche von seiner Hose. "Ich hab da so einen zusätzlichen Sinn für so etwas. Einen siebten oder achten Sinn, was auch immer. Ihr wisst schon."

"

Hoppla! Dieses Bild entspricht nicht unseren inhaltlichen Richtlinien. Um mit dem Veröffentlichen fortfahren zu können, entferne es bitte oder lade ein anderes Bild hoch.
Zerreißprobe | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt