Wahrheit oder Pflicht

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Eines Sonnabends saßen meine sechs Freunde und ich zusammen in unserer Stammecke im Gemeinschaftsraum und spielten „Wahrheit oder Pflicht". Nach außen hin und auch für die Rumtreiber wirkte alles ganz gewöhnlich, aber Marlene, Dorcas und ich spielten ein weitreichenderes Spiel. Uns hat die Frage, warum unsere vier Freunde einen so guten Draht zu Dingen hatten, die eigentlich umständlich zu besorgen waren, nicht losgelassen und es war unserer Neugier verschuldet, dass wir uns eine unscheinbare Strategie ausdachten, um die Rumtreiber zu Antworten zu bringen.
Wir tüftelten unter uns aus, vorerst ein wenig Zeit verstreichen zu lassen, damit unsere Fragen in Vergessenheit gerieten und sich unsere Freundschaft zu den Rumtreibern in der Zwischenzeit vertiefen konnte, um die Wahrscheinlichkeit Antworten zu erhalten zu erhöhen. Auch wenn unser Verlangen nach Antworten natürlich nicht der Antrieb unserer Sympathie zu den vier Zauberern war, wollten wir nicht aufgeben nach Aufklärung zu streben und ließen insgeheim nicht locker. Während niemand außer uns drei Hexen etwas ahnte, arbeiteten wir allmählich darauf hin unsere eigentliche Frage zu stellen.
Wir spielten schon eine kleine Weile und nun wartete Dorcas wie besprochen den richtigen Zeitpunkt ab. Im Vorfeld einigten Marlene, Dorcas und ich uns darauf, dass sie den Part des Fragens vorerst übernehmen sollte, da sie am besten taktische, aber dennoch vorsichtige Fragen stellen konnte.
Remus hatte zuvor Dorcas eine Frage gestellt und sie machte uns mit einem unauffälligen Seitenblick verständlich, dass sie nun die Frage, um die es sich hier eigentlich drehte, stellen würde. Vorausgesetzt wir hatten Glück und Peter würde sich für Wahrheit entscheiden, so wie wir es erahnten. „Ich nehme Peter dran", verkündete sie von ihrem Sessel aus und setzte sich etwas aufrechter hin. Dieser nickte und sagte : „Ich nehme... Wahrheit." Sirius schnaubte amüsiert und James musste ein Schmunzeln unterdrücken. Die beiden tendierten dazu, ihre risikofreudige Ader bei diesen Spiel besonders gerne zu demonstrieren und wählten daher meistens eine Pflichtaufgabe, weshalb wir die beiden Jungs auch schnell als unsere „Frageopfer" aussortierten. Remus und ich warfen den beiden einen tadelnden Blick zu, obwohl wir natürlich wussten, dass James und Sirius nur mit Peter scherzten.
Peter ignorierte den unausgesprochenen Kommentar seiner Freunde geflissentlich und wartete auf seine Frage. „Okay, meine Frage lautet : Wie habt ihr es geschafft an Silvester so kurzfristig zu Dingen wie Feuerwerkskörpern zu kommen, die es eigentlich nur in Hogsmeade zu verkaufen gibt? Und bitte antworte ehrlich und nicht ausweichend." Schlagartig erlosch das Amüsement aus James und Sirius Gesichtern und auch Remus wurde ernster. Jetzt war die Frage raus und wir bewegten uns auf unbekanntem Terrain. Ich hoffte, dass wir den Rumtreibern nicht irgendwie zu nah getreten und in ein Fettnäpfchen gelaufen waren. Meine Freundinnen und ich beobachteten gespannt die vier Jungs, die nun vielsagende Blicke wechselten und eine stumme Konversation führten. Sie schienen abzuwägen, ob Peter uns antworten sollte oder nicht und nachdem James Peter kaum merklich zunickte, wandten sich die Zauberer uns mit entspannteren Gesichtern zu.
Ein kurzer Blickwechseln mit James beruhigte mich ein wenig und nahm mir die Befürchtung, dass unsere Frage zu gewagt gewesen war. „Na gut, da ihr euch ja anscheinend brennend für dieses Mysterium interessiert, wollen wir euch die Antwort nicht länger vorenthalten", begann Peter und Remus führte fort : „Naja, zumindest nicht allzu viel länger." James und Sirius nickten bestätigend und James fügte etwas leiser hinzu : „So leid es mir auch tut, müsst ihr drei euch noch ein wenig gedulden, denn hier sind zu viele Menschen, denen nichts davon zu Ohren kommen soll. Wir versprechen euch alles zu erklären, aber erst heute Nacht wenn alle aus dem Gemeinschaftsraum verschwunden sind. Dann holen wir euch aus dem Schlafsaal und erzählen euch alles, aber ansonsten ist uns die Sache zu riskant."
Mit dieser Aussage kitzelte James meine Neugier nur noch mehr, aber ich sah keinen Grund darauf zu bestehen, hier und jetzt unbedingt eine Antwort zu wollen. „Einverstanden", antwortete Marlene zufrieden und stellvertretend für uns alle drei. Marlene, Dorcas und ich wechselten gespannte Blicke und freuten uns darüber, dass unser Plan funktioniert hat. „Merlin, ihr habt es auch faustdick hinter den Ohren, Mädels! Uns so zu überrumpeln und zu Antworten zu bringen, muss einem erstmal einfallen....", meinte Sirius und setzte ein breites Grinsen auf. Anscheinend schien er uns diese Raffinesse nicht böse zu nehmen und auch James beugte sich zu mir herüber und kniff mich neckisch in die Seite. „Ich hätte es eigentlich wissen sollen, dass du neugieriges Wesen niemals locker lassen würdest, wenn wir ein solches Mysterium eröffnen", sagte er grinsend und ich setzte ein selbstsicheres Lächeln auf als ich zustimmend nickte.
Uns die Zeit bis zur Nacht zu vertreiben, stellte sich als äußerst lästig heraus und an Schlaf war nicht ansatzweise zu denken. Dennoch schafften wir es irgendwie die Zeit herumzubekommen und waren überaus erleichtert als jemand mitten in der Nacht leise an unsere Schlafsaal-Tür klopfte. Alarmierend schaute ich mich im Raum um, aber keine meiner Mitschülerinnen schien aufgewacht zu sein und nun schlichen meine Freundinnen und ich uns auf leisen Sohlen aus dem Schlafsaal.
Wieder im Gemeinschaftsraum angekommen genoss ich die ungewohnte Ruhe und lies mich aufgeregt neben James auf ein Sofa sinken. Meine Freundinnen und ich starrten neugierig in die Gesichter der Rumtreiber und warteten, dass sie anfangen würden ihre Antwort zu geben.
Peter ergriff endlich das Wort und begann : „Also die ganze Sache gestaltet sich tatsächlich ein wenig komplizierter als vielleicht erwartet und reicht auch schon ein paar Jahre zurück. In unserem dritten Jahr sind wir auf die glorreiche Idee gekommen, ein kleines Hilfsmittel für unsere Streiche und allerlei andere Vorhaben zu entwickeln. Wir begannen nachzuforschen und nach und nach entwickelten wir mit viel Mühe und Geschick eine Karte, die uns das gesamte Gelände von Hogwarts mitsamt Geheimgängen und allen Personen, die sich gerade dort befinden, zeigt. Die Karte zeigt uns jeden Standort aller Personen in Hogwarts an und ist äußert Hilfreich, wenn man nicht entdeckt werden möchte. Wir haben das Schloss schon vor langer Zeit sehr ausgiebig ausgekundschaftet und so sind uns auch so manche unbekannte Wege bekannt, wie zum Beispiel ein Geheimgang nach Hogsmeade. Die Karte ermöglicht es uns nicht entdeckt zu werden und ist zur Orientierung ziemlich praktisch."
„So können wir uns nach Hogsmeade schleichen und jederzeit alle möglichen Dinge dort besorgen.", fügte Remus hinzu und Sirius meinte ernst : „Das haben wir bisher noch niemandem erzählt und ist wirklich streng geheim. Wenn irgendein Lehrer davon Wind bekommt, sind wir geliefert und unsere fantastische Erfindung wird irgendwo im Müll landen oder so!" „Ihr wolltet die Wahrheit und hier ist sie nun. Es ist uns wirklich wichtig, dass die Sache geheim bleibt, also bitte, behaltet das für euch, okay?", sagte James und schaute uns fragend an. Marlene wurde ganz unruhig auf ihrem Sessel und ihre Augen strahlten förmlich vor Interesse. „Wie cool ist das denn? Natürlich behalten wir das Ganze für uns, ist doch klar! Kann ich die Karte mal sehen?", sprudelte es auch ihr heraus und Dorcas schüttelte schmunzelnd den Kopf als sie murmelte : „Eure Kreativität ist auch echt unschlagbar."
Die Vorstellung, was die Rumtreiber mit dieser Karte alles angestellt hatten, machte mich halb verrückt und lies alle meine Alarmglocken läuten. Anderseits wusste ich, dass die vier Jungs genauso wie James erwachsener geworden sind und nicht mehr ununterbrochen irgendwelchen Mist anstellten, was mein Gewissen ein wenig beruhigte. Meine Fingerspitzen begannen vor Interesse an dieser raffinierten, schlauen Karte zu kribbeln und ich sagte : „Ihr macht mich noch wahnsinnig, ihr Vier! Wisst ihr das? Jetzt zeigt das clevere Ding schon her!"
Auf den Lippen der Rumtreiber breiteten sich vier erleichterte, breite Grinsen aus und Sirius begann etwas aus seiner Pullover-Tasche zu kramen.

The Story of Prongs and Lils Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt