「 Epilog 」

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Zitternd blieb der Pfeil in der Zielscheibe stecken.
"Ha! Eine Zehn!" rief das Mädchen und ihre Augen leuchteten siegessicher.
"Kein schlechter Schuss, Kleine." sagte der Junge neben ihr und nickte anerkennend.
"Ich bin älter als du!" antwortete sie empört und drehte sich zu ihm um.
Der Junge rollte mit den Augen.
"Nur fünfzehn Minuten!" gab er pikiert zurück und verzog genervt das Gesicht.
Das Mädchen grinste ihn provokant an, nahm sich den nächsten Pfeil und legte ihn auf die Sehne.
"Aber ich bin größer als du." kam es von dem Jungen in dem Moment, als sie schießen wollte. Der Pfeil zischte unkontrolliert von der Sehne und landete im Unterholz.
"Ach ja?" fragte das Mädchen aufgebracht, als sie sich erneut zu ihm umwandte, mit dem Finger in die Bäume deutete und den Mund verzog.
"Du suchst." sagte sie.
"Wieso ich?" fragte er entsetzt.
"Weil du mich abgelenkt hast!" gab sie zurück.
"Oh, bitte, das war doch keine Ablenkung." lachte er "Ein wahrer Krieger lässt sich nicht von sowas ablenken."
"Du bist definitiv kein Krieger. Es sei denn du schaffst es als Erster, einen Ork mit einem deiner Bücher zu erschlagen." murrte sie und stapfte nach vorne, um den einen Pfeil aus der Zielscheibe zu ziehen und den anderen im Dickicht zu suchen.
"Irgendjemand muss der Erste sein!" rief er ihr hinterher.
"Das bist sicherlich nicht du!" kam die Antwort von irgendwo zwischen den Bäumen.
Er wartete geduldig auf sie, bis sie nach einigen Minuten mit beiden Pfeilen und etwas mehr Laub in den Haaren als zu Beginn, zu ihm zurück kam.
"Wollen wir zurück?" fragte er und deutete mit dem Daumen über die Schulter "Amad sagte, es würde bald Essen geben."
"Klar." antwortete sie knapp "Ich habe eh keine Lust mehr, mit dir zu trainieren." Das letzte Wort setzte sie in einer übertriebenen Geste in Anführungszeichen.
Die beiden machten sich auf den Weg durch die Bäume hindurch, bis sie nach kurzer Zeit einen kleinen gewundenen Pfad erreichten. Der Wald war nicht besonders dicht, doch ihre Mutter bestand darauf, dass sie ihn immer benutzten, wenn sie sich auf dem Hin-oder Rückweg vom Training befanden.
"Was glaubst du, gibt es heute?" fragte sie, während sie einen großen Schritt über eine Wurzel machte.
"Keine Ahnung." sagte er beiläufig "Ich hoffe, Amad bereitet endlich die Beeren zu, die wir gestern gesammelt haben."
"Oh ja!" rief sie aus "Als Nachtisch!"
Der Gedanke an ein leckeres Dessert ließ die beiden schneller laufen, bis sie den letzten Rest des Weges entlangrannten. Sie erreichten nach nur wenigen Minuten den Rand des Waldes, der kühle Herbstwind kündigte an, dass es bald anfangen würde zu regnen. Dennoch sendete die Sonne, welche sich bereits zur Dämmerung neigte noch einige wenige wärmende Strahlen hinab.
Die Tage im Norden vergingen schneller, die Nächte dauerten lang und waren kalt, bereits im Herbst musste man sich sehr dick anziehen, wenn man vorhatte, nach Einbruch der Dunkelheit noch einen Fuß vor die Tür zu setzen.
Vor den beiden ragte nun eine kleine Hütte auf, versteckt am Fuße eines Hügels, mit einem kleinen Vorgarten, welcher gesäumt von kleinen blauen Vergissmeinnicht war, Rauch quoll aus dem Schornstein.

Sie überholte ihn im Vorgarten und flitzte die wenigen Holztreppen zur Eingangstür nach oben. Sofort stand sie in dem kleinen Wohnzimmer, welches von dem schmalen Kamin beheizt wurde. Eine weitere Tür führte in den Garten hinaus und eine schmale Treppe in ein zweites Stockwerk.
Ilèyn kam die Treppe gerade hinunter und sah das Mädchen durch das Wohnzimmer springen, auf dem Weg zum Kamin.
"Da seid ihr ja wieder." sagte sie lächelnd und krempelte sich die Ärmel nach oben "Wie war das Training?"
"Die Kleine hat gut geschossen." sagte der Junge, welcher nun ebenfalls durch die Tür trat. Als das Mädchen empört und protestierend den Mund aufriss, winkte er schnell ab.
"Schon gut, schon gut, fünfzehn Minuten, ich weiß doch..." sagte er und lief langsam zu dem hölzernen Tisch, welcher die Mitte des Raumes ausmachte.
Das Mädchen nickte zufrieden.
"Fafnîr hat mich abgelenkt, Amad." sagte sie dann und ihr zufriedener Blick wechselte zu einem beleidigten Gesichtsausdruck.
Fafnîr hatte ein Buch aufgeschlagen und begonnen zu lesen.
"Tatsächlich." sagte Ilèyn schmunzelnd und sah zu ihrem Sohn hinüber.
"Alhèna kann sich nur nicht konzentrieren." sagte dieser, ohne aufzusehen.
"Das stimmt doch überhaupt nicht!" rief Alhèna entgeistert und sah ihre Mutter hilfesuchend an.
Ilèyn trat zu ihr und fuhr ihr durch das dunkelblonde Haar, welches in einem kleinen Zopf von ihrer Schulter hing.
"Ich kann mir vorstellen, du warst heute ziemlich gut mit dem Bogen." sagte sie beschwichtigend und trat dann an den Tisch, um sich zu Fafnîr hinunterzubeugen.
"Ich habe die Beeren zubereitet, genau wie ihr das wolltet." sagte sie leise zu ihm. Das reichte, um sogar Fafnîr von einem seiner Bücher aufsehen zu lassen. Er strahlte seine Mutter an.
"Wirklich?" fragte er begeistert "Oh, klasse!"
Der Junge fuhr sich durch das wellige blonde Haar und schlug das Buch zu.
"Da erwähnt man einmal Essen und er ist nicht zu bremsen." bemerkte Alhèna von der Seite, die gerade vorsichtig den Bogen und den Köcher neben der Tür platzierte.
"Etwas, was er von seinem Vater hat." schmunzelte Ilèyn und zwinkerte ihrer Tochter zu.
"Das glaube ich auch." lachte Alhèna und rannte hinter ihrem Bruder her zu dem kleinen Küchenbereich neben dem Kamin.
Die Zwillinge halfen, den Tisch zu decken und bevor es einen gelungenen Beeren-Nachtisch gab, füllten sie sich die Bäuche mit einem Rehbraten und Kartoffeln.
"Ich würde wirklich gerne wissen..." hob Alhèna mit dem Mund voll Kartoffeln an.
"Mit vollem Mund spricht man nicht, du..." begann Fafnîr.
"Fafnîr." unterbrach Ilèyn ihren Sohn mahnend, bevor dieser zu Ende reden konnte.
Alhèna kaute lange auf dem Essen herum, schluckte es herunter und zeigte ihrem Bruder daraufhin provokant ihren leeren Mund. Fafnîr verzog nur das Gesicht und sah auf seinen Teller hinab.
"Was wolltest du sagen, Mizimîth?" fragte Ilèyn und sah ihre Tochter über den Tisch an.
"Ich würde wirklich gerne wissen, was Vater nun machen würde, wenn er... noch bei uns wäre." sagte sie.
"Alhèna, bitte. Nicht schon wieder dieses Thema." Ilèyn stützte ihren Kopf auf ihre rechte Hand.
"Adad würde dir Tischmanieren beibringen, ganz sicher." grummelte Fafnîr und stocherte auf seinem Teller herum.

"Genug von eurem Vater, ihr beiden." sagte Ilèyn und legte beide Hände auf den Tisch. Sie sah von Fafnîr zu Alhèna und wieder zurück.
"Wer will Nachtisch?" fragte sie grinsend.
"Oh, ich!" Alhèna stand so stürmisch auf, dass der Stuhl, auf dem sie saß umfiel. Das Mädchen rannte zu einer der Küchentheken und nahm sich eines der kleinen Küchlein, welche dort bereit standen.
"Hey, ich auch!" Fafnîr erhob sich eilig und lief zu seiner Schwester. Er griff über ihre Schulter nach der Süßspeise.
"Jeder zwei, danach geht ihr beide nach oben." ordnete Ilèyn an, während sie die Teller stapelte. Die Zwillinge nickten und nahmen sich das jeweils zweite Küchlein auf die Hand.
Ilèyn beobachtete die beiden, wie sie nach dem Essen gemeinsam die Treppe nach oben stiegen und hörte ihre Schritte durch das knarzende Holz über ihrem Kopf. Als Ilèyn keine Geräusche mehr vernahm, bereitete sie sich einen heißen Tee zu, bestehend aus den Kräutern, die sie heute Morgen aus dem Garten geholt hatte.
Als sie sich mit einem Gefäß, gefüllt mit Tee vor den Kamin setzte und aus dem kleinen Fenster neben ihr sah, begann sie nachzudenken.
Über das, was war.
Über das, was ist.
Und über das, was vielleicht noch kommen mag.
Sie wusste, dass ihre Kinder etwas besonderes waren.
Sie wusste, was ihre Kinder in der Geschichte Mittelerdes für eine Rolle spielen könnten und was das für Gefahren für Ilèyn selbst und für die Zwillinge bereit halten könnte.
Doch einer Sache war sie sich definitiv sicher:
Dass das Geschlecht Durins nicht so leicht zu bezwingen war.

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