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Papiermeer

"OKAY, WIRKLICH JETZT?", fragte Finley wenig motiviert

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"OKAY, WIRKLICH JETZT?", fragte Finley wenig motiviert. "Habt ihr denn einen Weg gefunden, aus dieser Welt abzuhauen?" Bei seinen Worten schreckte Liz auf und blinzelte Bianca mit einem Hoffnungsschimmern in den Augen an. Vielleicht waren es auch nur Tränen.

"Möglicherweise", antwortete Sam zögerlich und blickte Bianca fragend an. Sie reagierte nicht und presste nur ihre Augenlider aufeinander. Mit den Händen massierte sie ihre Schläfen und konzentrierte sich auf ihre Gedanken. Die anderen waren egal. Der Riss war egal. Nur der Pool aus Erinnerungen zählte. Sie zog Schnipsel heraus und baute sich einen möglichen Ausweg aus der Papierwelt zusammen.

"Gut. Alles klar", räusperte sich Bianca und schlug die Augen auf. Die drei blickten sie erwartungsvoll an und schienen auf das Atmen vergessen zu haben. Sie wandte sich Sam zu. "Kann ich mir kurz die Schachtel mit den Streichhölzern ausborgen?" Er blinzelte sie überrascht an. Seine Hand griff in die Hosentasche und kramte nach der kleinen Box.

"Aber wir sind ja alle im Wasser herumgeschwommen. Was willst du denn mit nassen Streichhölzern?", fragte Finley und legte den Kopf schief. Der Riss hinter ihnen grummelte. Er war gefährlich nahe. Ein Schauder lief ihren Rücken hinab.

"Schneller", trieb Bianca Sam an. Er zog die Box aus der Tasche und warf sie ihr zügig hinüber. Sie fing die Schachtel auf und schob sie sofort auseinander. Sie suchte nach einem unbenutzten Streichholz. Angestrengt fixierte sie die Stäbchen. Ihre Lippen bewegten sich mechanisch. "Seht euch meine oder Liz' Haare an. Sind sie nass? Nein." Auf ihr brannten die Blicke.

"Ach ja, wirklich. Es stimmt", staunte Finley und starrte Liz' Mähne an. Diese griff sich in ihre Längen und durchfuhr sie einige Male. Sie waren staubtrocken. "Seltsames Wasser." Bianca beobachtete sie aus dem Augenwinkel, doch sie wandte sich eilig der Schachtel zu. Sie kramte zitternd in der Box herum und betete. Alles hing davon ab, ob es noch ein freies Streichhölzchen gab. Alles.

"Aha, da ist eines", murmelte Bianca und bekam es zu fassen. Aufregung durchfuhr ihren Körper und sie hob den Kopf an. Sie wich einen Schritt zurück. Ihre Augen waren verengt. Die Wellen drohten sie von der einen Seite mitzureißen und hinter ihrem Rücken knisterte und blubberte der Riss. "Seht nicht zurück. Seht nur mich an. Okay?" Liz nickte eifrig. Finley tat genau das, was er nicht tun sollte und erstarrte. Sam blickte ihr tief in die Augen. Voller Vertrauen. Bianca schluckte schwer.

"Wenn ich 'Jetzt' schreie, dreht ihr euch um und rennt auf die Welle zu. Oder besser gesagt, auf die Wand", erklärte Bianca schnell. Sie biss sich auf die Lippen und hoffte, dass Sam recht hatte und hinter den Wassermassen wirklich eine weiße Papierfront auf sie wartete. "Aber bleibt vom Riss fern. Egal, was ihr tut, bleibt vom Riss fern!" Ihr Herz klopfte im selben Takt, in dem das Chaos um sie herum nähertrat und sie alle zu verschlucken drohte. Das Meeresrauschen hatte sie alle halb taub gemacht. Es schmerzte nicht mehr in Biancas Ohren. Liz lief eine Träne die Wangen hinab.

Bianca hielt das Streichholz zitternd in den Händen. Alles in ihr schrie danach, es fallen zu lassen. Es nicht zu riskieren. Sie schob das Zögern beiseite und zündete es. Kurz und schmerzlos. Die Flamme loderte auf und zischte bedrohlich. Sie schirmte sie mit den Händen vom Wind ab und hockte sich vorsichtig nieder. Um keinen Preis durfte das Feuer ausgehen. Um keinen Preis.

Sie beugte sich schwer atmend hinunter. Ihre Arme streckten die Flamme zum Grund. Es war, als hielte sie eine imaginäre Kraft davon ab, mit dem feuchten Boden in Berührung zu kommen. Das Wasser rann zwischen ihren Füßen hindurch. Es floss zum Riss, als würde es von ihm gerufen werden.

In einer flüssigen Handbewegung senkte sie das Feuer gänzlich und ließ es mit dem Wasser kollidieren. Es zischte. Das Streichhölzchen schien sich an der Flüssigkeit zu reiben. Eine rote Flamme explodierte vor ihren Augen und sprühte ihre Funken in alle Richtungen. Bianca schreckte hoch und zog ihre Hand zurück. Sie hielt sie sich schützend an ihre Brust und taumelte zurück. Ihr Finger pochte, obwohl sie das Feuer kaum berührt hatte.

"Jetzt!", brüllte Bianca. Ihre weit aufgerissenen Augen starrten die Flamme an. Sie wuchs explosionsartig. Griff um sich wie ein Virus. Blitzschnell krabbelte sie am Wasser entlang und verwandelte es in Rauch. Die anderen rannten auf die rauschende Welle zu, doch das schillernde Feuer war flinker. Es entflammte das gesamte Meer. Das gesamte Papiermeer.

Bianca hetzte den anderen voraus. Ihre Beine trugen sie verlässlich durch die Hitze, doch sie brannten wie Feuer. Unter ihr war kein Wasser mehr. Jedes Mal, wenn ihre Füße den Boden berührten, schien sich die Glut des verkohlten Bodens in sie hineinzubohren. Sie bewegte sich schneller, bis sie nahezu über den Grund flog. Die riesigen Wassermassen lösten sich vor ihren Augen auf. Ein beängstigendes Bild. Das Lauffeuer rollte über die gewaltige Fläche und kletterte die Welle hoch. Es griff nach den Wassermolekülen und entzog ihnen die falsche Feuchtigkeit. Es enttarnte die Flüssigkeit als das, was es war. Papier.

Liz schrie auf und fiel zurück. Bianca riss ihren Blick nach hinten. Durch den beißenden Schleier von lodernden Flammen erkannte sie, dass die Frau gestolpert war. Finley bremste und half ihr auf. Er legte einen Arm um sie und wandte sich gleichzeitig ihr und Sam zu. "Rennt weiter! Wartet nicht." Letzterer schüttelte den Kopf und stützte Liz. Bianca schluckte, zögerte aber nicht. Ihr Blick war auf die Feuerwelle gerichtet. Sie lief entschlossen darauf zu.

Das Rauschen ebbte ab und wurde durch das grauenhafte Knistern der Flammen ersetzt, die sich in Biancas Ohren festfraßen. Sie wischte sich eine Schweißperle von der Stirn. Ihr Blick streifte die Hand. Höllenqualen durchzuckten jeden Fetzen ihrer Haut, doch sie schien unversehrt zu bleiben. Keine einzige verbrannte Stelle war zu finden. Doch der Schein trügte. Der Schmerz war real.

Ihre zitternden Beine machten keinen Halt. Das wallende Feuer trieb ihr die Luft aus der Lunge. Zumindest gab es keinen Widerstand, so wie beim Schwimmen. Das redete sie sich wiederholt ein, während sie ihren Körper durch die trockene stickige Luft schwang. Sie blickte nicht nach hinten. Ob die anderen es schafften oder nicht, wusste sie nicht. Ihre Gedanken waren vom Rauch benebelt und ließen sie nur an eines denken. An die Front hinter der von Flammen zersetzten Welle, die in ihre Sichtweite trat. Das Feuer brannte Löcher in die Papierwand hinein. Tränen der Freude stiegen ihr in die Augen. 

 

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