「 Kapitel 48 」

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Sie spürte, wie die Kälte in ihre Knochen kroch.
Sie spürte, wie ihr Kopf dröhnte.
Sie spürte, wie der Schmerz in ihrem Körper anfing, sie in die Wirklichkeit zurück zu holen.

"Flieht!" hallte Filis angsterfüllter Ruf in ihrem Kopf wider.
"Lauft!"

Sie spürte die Leere.
Sie spürte die Trauer.
Sie spürte die Ohnmacht.

Bei dem Schrei eines Adlers öffnete sie langsam die Augen.
Die Adler.
Die Adler waren gekommen.
Ilèyn fühlte sich nicht imstande, sich zu bewegen, geschweige denn auch nur ihren Blick gen Himmel zu richten.
Sie wusste nicht, wie lange sie nun schon hier gelegen hatte, wie lange sie, bewusstlos, bei Fili geblieben war.
Ob sie überhaupt noch am Leben war.
Vielleicht war das alles auch nur ein Traum.
"Hier drüben!" Ilèyn nahm Bofurs schockierten Ausruf nur dumpf wahr, als wäre der Zwerg meilenweit weg. Dann, wenige Momente später, spürte sie wie ihr unter die Arme gegriffen wurde. Bofur und Nori waren zu ihr geeilt und versuchten sie nun, in Sicherheit zu bringen.
"Passt mit ihrer Schulter auf!" Das war Balin.
Seine Aussage untermalend, musste Ilèyn laut aufstöhnen, als der Schmerz wieder durch ihre Glieder fuhr. Als sie realisierte, dass man sie von Fili wegbringen wollte, begann sie, sich zu wehren.
"Lasst mich los..." sagte sie leise und zog ihren Arm aus Bofurs Händen. Die Zwerge reagierten nicht oder hatten sie einfach nicht gehört.
"Lasst mich los, sofort!" schrie Ilèyn plötzlich auf und machte eine ruckartige Bewegung aus Noris und Bofurs Griff.
"Ilèyn, deine Wunden müssen sofort versorgt werden." sagte Bofur und fing die Schützin gerade noch auf, als sie vor ihm zusammenbrach.
"Mir geht's gut..." ächzte sie leise.
Nori und Bofur zogen sie wieder nach oben. Ilèyns Kräfte, sich zu wehren, ließen nach.
"Ich muss bei ihm bleiben..." sagte sie kraftlos, als man sie davonführte "Ich kann ihn nicht alleine lassen!"

Ilèyn öffnete die Augen.
Sie lag auf dem Rücken, mit Blick zu einer steinernen Decke hinauf.
Was war passiert?
"Endlich bist du wach, Kind." hörte sie jemanden neben sich sagen. Als Ilèyn ihren Kopf drehen wollte, spürte sie wie ihr Nacken sich gegen jede einzelne Bewegung, die sie machen wollte, wehrte. Ilèyn verzog angestrengt das Gesicht, als sie versuchte, ihren Oberkörper zu bewegen. Ihre rechte Körperseite fühlte sich steif an und bereitete ihr starke Schmerzen, sie hatte Kopfschmerzen und ihr war übel. Ihr rechter Arm war in eine feste Schlinge gelegt, welche an ihrem Nacken befestigt war.
Plötzlich schob sich Oins Kopf in ihr Sichtfeld.
"Ich hatte schon befürchtet, wir würden dich verlieren, um ehrlich mit dir zu sein." sagte der Zwerg und begann, Ilèyns Kopf mit einem nassen Lappen abzutupfen.
"Oin, wie... wo bin ich?" brachte Ilèyn hervor.
"Oh, na immerhin erkennst du mich." schmunzelte Oin "Du bist im Erebor, im Lazarett. Die anderen haben dich gefunden, wie du..." Der Zwerg hielt kurz inne und suchte nach den richtigen Wörtern.
"Du bist neben Fili ohnmächtig geworden, warst absolut unterkühlt und hast viel Blut verloren." sagte er ernst "Wären wir nur ein paar Stunden später gekommen, wärst du wahrscheinlich erfroren."
Bei der Erwähnung von Filis Namen musste Ilèyn stark schlucken. Sie wollte sich dagegen wehren, dass ihr die Tränen in die Augen stiegen, doch sie war machtlos dagegen.
"Es... es tut mir leid, Kleines..." seufzte Oin. Der Zwerg legte einen neuen Verband um Ilèyns Kopf und verließ dann den Raum.
Alleine mit sich selbst, fing Ilèyn an, leise zu schluchzen. Mit jedem Mal, das ihr Körper erbebte, durchfuhren sie Schmerzen in ihrer Schulter, Hüfte und an ihrem Oberschenkel. Die Tränen wollten nicht aufhören zu fließen und Ilèyn schloss die Augen, den Wunsch hegend, man hätte sie nie gefunden und sie einfach erfrieren lassen.
Wie viele Stunden waren vergangen, seit der Schlacht?
War der Kampf vorbei?
Wie viele waren gefallen?
Vielleicht waren auch schon Tage vergangen?

Ilèyn lag stundenlang regungslos auf der Pritsche im Lazarett.
Die Zeit schien an ihr vorbeizugleiten, sodass sie sie nicht zu fassen bekam. Ihre Gedanken waren still und ihr Blick war leer.
Die Wände um sie herum waren kalt und rau, die Fackeln, die an ihnen befestigt waren, spendeten spärliches Licht.
Nach weiteren langen Stunden hatten Balin und Gandalf nach Ilèyn geschaut. Sie hatten ihr berichtet, dass Thorin und Kili ebenfalls gefallen seien, im Kampf gegen Bolg und Azog.
Ilèyn erfuhr von Gandalf, dass es der Morgen nach der Schlacht war und dass alle Armeen große Verluste zu beklagen hatten. Sie erfuhr, dass Azog getötet worden war, von Thorin. Dass Bolg getötet worden war, von Legolas. Dass die Adler gekommen seien und im Kampf gegen das zweite Heer aus dem Norden geholfen hatten, zusammen mit Beorn und Radagast. Und dass Thranduil am Mittag des heutigen Tages bereits mit seiner Armee in den Düsterwald zurückkehren wollte.
Balin erzählte von den bereits laufenden Vorkehrungen für das Begräbnis von Thorin Eichenschild, Fili und Kili.
Ilèyn hatte dem Zwerg und dem Zauberer schweigend zugehört, ohne Regungen im Gesicht. Als Balin und Gandalf vorsichtig ihr Beileid zu Filis Verlust aussprachen, sah Ilèyn den beiden das erste Mal seit sie den Raum betreten hatten in die Augen. Mit glasigem Blick führte Ilèyn ihre ungeschiente Hand langsam zu ihrem Bauch und ließ diese dort liegen.
Ein wissendes und trauriges Nicken von Gandalf, Balin sah schweigend zu Boden.
Die beiden verließen langsam den Raum, um Ilèyn weitere Ruhe zu gönnen.
Lange war die Schützin jedoch nicht alleine, denn eine halbe Stunde später klopfte es an die Tür zum Lazarett.
Ilèyn antwortete nicht auf das Klopfen und hoffte, derjenige, welcher dort vor der Tür stand würde von alleine gehen, wenn niemand reagierte. Dann wurde die Tür jedoch geöffnet und ein Krieger betrat langsam den Raum, um nachzusehen ob jemand anwesend war. Der Krieger war ein Elb. Als er Ilèyn auf der Pritsche liegen sah, stellte er sich stramm neben die Tür und machte Platz für jemand anderen, welcher nach ihm in den Raum kam.
Thranduil erschien im Türrahmen und sein Blick fiel auf seine schwer verletzte Nichte.
"Onkel..." ächzte Ilèyn heiser und begann sofort sich mit verzerrtem Gesicht aus der Rückenlage in eine sitzende Position zu drücken.
Thranduil wirkte, als würde er widersprechen wollen, dass Ilèyn sich aufrichten wollte, doch bevor er etwas über seine Lippen bringen konnte, saß Ilèyn gekrümmt vor ihm auf der Pritsche.
"Was wollt Ihr?" fragte sie leise.
"Man hat mit zugetragen, du würdest dich auf dem Weg der Besserung befinden." sagte Thranduil in gewohnt ruhiger Stimmlage "Ich wollte mich davon selbst überzeugen."
Der Elbenkönig trat näher und musterte Ilèyn.
"Es geht mir gut..." sagte diese leise und hielt dem Blick ihres Onkels stand.
Einen Moment sagte keiner ein Wort.

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