Genüsslich nahm der Hobbit einen weiteren tiefen Zug von seiner Pfeife.
Alter Tobi. Das beste Kraut im ganzen Südviertel.
Der Hobbit saß auf dem orangenen Polster seiner Bank im Vorgarten und ließ seinen Blick über seine gemütliche Heimat schweifen. Das Auenland. Einen friedlicheren Platz auf dieser Welt gab es wahrhaftig nicht.
Bilbo musste breit grinsen. Die Sonne schien, es war warm und ein laues Lüftchen wehte. Der Markt hatte bereits geöffnet, Bilbo hatte vor, noch etwas für sein heutiges Abendessen zu holen. Man hörte ein paar Kinder im benachbarten Vorgarten spielen. Ein perfekter Tag für rechtschaffende Leute wie Bilbo es war.
Zufrieden schloss er die Augen. Nichts vermochte diesen Tag zu trüben.
Nun ja, vielleicht die Wolke, die gerade vor die Sonne zog. Bilbo wartete darauf, dass sie weiterzog, und die wärmenden Strahlen der Sonne wieder auf sein Gesicht fallen würden. Das Erwartete trat nicht ein.
Das musste eine ziemlich große Wolke sein.
Bilbo runzelte die Stirn und öffnete schnell seine Augen.
Die Wolke, welche ihm das Sonnenlicht stahl, entpuppte sich als großer Mann, ganz in grau gekleidet, mit langem Bart und spitzem Hut. Auf seinen Stab aus gewundenem Holz gestützt blickte er auf Bilbo hinunter.
So verharrten beide einen Moment lang.
Bilbo war die Situation mehr als unangenehm. Er rutschte auf seiner kleinen Bank unruhig hin und her und kaute auf seiner Pfeife herum.
"Schönen guten Morgen.", sagte er knapp.
"Wie meint Ihr das?", antwortete der Alte sofort, "Wünscht Ihr mir einen guten Morgen, oder meint Ihr, dass es ein schöner Morgen ist, egal was ich wünsche?"
Bevor Bilbo darauf antworten konnte, redete der bärtige Mann auch schon weiter.
"Oder Ihr wolltet sagen, dass Ihr an diesem Morgen alles schön und gut findet?"
Bilbo blickte verdutzt um sich.
"Oder wolltet Ihr sagen, man müsse an diesem Morgen gut oder schön sein?"
Ein verständnisloser Blick war das einzige, was der graue Herr entgegnet bekam.
"Alles zu... zugleich, nehme ich an.", stotterte der Hobbit. Bilbos Unbehagen stieg und er hoffte, er könne den Fremden so bald wie möglich abwimmeln.
"Kann ich Euch helfen?", fragte er schnell.
Bilbo entging nicht, mit welcher Miene der alte Mann ihn musterte, immer und immer wieder.
"Das bleibt abzuwarten.", sagte der Spitzhut dann, "Ich bereite ein Abenteuer vor und ich suche jemanden, der noch mitmacht."
Hatte Bilbo das gerade richtig verstanden? Wollte... wollte dieser Herr ihn gerade dazu überreden, sich einfach ins Blaue aufzumachen? Er schüttelte schockiert den Kopf.
"Ein Abenteuer?", fragte er verwirrt und räusperte sich kurz, "Nein, ich glaube nicht, dass irgendjemand westlich von Bree", Bilbo deutete mit seiner Pfeife zu seiner Linken, "sonderlich viel Interesse an Abenteuern hat."
Schnell erhob sich der kleine Hobbit und machte ein paar Schritte zu seinem Briefkasten. Er öffnete ihn, entnahm einige Briefe, welche er sortierte während er weiterredete.
"Dabei hat man nichts als Ärger und Scherereien. Und man kommt zu spät zum Essen.", Bilbo lachte kurz und sah dann die Briefe durch.
Auch jetzt noch wurde er von dem graubärtigen Alten beobachtet, was langsam aber sicher an seiner Geduld nagte. Er nahm noch einen Zug von seiner Pfeife, räusperte sich erneut und wandte sich mit einem knappen "Guten Morgen" der Treppe zu, welche zur Eingangstür seiner Hobbithöhle führte.
"Dass ich von Belladonna Tuks Sohn mit einem 'Guten Morgen' abgewimmelt werde, als ob ich Knöpfe an der Tür verkaufe!", polterte da der alte Mann hinter Bilbo, der bereits einige Stufen nach oben gelaufen war. Abrupt blieb er stehen und drehte sich langsam um. Was hatte er da gesagt? Woher kannte dieser Fremde Belladonnas Namen?"Wie bitte...?", fragte der Hobbit vorsichtig nach. Langsam bekam er es mit der Angst zu tun.
"Ihr habt Euch verändert. Und nicht nur zum Besseren, Bilbo Beutlin.", fuhr der Alte fort.
"Entschuldigung, kennen wir uns?", Bilbo machte sich bereit, sofort herumzuwirbeln und sich in seinem Zuhause zu verbarrikadieren.
"Nun, Ihr kennt meinen Namen, obwohl Ihr nicht wisst, dass er zu mir gehört.", hob der Mann an.
"Ich bin Gandalf!", verkündete er laut, "Und Gandalf..."
Kurz hielt er inne, als würde er nach den richtigen Worten suchen, "Bin ich.", endete er dann kurz danach.
Plötzlich kam es Bilbo wieder in den Sinn.
"Gandalf", murmelte er, "Doch nicht etwa Gandalf, der wandelnde Zauberer, der immer so ein unglaubliches Feuerwerk gemacht hat."
Bilbo packte die Begeisterung, als er an das Erlebte zurückdachte.
"Der alte Tuk ließ zu jeder Sommersonnenwende eins abbrennen.", Er musste laut loslachen, bis er sich wieder daran erinnerte, dass der Störenfried ihm gerade seinen Morgen kaputt machte.
"Hatte keine Ahnung, dass Ihr noch im Geschäft seid.", ergänzte er schnell und gleichgültig.
Gandalf schaute ihn ernst an.
"Und wo sollte ich sonst sein?", fragte er vorwurfsvoll.
"Naja...", Bilbo lachte unsicher und gestikulierte wild mit seiner Pfeife herum.
Gandalf sah etwas empört aus.
"Nun, es freut mich, dass Ihr noch irgendwas von mir wisst.", verkündete er dann.
"Und wenn es auch nur mein Feuerwerk ist.", murmelte er noch hinterher und verzog den Mund. Er nickte.
"Dann wäre das entschieden.", Der Zauberer deutete auf Bilbo, "Es wird Euch äußerst gut tun."
Ein kleines Grinsen schlich sich auf sein Gesicht.
"Und für mich sehr belustigend sein.", er setzte sich in Bewegung, "Ich werde es den anderen mitteilen."
Bilbos Freude, den Zauberer erfolgreich abgewimmelt zu haben, wich schnell der Panik.
"Mitteilen? Den wen... nein nein nein nein nein.", Gandalf blieb verwirrt stehen.
"Wartet, wir...", Bilbo flitzte schnell die Stufen zu seiner Eingangstür nach oben "Wir haben keine Verwendung für Abenteuer, schon gar nicht hier. Nein Danke!"
Mit Nachdruck versuchte er, den Zauberer seine Abneigung spüren zu lassen.
"Ich schlage vor, Ihr versucht es hinter dem Bühl oder... jenseits der Wasser." Gandalf sah Bilbo verständnislos hinterher.
"Guten Morgen.", verabschiedete der sich schnell, war auch schon in seiner Hobbithöhle verschwunden und verriegelte soeben die Tür.
Gandalf hielt an seinem Plan fest. Schnell huschte er durch die Gartentür des Hobbits, lief die Stufen nach oben, bis er vor der verschlossenen runden grünen Tür stand. Der Zauberer setzte die Spitze seines Stabes an den unteren Teil der Tür an und begann eine Rune hineinzuritzen.
Auf der anderen Seite der Tür hörte Bilbo ein lautes ritzendes Geräusch. Er stand noch immer mit dem Rücken zur Tür und beugte sich nun nach unten, um das Geräusch besser hören zu können.
Das konnte doch nur dieser Gandalf sein! Empört aber zugleich auch etwas verängstigt schlich der Hobbit zu einem der Fenster direkt neben der Tür und sah nach draußen.
In diesem Moment erschien ein großes Auge, was dem Hobbit böse entgegen blickte. Erschrocken hüpfte Bilbo zurück und drückte sich mit dem Rücken gegen die Wand in seinem Flur.
Er hörte, wie sein Gartentor zufiel und sah erneut nach draußen. Der Zauberer schritt flott den Weg, den er gekommen war zurück und war schon kurz darauf nicht mehr zu sehen.
Bilbo rümpfte die Nase und dachte nach. So sehr ihm diese seltsame Begegnung den Morgen zerstört hatte und ihn verunsichert hatte, konnte er sich nun immerhin auf den Rest seines Tagwerks konzentrieren.Der Hobbit legte die Briefe auf seinem Stubentisch ab und begann, etwas in seinem Heim aufzuräumen. Er machte sein Bett, kratzte den Ofen frei, entsorgte Essensreste und wollte sich nun an die Liste machen, was er alles vom Markt bräuchte. Er betrat seine gut gefüllte Speisekammer, ging an den Regalen vorbei, zählte alles nach und schrieb seine Liste. Als er der Meinung war, alles Fehlende aufgeführt zu haben, betrat er sein Ankleidezimmer, um sich den Mantel herauszusuchen, der heute gut zu tragen sein könnte. Bilbo entschied sich schlussendlich für einen azurblauen Gehrock, welcher sein Erscheinungsbild deutlich abrundete. Zufrieden begab sich der Hobbit zu seiner Tür, schnappte sich beim Hinausgehen seinen Einkaufskorb und seine Liste und begab sich hinunter zum Markt.
Alle Hobbits, welche ihm entgegen kamen grüßten ihn, Bilbo grüßte zurück. So sehr er versuchte, seinen Tag unbeschwert zu gestalten, so gingen ihm die Aussagen des Zauberers Gandalf einfach nicht aus dem Kopf. Ständig wandte Bilbo sich um, beobachtete die Umgebung, als könne der Alte jederzeit um eine Ecke biegen und ihn auf das Abenteuer entführen. Gruseliger Gedanke.
Bilbo versuchte Abstand von der Vorstellung zu gewinnen, dass er mit diesem Graubart einfach so in die gefährliche Welt da draußen ziehen müsse.
Schnell tätigte er seinen Einkauf, plauderte etwas mit den Bauern und machte sich auch sofort wieder zurück nach Hause.
Als er sich von der großen Ansammlung am Markt entfernt hatte und nun alleine den Weg zu seinem gemütlichen Heim entlangschlendern konnte, beruhigte Bilbo sich wieder etwas und versuchte einfach daran zu denken, was er sich für sein leckeres Mahl heute Abend alles besorgt hatte.Vor seiner Gartentür angekommen, die er ab jetzt wohl lieber jedes Mal absperren würde, begann er nach seinem Schlüssel zu suchen, während er den vollen Korb weiterhin in Händen behielt.
"Verzeiht, Herr.", ertönte es direkt neben ihm.
Zu Tode erschrocken wirbelte Bilbo herum, ließ dabei seinen Einkaufskorb fallen und stand Angesicht zu Angesicht mit einem Hobbit. Oder war es ein Hobbit? Er hatte die Kapuze so tief ins Gesicht gezogen, dass man es nicht wirklich erkennen konnte. Bilbo wich sofort ein paar Schritte zurück.
"Ähm...", Das war das einzige, was er herausbrachte.
"Ich wollte Euch nicht erschrecken.", sagte sein Gegenüber und nahm die Kapuze ab. Blonde Haare, streng zurückgebunden, mit ein paar geflochtenen Strähnen verziert, blaue Augen untermalt von tiefen Augenringen und schmale Lippen kamen zum Vorschein. Eine Frau. Kein Mensch, kein Zwerg, was... Was war sie?
"Ihr...", Bilbo hatte den Schock verdaut und suchte nun nach Worten.
"Ihr seid kein Hobbit...", stellte er verdutzt fest.
"In der Tat nicht.", bestätigte die seltsame Gestalt ,"Ich möchte euch nicht behelligen, aber sagt mir...", Die Frau trat etwas näher und packte Bilbo fest am Arm, als dieser bereits wieder zurückweichen wollte.
"Was habt Ihr mit Gandalf dem Grauen zu schaffen?" Ihre Stimme war tief und klang äußerst heimlichtuerisch, was Bilbo ganz und gar nicht gefiel.
"Ich wüsste nicht, was Euch das angeht.", Bilbo entzog sich dem festen Griff der Unbekannten.
"Es geht mich sehr wohl etwas an, Bilbo Beutlin!", fauchte sie plötzlich, "Mehr als Ihr denkt."
Bilbo bekam es endgültig mit der Angst zu tun.
"Er... er fragte nach einem... einem Abenteuer.", stotterte er zusammen.
Die Frau sah ihn nachdenklich an.
"Was für ein Abenteuer?", fragte sie schnell, "Sprecht!"
"Ich weiß es nicht!", rief der Hobbit verzweifelt, "Ich lehnte ab. Er verließ mich noch diesen Morgen, seitdem habe ich ihn nicht mehr gesehen."
Seine Aussagen schienen die Fremde zu überzeugen. Langsam trat sie näher an ihn heran. Ihre Augen funkelten entschlossen.
"Sagt irgendjemandem, dass wir uns je getroffen haben...", zischte sie, "und ich werde Euch eigenhändig Eure feine Haut abziehen."
Mit diesen Worten fuhr sie herum, setzte sich ihre Kapuze wieder auf und stampfte davon.
Der Hobbit blieb ein paar Sekunden erstarrt vor seinem Garten stehen, bis er dann, immer noch vollkommen verängstigt und überfordert, begann, seine auf den Boden gefallenen Einkäufe wieder aufzusammeln. Langsam glaubte er, er war verflucht. Woher kamen diese seltsamen Leute? Was hatte er nur falsch gemacht? Er war durch und durch ehrbar.
Mit den Nerven völlig am Ende betrat Bilbo seine Hobbithöhle und stellte vorsichtig seinen Korb ab. Seine Hände zitterten und in seinem Kopf geisterten Fragen herum, auf die er einfach keine Antworten fand.
Es fiel ihm schwer, sich auf seine Hausarbeiten zu konzentrieren, immer wieder fielen ihm Dinge aus den Händen.
Verzweifelt unterbrach er seine Arbeit einen Moment und setzte sich auf sein Bett. Er barg den Kopf in Händen und verfluchte innerlich diesen bärtigen alten Mann. Seit er heute Morgen aufgekreuzt war, passierte ein seltsames Ereignis nach dem anderen. Und diese angsteinflösende Fremde heute Nachmittag war nun wirklich die Höhe. So eine unfreundliche Person hatte Bilbo lange nicht erlebt. Er zerbrach sich weiterhin den Kopf, bis sich die Dunkelheit des Abends über das Auenland legte.
Bilbo öffnete seine Eingangstür, um einen Blick nach draußen zu werfen. Es war still, die Hobbits des Auenlandes hatten sich mit ihren Familien in ihre Häuser zurückgezogen. So friedlich und schön, wie das Auenland nun vor ihm lag, wollte Bilbo einfach diesen ganzen Tag vergessen. Er schob die negativen Gedanken beiseite, schloss die Tür, begab sich an den Kamin und widmete sich seinem Abendbrot.2015
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✓ | Vergissmeinnicht ~ Fili FanFiction / Hobbit FanFiction / Fili FF
FanfictionAbgeschlossen ✓ "Auch du wirst irgendwann heimkehren." Zögernd öffnete sie eine der schweren Holztruhen. Der Deckel knarzte laut, als er nach hinten klappte. Ein staubiger Umhang. Münzen. Briefe. Rostige Nägel. Zumindest ein paar brauchbare Dinge. ...