Die vergessene Frage

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Die Zeit begann wie im Flug zu vergehen und so bemerkte ich es kaum, wie sich der Frühling leise näherte, die Luft wärmer und die Pflanzen bunter wurden. Dies lag vielleicht auch daran, dass sich im Schloss nicht so wirklich Frühlingsstimmung verbreitete, sondern es vielmehr zunehmend spannungsgeladen und irgendwie düster wirkte. Ich schrieb diese Beobachtung den Tagespropheten zu, beziehungsweise den Nachrichten, die sie verkündeten. Allmählich schien es als ob ein Schema in die schrecklichen Vorfälle rund um die Muggel und Muggelstämmigen entstand und da sich eine bestimmte Vorgehensweise deutlich abzeichnete, schlossen die Berichte, dass es sich um eine große Gruppe handeln musste, die mitten in ihren Vorbereitungen auf ein noch unbekanntes Ziel waren. Die angespannte Stimmung zeigte die Reaktionen der Schüler auf die zunehmenden Meldungen.
Dennoch fand ich es sehr erschreckend, wie auch Beleidigungen wie „Schlammblut" immer öfters fielen und James und ich bemühten uns als Schülersprecher solche absurden Bezeichnungen möglichst zu verhindern. Trotz allem versuchte ich mich nicht ganz der bedrückten Stimmung hinzugeben und fand einen Ausgleich in den ganz gewöhnlichen Dingen wie mit meinen Freunden zu lachen, zum Unterricht zu gehen oder Quidditchspiele zu besuchen. Diese Dinge verschafften einem das Gefühl von Normalität, die einen ablenkte und sich friedlich anfühlte.
So wurde es allmählich zur Gewohnheit, dass ich James hin und wieder bei seinen Quidditchtrainings beobachtete, was ihm sehr gefiel. Er konnte es kaum fassen als ich ihm das erste Mal vorgeschlagen hatte, von der Tribüne des Quidditch-Feldes aus zuzuschauen und war ganz aus dem Häuschen gewesen. Unsere Freunde waren ebenfalls ganz baff, dass sich meine Abneigung gegenüber Quidditch so verringerte, aber eigentlich kam ich gar nicht zu den Trainings um die Sportart an sich zu beobachten, sondern viel mehr, weil es eine gute Abwechslung war. Außerdem gab James auch einen wirklich tollen Teamkapitän ab.
Auch an diesem Tag hatte ich es mir auf der Tribüne gemütlich gemacht, also soweit es auf dem Untergrund aus Holz eben möglich war, und ein bisschen in einem Buch gelesen, während das Quidditchteam von James durch die Lüfte gescheucht worden war. Als das Training beendet war, wartete ich auf James vor der Umkleide und kurze Zeit später kam er aus der Tür getreten. Ich schenkte ihm ein leichtes Lächeln und gab ihm einen flüchtigen Kuss auf den Mund, bevor wir uns in Richtung Schloss davon machten.
„Ich habe ja wirklich keine Ahnung von Quidditch, aber selbst ich bemerke wie hart ihr trainiert. Der Quidditchpokal ist schon so gut wie in der Tasche, denke ich. Und deine Führung trägt da ganz schön was bei, Kapitän. Ich habe mich ein bisschen umgehört und anscheinend war euer Team schon lange nicht mehr so erfolgreich, wie unter deiner Anleitung. Hut ab",  lobte ich James und stoß ihn mit dem Ellenbogen sanft von der Seite an. James lächelte auf diese typische Art und Weise, die nur er hatte und, die ich mit der Zeit zu lieben lernte. Früher hatte mich dieses selbstbewusste, amüsierte Lächeln zur Weißglut getrieben, aber seit einer Zeit wirkte es eher ansteckend auf mich und mir gefiel die Tatsache, dass dieses Lächeln sich von denen unterschied, die er zum Beispiel seinen Rumtreiber-Freunden schenkte. Es war nur für mich aufgehoben und gab mir ein besonderes Gefühl.
Während ich so in meine Gedanken versunken war, musterte ich James aufmerksam von der Seite. Mein Blick glitt über seine gerade Nase, sein rundes Kinn und seine deutliche Kieferpartie. Da schoss mir eine Frage in den Kopf, die ich mir erstaunlicherweise noch nie gestellt hatte und ich wunderte mich sofort, warum mir dieser Gedanke noch nie gekommen war.
„Sag mal James, wie siehst du eigentlich als Animagus aus? Also welche Gestalt nimmst du an?", fragte ich James neugierig. Ich wusste seit diesem Schuljahr, dass James, Peter und Sirius Animagi waren, weil sie sich diese Fähigkeit für Remus angeeignet hatten, aber irgendwie waren wir nie auf das Thema gekommen, welche Gestalten die drei annahmen und es lies mich ziemlich stutzig werden, dass mir diese Frage noch nicht in den Sinn gekommen war. Bei meiner neugierigen Natur, hätte ich es eigentlich schon längst in Erfahrung bringen müssen, dachte ich mir und war deshalb umso interessierter an seiner Antwort.
„Ich habe mich schon gefragt, wann du mir diese Frage stellen würdest. Also Sirius zum Beispiel verwandelt sich in einen großen, schwarzen Hund und Peter in eine Ratte. Ich werde zu.... nein, warte. Ich zeig es dir einfach!", antwortete James plötzlich ganz erfreut und griff nach meiner Hand. Leicht überrumpelt lief ich hinter James her, der plötzlich seine Schritte beschleunigte. „Hey, warte mal. Wo willst du denn hin? Du kannst dich doch jetzt nicht einfach mitten auf den Schulgelände verwandeln! Dann kennt doch die halbe Schule dein Geheimnis, wenn dich jemand aus einem Fenster oder so sieht!", protestierte ich. James blieb abrupt wieder stehen und wandte sich mir zu. Er sagte : „Keine Sorge, wir können ein wenig in den Wald hineingehen. Dort sieht mich dann niemand. An Vollmond konnten die Jungs und ich schon öfter mal den Wald näher kennenlernen und mir sind da so ein paar sichere Stellen bekannt. Also so sicher es im verbotenen Wald eben sein kann." Den letzten Satz fügte er mit einem Zwinkern hinzu und ich bemerkte das glückliche Leuchten in seinen warmen Augen. Er freute sich wirklich, dass es mich interessierte wie er in seiner Tier-Gestalt aussah.
Kurz überlegte ich und zögerte ein wenig. Der verbotene Wald war für die gefährlichen Wesen, die er beherbergte, bekannt und wie der Name schon vermuten lies, war er streng verboten. Anderseits, dachte ich, wäre es ja nicht mehr das erste Mal, dass ich eine Regel brach und es interessierte mich wirklich brennend was James' Tier-Gestalt war. Und ich wollte ihm diesen wunderbaren Gesichtsausdruck auf keinen Fall vom Gesicht wischen.
„Na gut. Ich vertraue dir, also los", entschloss ich mich und überlies James die Führung, die er mit Freude übernahm. Er führte uns auf etwas, das wie eine Lichtung aussah und nicht allzu weit vom Schloss entfernt war. Tatsächlich wirkte der Ort am Waldrand relativ friedlich und nicht halb so gefährlich, wie ich den verbotenen Wald eigentlich vermutete. Er blieb stehen, wandte mir sein Gesicht zu und sagte : „Bleib kurz einen Moment hier, okay? Ich verwandle mich etwas abseits. Aber keine Sorge, das braucht nur ein paar Sekunden." Er wartete mein Nicken ab und lies dann meine Hand los um sich zwischen den Bäumen und Büschen zu verwandeln.
Ich konnte nicht erkennen wie er sich verwandelte und wartete gespannt auf das Wesen, das gleich auf mich zukommen würde.
Tatsächlich dauerte es nur wenige Sekunden und dann trat auch schon eine Gestalt aus dem Grünen.

The Story of Prongs and Lils Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt