Ein Fehltritt

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James funkelte Snape an und die beiden fochten ein stilles Gefecht aus, während sie sich finster anstarrten. Nur einen Augenblick später, als ich noch keinen klaren Gedanken fassen konnte, sagte Snape grollend zu mir gewandt : „Trotzdem, ich meine es ernst. Denk mal darüber nach, Lily." Er wandte sich ab und James und ich schauten ihm hinterher, während mein Kopf das Geschehen verarbeitete und noch überlegte wie er darauf reagieren sollte.
Ich war unfassbar wütend und genervt von Snape, weil er sich in meine Angelegenheiten einmischte, aber tatsächlich staute sich in meinem Inneren wegen James ein noch größerer Groll auf. Weil James mich verteidigte, hatte Snape jetzt bestimmt den Eindruck, dass ich einen Beschützer brauchte und meine Kämpfe nicht selber austragen könnte, dachte ich zunehmend verärgert. Es lies mich genau so aussehen wie er und seine Freunde es mir vorwarfen, wie eine hilflose, unselbständige Muggelgeborene, fügte ich in Gedanken hinzu. Mein Gedankengang muss sich auf meinem Gesicht bemerkbar gemacht haben, denn James drehte sich nun stirnrunzelnd zu mir und sagte : „Schau nicht so düster. Du brauchst dir über Snape nicht den Kopf zu zerbrechen." Doch ich hörte garnicht richtig zu und zog schnell meine Hand aus seiner, denn er hielt sie immer noch umschlossen.
„Na super! Jetzt hast du Snape genau das Gegenteil von dem gezeigt, was ich eigentlich darstellen möchte! Ich weiß du kannst das vielleicht schwer nachvollziehen, aber ich möchte meine Kämpfe alleine ausfechten und ich bin auch durchaus dazu in der Lage. Snape und ich haben eine lange, komplizierte Vergangenheit und gerade vor ihm möchte ich nicht so wirken, als ob ich jemand anderes Hilfe benötige. Und nur um das klarzustellen, ich hätte die Sache auch alleine gut regeln können!", sprudelte es aus mir heraus und bevor ich mir klar darüber werden konnte was ich gerade gesagt hatte, drehte ich mich um und entfernte mich zügigen Schritts. Nach vier Schritten wandte ich mich noch einmal zu ihm hin und fügte unüberlegt hinzu : „Ich hoffe mal, dass das nicht eine deiner schwachsinnigen Aktionen war, die Snape beweisen sollen wie toll du und wie blöd er doch ist." Ich schaute zwar nur eine Sekunde in sein Gesicht bevor ich mich endgültig abwendete, aber es reichte vollkommen aus um die Verletzung und die darauffolgende Empörung in James Gesicht zu erkennen.
Als ich die Korridore entlanglief um zum Gemeinschaftsraum zu gelangen, entstand ein erdrückendes Gefühl in meinem Brustkorb. War ich zu weit gegangen? Diese Frage lauerte in meinem Unterbewusstsein und ich wehrte vehement ab sie zu bejahen. Nein, dachte ich, James hatte mich schlecht dastehen lassen und mich gekränkt, vielleicht sogar um sich selber in ein besseres Licht zu rücken. Ich würde meine Würde und meinen Stolz ganz bestimmt nicht wegwerfen, um mich bei ihm zu entschuldigen und zuzugeben, dass ich etwas falsch gemacht hatte, obwohl dies nicht stimmte, nahm ich mir vor.
Ich straffte die Schultern und setzte eine entschlossene Miene auf, um meine Gedanken zu unterstreichen und ignorierte die leise Stimme in meinem Kopf, die mich verunsicherte und die Möglichkeit in Betracht zog, dass ich einen Fehler begangen hatte.
Ich stürmte förmlich in den Gemeinschaftsraum und mein Blick wanderte suchend an den Köpfen dort vorbei, denn ich suchte zwei spezielle Gesichter. Ich entdeckte Dorcas und Marlene glücklicherweise in unserer Stammecke. Ich lies mich auf den Stuhl plumpsen und meine beiden Freundinnen schauten mich äußerst verwundert an. „Was ist denn jetzt passiert? Du siehst ja aus, als ob die Bibliothek geschlossen wurde", sagte Marlene und ich schloss kurz die Augen bevor ich antwortete um meinen Ärger nicht an meinen Freundinnen auszulassen. „Ich bin auf dem Flur auf Snape gestoßen und er hat mich auf James angesprochen. James hat uns gesehen und ist zwischen uns gegangen. Und genau das hätte er nicht tun sollen, denn jetzt sieht es so aus, als ob ich ein hilfloses Mäuschen wäre, dass sich nicht selbst verteidigen kann! Vor allem vor Menschen wie Snape und seinen Freunden, die denken, dass sie was besseres als Muggelgeborene sind, möchte ich nicht so wirken und ihre Vorwürfe bestätigen." „Ach Lily, die Situation ist vielleicht nicht ganz so gut verlaufen, aber deswegen brauchst du doch nicht so wütend werden. Und vor allem nicht auf James", sagte Dorcas ruhig und Marlene fügte hinzu : „James wollte dir doch nur helfen. Außerdem ist dir doch sonst auch egal was andere von dir denken, warum stört es dich denn ausgerechnet jetzt so sehr?"
Ich starrte die beiden entgeistert an und bevor ich etwas erwidern konnte, setzte Dorcas nochmal an : „Meinst du nicht, dass du  etwas überreagiert hast?"
Mit diesem Satz traf Dorcas einen wunden Punkt und ich reagierte instinktiv ohne darüber nachzudenken was ich als Nächstes sagen sollte. Es war wie ein Selbstschutz-Instinkt, der sich durch Dorcas und Marlenes Worte auslöste. Tief in mir drinnen wusste ich schon, dass die beiden recht haben könnten, aber irgendwie fühlte ich mich angegriffen und auch verletzt. So hatte ich mir ein Gespräch mit meinen beiden Freundinnen nicht vorgestellt. Ich dachte, dass sie mich verstehen würden und, dass jetzt selbst sie nicht auf meiner Seite waren nachdem mich James schon verärgert hatte, verstand ich nicht und wollte es auch nicht nachvollziehen.
Ich stand wütend auf und meinte : „Danke. Für nichts. Ich dachte ihr würdet mich verstehen!" Ich drehte mich schnell weg und ging zügig in den Schlafsaal der Mädchen um meinen Gedanken in Ruhe freie Bahn zu lassen. Ich setzte mich auf die Kante meines Bettes und vergrub meine Hände in meinen Haaren, die mir dunkelrot schimmernd vom Sonnenlicht, das in den Saal strömte, ins Gesicht fielen.
Glücklicherweise war ich alleine im Schlafsaal und so donnerten etliche Gedanken auf mich ein.
Ich war wütend auf Snape, weil er die Sache überhaupt begonnen hatte. Auf James, weil er alles nur noch schlimmer gemacht hat, und auf Dorcas und Marlene, weil sie mich nicht verstanden und sich auf James Seite stellten. Meine Wut mischte sich mit Kränkung und meinem verletzten Stolz. Zwischen diesen Gefühlen lauerte die hinterlistige Stimme meines Unterbewusstseins, die mir klarmachen wollte, dass ich nicht im Recht war. Genau diese Stimme ignorierte ich gekonnt und drängte meine negativen Gefühle in den Vordergrund, um mich von meiner Meinung nicht abzubringen. Denn wenn ich eins wusste, dann dass ich nicht so schnell einknicken und mich entschuldigen würde.

The Story of Prongs and Lils Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt