Der Silvesterabend

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„Ich glaube, ihr habt einen schlechten Einfluss auf mich", sagte ich und gab mich geschlagen. Das Grinsen der Rumtreiber wurde noch breiter, während ich erstaunt über mich selber war. Früher wäre ich nicht mal auf die Idee gekommen irgendeine Schulregel zu brechen, naja zumindest solange sie sinnvoll war, aber anscheinend hatte sich das geändert und ich war mir nicht sicher, ob ich dies für eine schlechte Entwicklung hielt.
Meine Freunde und ich freuten uns nun erheblich mehr auf Silvester als zuvor, auch wenn bei mir eine gewisse Anspannung mitschwang. Kaum waren wir in Hogwarts angekommen verschwanden die vier Jungs auch schon wieder, unter dem Vorwand dringend Besorgungen machen zu müssen. Wieder einmal wunderten meine beiden Freundinnen und ich uns sehr, wie sie dies anstellen würden, aber sie weigerten sich standhaft es uns zu erklären. Auch wenn ich meine Neugier schwer im Zaum halten konnte, war es mir die Sache nicht wert sich darüber aufzuregen und deshalb verschob ich mein Interesse auf irgendwann später.
Die Jungs hatten alles bekommen und so kam der Silvesterabend. Wir spielten Zauberspiele im Gemeinschaftsraum, der durch die Ferien ziemlich leer war, und vertrieben uns heiter die Zeit bis kurz vor Mitternacht. Zum richtigen Zeitpunkt zog James mich vom meinem Sessel und versicherte mir, dass alles gut gehen würde. „Vertrau den Jungs einfach. Das wird schon. Du hast doch letztens selber gesagt, dass wir positiv denken sollen", setzte Marlene zwinkernd hinzu als wir uns unauffällig aus dem Gemeinschaftsraum bewegten.
Tatsächlich lotsten die Runtreiber uns unentdeckt aus dem Schloss aufs Schulgelände in der Nähe des Waldes. James hielt die ganze Zeit über beruhigend meine Hand umschlossen und tatsächlich entspannte ich mich so etwas. Es war dunkel und die Stelle, die wir uns aussuchten war in der Tat sehr gut versteckt. Allmählich verschwand fast all meine Anspannung und ich genoss die kühle Nachtluft. Glücklicherweise war die Nacht sehr klar und so konnten wir problemlos die Sterne beobachten, während wir auf einer Decke saßen, die wir mitbrachten. Ich lehnte mich an James an, während ich mich mit Dorcas und Marlene unterhielt, Peter und Sirius die Raketen aufstellten und alles friedlich wirkte.
Irgendwie hatte ich Sirius dazu bringen können kein Dutzend Raketen mitzubringen, sondern die Anzahl etwas zu beschränken, weil ich zu viel Aufsehen vermeiden wollte. Rechtzeitig um Mitternacht starteten wir die Raketen und zündeten die Wunderkerzen. Wir bestaunten die wunderschönen Lichter und ich genoss den Anblick meiner glücklichen Freunde. Während wir zum Himmel blickten und Sirius sich vor Aufregung bezüglich der Raketen, die er offensichtlich liebte, kaum einkriegen konnte, umarmte mich James von hinten und drückte mir einen Kuss auf die Wange. Er flüsterte : „Ich bin stolz auf dich. Du bist über deinen Schatten gesprungen und hast uns begleitet. Ich weiß, dass dir das nicht leichtfiel, also danke."
Ich drehte mich um damit ich ihm in seine warmen Augen schauen konnte, als ich sagte : „Gerne, ich glaube das tut uns allen mal ganz gut. Einfach mal abzuschalten und so etwas Schönes zu genießen, meinst du nicht auch?"
Bedächtig nickte James und drückte mir noch einen Kuss auf den Scheitel, bevor er mich sanft wieder umdrehte und die Arme um meinen Bauch schlang, damit ich wieder in den Himmel blicken konnte.
Etwas später und ein wenig erhitzt vom Feuerwhiskey, den Peter verteilt hat um die Nacht zu zelebrieren, wanderten wir gemächlich wieder zurück zum Schloss. Wir unterhielten uns locker untereinander und ich war insgeheim heilfroh, dass uns bisher niemand entdeckt hatte. Ich wickelte Sirius in ein Gespräch ein und fragte ihn, wie sein Weihnachten war.
„Ganz gut, James' Mutter hat hervorragendes Essen gemacht!", antwortete er und ich schaute ihn fragend von der Seite an.
„Warum warst du denn nicht bei deiner Familie?", entgegnete ich direkt und sprach meine Gedanken aus. Die anderen schlenderten in unserer Nähe und warfen Sirius und mir unterschiedliche Blicke zu. James, Remus und Peter wechselten abwiegende Blicke und Dorcas und Marlene schienen meine Verwunderung zu teilen.
Sirius atmete hörbar aus und begann zu schmunzeln. „Weißt du, meine Familie und ich haben kein besonders gutes Verhältnis. Das heißt, ich hasse sie und sie verachten mich. Wie du weißt ist meine Familie eine reinblütige Familie und leider auch sehr... traditionell. Sie bestehen auf die Ansicht, dass Reinblüter besser und mehr wert sind als Halbblute oder Muggelstämmige. Ich hingegen bin vollkommen gegen diese absurde Vorstellung und weigerte mich stets so zu denken wie sie. Du hättest mal ihre Gesichter sehen sollen, als ich als einziger in der Familie nach Gryffindor und nicht nach Slytherin kam! Meinen Eltern gefiel das nicht und vor allem mein Vater scheute nicht davor zurück auf körperliche Weise zu versuchen mir diese Werte einzuprügeln. Aber ich blieb standhaft und meine Abscheu gegenüber dieser schrecklichen Familie wuchs nur noch mehr. Letzten Sommer sprengte eines dann vollkommen den Rahmen und ich rannte davon.
Meine Eltern wollten, dass ich mich wie der Rest der Familie einer Gruppe anschloss, die ihre verdammten Ansichten teilen und irgendwelche abscheulichen Machenschaften betreiben. Keiner meiner Geschwister wehrte sich gegen meine Eltern, vielmehr teilten sie ihre Vorstellung mit Vergnügen. Ich wollte nichts mit ihnen zu tun haben, nur mit meinem Bruder Regulus verstand ich mich hin und wieder ganz okay, naja und das ist schon übertrieben. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass er doch nicht so ganz hinter meinen Eltern stand, aber vielleicht war das auch nur Wunschdenken meinerseits. Auf jeden Fall, wurde mir irgendwann alles endgültig zu viel und ich machte mich davon. Ich wusste nicht wohin und dachte an die Menschen, die wirklich meine Familie waren, an meine Freunde. Also ging ich zu James und hoffte darauf, dass er mich nicht wegschicken würde. Naja, offensichtlich tat er das nicht und seine wunderbare Familie nahm mich gutherzig auf. Ich kann garnicht sagen, wie dankbar ich den Potters in dieser Nacht war", erklärte Sirius mit einer Ernsthaftigkeit, die ich niemals von ihm erwartet hätte.
Mir fehlten die Worte und ein Seitenblick auf meine besten Freundinnen verriet mir, dass sie genau so geschockt waren wie ich. James schaute Sirius eindringlich an und erwiderte locker : „Das war doch selbstverständlich. Du hättest das Selbe für uns getan." Peter schenkte Sirius ein aufmunterndes Lächeln und allmählich verschwand Sirius Ernsthaftigkeit und die dunklen Schatten, die sich vor lauter Wut um seine Augen gelegt hatten, als er bei seiner Erzählung an offensichtlich schreckliche Episoden seines Lebens dachte, hellten sich ebenfalls auf.
Remus ging auf Sirius zu und klopfte ihm sachte auf die Schulter. „Du bedeutest uns so viel, dass wir sogar dein vermaledeites Schnarchen, das sogar einen Troll im Winterschlaf aufwecken könnte, ertragen. Ich ziehe meinen Hut vor James, dass er das die ganzen Sommerferien aushält", sagte Remus offensichtlich um die Stimmung etwas zu lockern. Tatsächlich funktionierte es und auch Dorcas und Marlene überwanden ihre Fassungslosigkeit und mussten Grinsen. „Oh, also ich bin mir sicher, dass das nur daran liegen kann, dass James noch viel lauter schnarcht. Oder was meint ihr?", setzte Marlene noch etwas zögernd hinzu, aber dies ging durch unser Lachen und James' Proteste unter.
Anscheinend hatte nicht nur James versteckte Fassetten, die ich Stück für Stück kennenlernte und es machte mich recht fassungslos, dass ich Sirius schon so lange kannte, aber nie etwas über seine abscheuliche Familie gehörte hatte. Der Sirius, der immer gut drauf war und eine scheinbar endlose Kreativität bezüglich Schabernack besaß, hatte weitaus mehr durchlebt als ich mir vorgestellt hatte und es zeigte mir, wie stark Sirius sein musste um so lange Widerstand gegen seine Eltern zu leisten und trotzdem noch nach Vorne schauen zu können.

The Story of Prongs and Lils Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt