Bevor Ilèyn fragen konnte, wer noch fehlte, war Thorin bereits zur Tür hinaus. Die Gemeinschaft folgte ihm sofort und wurde jubelnd von den Leuten auf dem Platz in Empfang genommen. Es waren so viele von ihnen, dass die Zwerge gezwungen waren, sich im Gänsemarsch an den Menschen vorbeizuquetschen. Ilèyn war es äußerst unangenehm, die ganze Zeit betrachtet und angebrüllt zu werden, ob aus Freude oder nicht. Sie wollte so schnell wie es ging, aus dieser Masse heraus.
"Wir sind übrigens einer zu wenig!" sagte Bilbo, der hinter Fili und Ilèyn lief "Wo ist Bofur?"
Also hatte sich Ilèyn doch nicht getäuscht. Doch der Hobbit fragte berechtigt, Bofur war nirgendwo zu sehen.
"Wenn er nicht hier ist, lassen wir ihn zurück." kam die Antwort von Thorin, welcher, gefolgt von Balin fast an dem für die Zwerge vorbereiteten Boot angelangt war.
"Das müssen wir." stimmte Balin zu "Wenn wir die Tür vor Einbruch der Nacht finden wollen. Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren."
Die Leute um die Gemeinschaft herum redeten aufgeregt miteinander. Mittlerweile war die Sonne hervorgekommen und tauchte die Stadt in ein helles und kaltes morgendliches Licht. Die Temperatur war noch weiter gesunken, konnte man annehmen. Doch der Himmel war frei, es sah nicht nach Schnee aus.
Die Zwerge erreichten das Ende des Steges und begannen es mit den Waffen zu beladen, die ihnen zur Verfügung gestellt wurden.
Fili stieg vorsichtig auf das Boot und nahm Bifur einige Lanzen ab, um sie sicher zu verstauen. Ilèyn hatte zwar noch genügend eigene Pfeile, jedoch bediente sie sich gern und ausgiebig an den Pfeilen, die sie aus den vorbereiteten Köchern nahm, die am Steg auslagen. Als sie sich umdrehte, sah sie wie Thorin mit Kili sprach. Ilèyn kam sofort zu den beiden herangetreten.
"Wir müssen uns beeilen, du würdest uns aufhalten." sagte Thorin gerade und reichte währenddessen mehrere Speere zu den anderen auf dem Boot durch. Ilèyns Blick huschte zu Kili, welcher seinen Onkel entgeistert ansah.
"Was redest du, ich komme natürlich mit." sagte er ungläubig.
"Nein." widersprach Thorin nur und schüttelte den Kopf.
Kili merkte, dass sein Onkel es ernst meinte und er sah ihn an, als hätte dieser ihm die Nachricht über seinen eigenen Tod überbracht.
"Ich werde dabei sein, wenn diese Tür aufgeht! Wenn wir das erste Mal die Hallen unserer Väter sehen, Thorin!" sagte Kili ungehalten.
"Kili..." sagte Thorin sanft "Bleib hier. Ruh dich aus. Komm nach, wenn du gesund bist." Er fasst seinem Neffen gegen den Hinterkopf und sah ihm bestimmt in die Augen.
Kili widersprach nicht und sah nur unglücklich zu Boden. Er machte ein paar Schritte zurück und schüttelte enttäuscht den Kopf.
"Ich bleibe bei ihm." sagte Ilèyn, die noch neben Thorin stand und den jungen Schützen musterte. Sie konnte ihn nicht einfach hier zurücklassen, ohne zu wissen, was genau mit ihm los war. Würde er hier alleine auf sich gestellt sein, könnte ihn diese Wunde noch umbringen. Das durfte sie nicht riskieren
"Er braucht Medizin, ich werde versuchen, welche aufzutreiben."
Thorin schien es mehr als Recht zu sein, dass Ilèyn die Gemeinschaft nicht zum Berg begleitete, denn er widersprach nicht und sah ihr nur hinterher, als sie sich dem jungen Zwerg näherte."Kili." sagte sie sofort und bedeutete ihm, sich auf einen Stapel Kisten zu setzen, welcher direkt hinter ihm war.
"Das ist... das ist nicht sein Ernst!" ächzte dieser, als er sich setzte.
"Ich weiß, du bist enttäuscht, aber..." Ilèyn suchte seinen Blickkontakt und sah ihn mehr als ernst an "Was diese Wunde in deinem Bein mit dir macht, gefällt mir ganz und gar nicht, hörst du? Wir müssen dringend etwas dagegen machen."
"Es geht mir gut!" widersprach Kili vehement und versuchte sich, Ilèyns prüfenden Blicken zu entziehen.
"Das tut es nicht, Kili!" sagte diese nun mit Nachdruck und durchbohrte ihn mit einem bösen Blick "Lüg mich nicht an!"
Kili sagte nichts mehr und Ilèyn drehte sich noch einmal zum Boot um. Die Zwerge beluden dieses noch immer mit Waffen und Vorräten. Sie erblickte Fili, der zu seinem Onkel aufsah und auf ihn einredete.
"Ich trage ihn, wenn es sein muss!" sagte er und Ilèyn hörte die Verzweiflung in seiner Stimme bei dem Gedanken, seinen Bruder zurückzulassen. Ilèyn zurückzulassen.
"Ich kann das Schicksal dieser Unternehmung nicht für einen Zwerg aufs Spiel setzen." sagte Thorin gerade, als Ilèyn sich etwas genähert hatte "Auch nicht für meinen Neffen."
Ilèyn wollte gerade etwas sagen, musste sich jedoch wieder abwenden, weil Kili schon wieder aufspringen und zu seinem Onkel gehen wollte.
"Kili, bitte!" sagte sie nun etwas lauter "Glaube mir, das geht so nicht." Sie drückte den Zwerg an seinen Schultern zurück auf die Kisten.
Filis Blick fiel auf Ilèyn und seinen Bruder. Er konnte nicht ohne die beiden gehen. Er konnte sie nicht alleine hier lassen, ohne zu wissen, was aus ihnen wurde und ob sie es überhaupt zum Berg schaffen würden, wenn sie nachkommen würden.
Es war keine schwere Entscheidung mehr, die er fällen musste.
"Ich bleibe bei ihr." sagte er entschieden. Mit einem großen Schritt verließ Fili das Boot und wollte an Thorin vorbei zu Kili und Ilèyn gehen.
"Fili, sei kein Narr." sagte sein Onkel und packte ihn fest am Arm "Du gehörst zur Gemeinschaft."
"Ich gehöre zu meinem Bruder." entgegnete Fili ernst und wand sich aus dem Griff seines Onkels. Er kam zu Kili und Ilèyn, letztere machte gerade ein besorgtes Gesicht, als sie sich Kilis Blässe im Gesicht ansah.
Als Fili neben ihr erschien, sah sie fast erschrocken zu ihm auf.
"Was... machst du denn? Ihr brecht gleich auf." sagte sie und warf einen Blick auf das Boot, auf welchem mittlerweile alle Vorkehrungen getroffen waren.
"Ich werde bei euch bleiben." sagte der Zwerg nur und kniete sich neben Ilèyn, die ihre Hand auf Kilis Stirn gelegt hatte. Bevor sie etwas sagen konnte, ertönte plötzlich der recht eigenwillige Klang eines kleinen Blasquartetts, welches die Anwesenheit des Bürgermeisters verkündete.
Eben jener betrat nun über ein kleines wackeliges Holztreppchen ein noch kleineres eingezäuntes Podest, von welchem er über die versammelte Menge sehen konnte. Die Menschen jubelten, als sie ihn sahen und der Mann winkte mit selbstgefälligen Grinsen.
Ilèyn sah über ihre Schulter und verzog das Gesicht, als sie den Bürgermeister sah.
"So brecht nun auf, mit unserem Wohlwollen und besten Wünschen!" verkündete der Mann erhaben und sah auf die Reisenden hinab "Und möge eure Rückkehr allen Glück bescheren!"
Erneut brach die Menge un Jubel aus, das Quartett spielte einen feierlichen Akkord, als das Boot der Zwerge ablegte und durch die Ruderschläge langsam den Kanal entlangfuhr, begleitet vom begeisterten Winken der Menschen der Seestadt.
Kili sah traurig hinter den anderen her, während Ilèyn ihren Handrücken gegen seine Wangen legte. Sie legte die Stirn in Falten und verzog grübelnd den Mund. In dem Moment drückte sich jemand durch die Menschen am Steg.
"Aus dem Weg, nein!"
Bofur stolperte vor die anderen und sah sich verloren um. Als er Ilèyn, Fili und Kili erblickte, lächelte er breit und erleichtert.
"Habt ihr das Boot auch verpasst?" fragte er, noch etwas außer Atem.In diesem Moment kippte Kili nach vorne und Ilèyn griff ihm unter die linke Schulter, um ihn zu halten.
"Kili!" sagte Fili geschockt und griff seinem Bruder unter den anderen Arm. Sie setzten ihn wieder etwas auf, Fili warf Ilèyn einen hilflosen Blick zu. Die Schützin hob Kilis Kopf an, welcher auf seine Brust gesackt war. Sie legte ihm ihre Hand auf die Stirn.
"Fieber..." murmelte sie leise "Kaltschweißig..." Sie griff nach Kilis linker Hand, seine Finger zitterten leicht und seine Haut war bleich.
"Bofur!" Ilèyn winkte den Zwerg zu sich, welcher mit ihr Platz tauschte und Kili stützte.
"Wir brauchen Arznei, sofort." sagte sie zu den Dreien "Kommt mit!"
Ohne weiteres Zögern fuhr die Schützin herum und bahnte sich ihren Weg durch die versammelten Menschen, Fili und Bofur mit Kili in den Armen folgten ihr. Sie navigierte die Gruppe zurück zum Rathaus, wo der Bürgermeister und sein Diener in Begleitung der Stadtwache gerade durch die großen Türen gehen wollten.
"Bitte wartet!" rief Fili schon von weitem den beiden entgegen. Ilèyn drückte sich an den Wachen vorbei und die vier kamen auf dem Platz vor dem Rathaus zum Stehen.
"Bitte! Ihr müsst uns helfen! Mein Bruder ist krank." endete Fili und sah zu den beiden Gestalten auf.
"Krank?" entfuhr es dem Bürgermeister angewidert und presste sich sein Taschentuch vor das Gesicht "Ist das ansteckend? Geht weg. Alfrid! Alfrid! Lass sie keinen Schritt näher kommen!"
Der Diener des Bürgermeisters breitete abwehrend die Arme vor den Zwergen aus.
"Bitte!" sagte Ilèyn "Wir brauchen unbedingt Arznei!"
"Sehe ich etwa wie ein Pillendreher aus?" fragte da der schwarzgekleidete Mann vor ihr und sah sie unverständlich an.
"Ich kann Euch erklären, was ich benötige!" Ilèyn trat einige Schritte nach vorn.
"Habt ihr nicht schon genug?" kam es von Alfrid "Der Bürgermeister ist beschäftigt. Er kann seine Zeit nicht mit kranken Zwergen vergeuden."
Bei diesen Worten entgleisten Ilèyn die Gesichtszüge.
"Fort mit euch, macht schon. Verschwindet."
Wie auf einen Befehl hin, begann die Stadtwache hinter ihnen an den Zwergen zu ziehen und sie vom Platz zu zerren.
"Hey!" entfuhr es Ilèyn etwas lauter, als einer der Soldaten sie am Kragen packte und sie hinter den anderen dreien absetzte. Am liebsten hätte Ilèyn jenen Soldaten um alle seine zehn Finger erleichtert, um diese dann zu einer Trophäenkette zu verarbeiten, doch dafür hatte sie nun wirklich keine Zeit.
Die kleine Gruppe verschwand von dem Platz und trat die Suche nach einer Bleibe an. Sie durchquerten ziellos die Stadt, mussten immer öfter Pausen einlegen, weil Kilis Kräfte zusehends schwanden. So verbrachten sie tatsächlich mehrere Stunden, klopften an Türen, fragten die Leute auf den Marktplätzen nach Hilfe. Niemand bot ihnen Unterstützung.
Die Sonne hatte den Zenit bereits überschritten, bald würde sie sich wieder zum Abend senken.
"Wir brauchen eine Unterkunft." sagte Bofur und sah die anderen an "Wir können nicht die ganze Zeit in der Stadt umherirren."
"Niemand hier wird uns helfen, das kannst du vergessen." sagte Ilèyn und dachte nach.
"Einer vielleicht schon." warf Fili ein. Bofur und Ilèyn sahen ihn an.Bofur klopfte an die hölzerne Tür vor ihm.
Die kleine Gruppe hatte Bards Hütte endlich erreicht, Kili war mehrfach fast zu Boden gesunken.
Die Tür wurde geöffnet und der Kahnführer sah in die Augen der vier Hilfesuchenden.
"Nein." sagte er, bevor einer von ihnen etwas sagen konnte "Von Zwergen habe ich genug, verschwindet." Schwungvoll zog er die Tür vor sich zu. Bevor diese ins Schloss fallen konnte, hatte Bofur seinen Fuß gegen die Tür gedrückt.
"Nein, nein, bitte!" sagte er schnell und drückte die Tür wieder auf "Niemand will uns helfen. Kili ist krank." Bofur warf einen Blick über seine Schulter und sah dann wieder zu Bard.
"Sehr krank."1775
![](https://img.wattpad.com/cover/258092295-288-k794195.jpg)
DU LIEST GERADE
✓ | Vergissmeinnicht ~ Fili FanFiction / Hobbit FanFiction / Fili FF
FanficAbgeschlossen ✓ "Auch du wirst irgendwann heimkehren." Zögernd öffnete sie eine der schweren Holztruhen. Der Deckel knarzte laut, als er nach hinten klappte. Ein staubiger Umhang. Münzen. Briefe. Rostige Nägel. Zumindest ein paar brauchbare Dinge. ...