「 Kapitel 21 」

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Ilèyn setzte einen Fuß durch das Elbentor.
Ein spärlich bepflasterter Weg schlängelte sich vor ihren Augen in die wirre Dunkelheit des Unterholzes.
Schwindel erfasste sie, ihr wurde übel. Ein hohes Fiepen füllte ihren Kopf und ihre Ohren und machte sie fast taub.
Die Zwergin fasste sich an die Stirn.
Klar denken, Ilèyn. Komm schon.
Sie schüttelte ihren Kopf und richtete ihren Blick konzentriert geradeaus. Sie bildete das Schlusslicht des Gänsemarsches der Gemeinschaft, welche sich tapfer durch das Dickicht schlug.
Dwalin, Thorin, Fili und Kili gingen voran. Mit jedem Schritt prüften sie, ob sie weiterhin auf dem Pfad entlangliefen.
Anfangs sahen sich die Zwerge noch recht interessiert und neugierig im Wald um. Schwarze Wurzeln ragten aus der Erde, Schlingpflanzen wanden sich die mächtigen Baumstämme nach oben und Lianen hingen über ihren Köpfen herab. Der Pfad führte sie Steigungen hinauf und in Senken herunter, wand sich durch die seltsam gewachsenen Pflanzen des Waldes.
Dwalin klopfte mit dem Griff seiner Axt den Boden ab, bis er auf Stein stieß.
"Hier entlang!" sagte er, die Gruppe folgte ihm. Sie balancierten über Stämme und gewaltige Wurzeln, allmählich machte sich jedoch Erschöpfung unter den Zwergen breit.
"Luft..." stöhnte Bofur "Ich krieg keine Luft..."
"In meinem Kopf schwimmt alles..." fügte Gloin geschafft hinzu.
"Wir haben die Brücke gefunden!" rief Kili von vorne. Seine Stimme hallte in dem gewaltigen Wald wider.
Ilèyn tat es der Gruppe gleich und verlangsamte ihre Schritte. Sie schloss die Augen und sog mit einem tiefen Atemzug die Luft des Waldes ein.
Ein Schauer durchfuhr ihren Körper, so schnell wie ein Blitz. Vor ihrem inneren Auge zuckten Bilder vorüber. Erinnerungen.
Krieger.
Schreie.
Trauer.
Der Fluss... der Fluss unter der steinernen Brücke.
Leere. Endlose Leere.
Und ein Sumpf aus Enttäuschungen.
Dann eine Welle von Schmerz. Auf ihrem Rücken, ihrer Brust, an den Beinen und den Armen, als würden tausende Narben, von denen sie dachte, sie wären verheilt, zugleich aufgerissen.
Schmerz in ihrem Herzen, Schmerz in ihrer Seele.
Ilèyn schlug die Augen auf.
Ihr Herz raste. Ihre Augen blickten klarer als zuvor, ihre Ohren nahmen jedes noch so kleine Geräusch wahr. Auf ihrer Haut hätte sie den Flügelschlag eines Schmetterlings spüren können. Von jetzt auf gleich waren ihre Sinne geschärfter als zuvor. Ilèyn war sich zwar immer sicher gewesen, dass dies kaum möglich wäre, aber darin hatte sie wohl getäuscht.
Neue Kraft durchfloss ihren Körper, wie ein Fluss ein ausgetrocknetes Flussbett. Die Übelkeit und der Schwindel verschwanden.
Doch eine Sache ging nicht. Die Angst. Die Angst vor einer realen Bedrohung, Ilèyn wusste ganz genau, was auf die Gruppe zukam.

Hellwach und mit neuer Energie rannte sie hinter der Gemeinschaft her, die sich der Brücke näherte. Ilèyn machte kein Geräusch, war leise wie ein flinkes Reh.
Sie quetschte sich an den Zwergen und an dem Hobbit vorbei.
"Fili!" zischte sie, als sie den Blonden, welcher nach Dwalin und Thorin die Brücke erreichte, eingeholt hatte. Sie drängte sich neben ihn.
"Ilèyn!" sagte Fili überrascht "Wie... wie habt Ihr Euch so schnell erholt? Ihr saht furchtbar aus."
"Erkläre ich später, Ihr müsst umdrehen, sofort!"
Die Dringlichkeit in Ilèyns Stimme beunruhigte den Zwerg.
"Wir können nicht einfach wieder umdrehen und gehen." widersprach er leise, sodass sie bloß nicht Thorins Aufmerksamkeit erregten.
"Ihr seid in Gefahr, ihr alle!" flüsterte Ilèyn angespannt.
"Wir könnten versuchen, rüberzuschwimmen!" sagte da Bofur am vorderen Ende der Gruppe.
Er und Bilbo starrten auf eine eingebrochene Brücke und auf das Wasser des Flusses, welcher ruhig vor ihnen lag.
Fili wirkte etwas abwesend, als er Ilèyn ohne eine Antwort stehen ließ und zu seinem Onkel lief. Der blonde Zwerg sah nach der Brücke. Es gab keinen Weg nach drüben.
"Habt ihr nicht gehört, was Gandalf gesagt hat? Ein dunkler Zauber liegt auf diesem Wald. Das Wasser dieses Baches ist verwunschen. Wir müssen einen anderen Weg hinüberfinden." Langsam schritt Thorin an dem Flussufer entlang. Ilèyn beobachtete nervös ihre Umgebung. Ihre Sinne schlugen bei jedem Geräusch Alarm, sie hatte bereits eine Hand an ihrem Dolch am Gürtel.
Sie war so voller Erwartung, dass die Gefahr jeden Moment zwischen den Bäumen hervorspringen würde, dass Kilis Stimme sie erschrocken herumwirbeln ließ.
"Diese Äste sehen stark genug aus!" rief er der Gruppe zu.
Er und Fili waren auf einen Stamm, welcher in den Fluss hineinragte geklettert und der Jüngere hing sich an einen der langen gewundenen Äste.
"Kili!" mahnte sein Onkel streng "Wir schicken die Leichtesten voraus."
Langsam drehten alle Zwerge ihre Köpfe zu Ilèyn und Bilbo.
Der Hobbit sah starr zu Boden, als könne er so der Situation entkommen.
"Großartig..." murrte Ilèyn.
Sie stiefelte an Bofur vorbei, dann an Thorin und an Fili und Kili. Sie wandte sich um, um nach dem Hobbit zu sehen, welcher ihr langsam folgte.
Ilèyn setzte vorsichtig einen Fuß auf den Ast direkt unter ihr. Sie prüfte, ob die Rinde nass und rutschig war. Als sie sich vom Gegenteil überzeugt hatte, hüpfte sie geschwind von Ast zu Ast, einem Eichhörnchen gleich. Sie erreichte das andere Ufer mit einem letzten gewagten Sprung und atmete zufrieden aus. Sie drehte sich um und erblickte Bilbo, welcher noch nicht einmal den ersten überhängenden Ast zu fassen bekommen hatte und äußerst behutsam und dennoch ungeschickt seine großen Füße langsam vorwärts bewegte.
"Ist alles gut." sagte er hastig "Ich sehe keine Schwierigkeiten." Der Hobbit griff nach dem nächsten Ast, verfehlte ihn und kippte sofort vornüber. Ilèyn eilte wieder zu der... improvisierten Brücke zurück und wollte gerade auf den großen Ast zurücksteigen, als sie sah, dass Bilbo sich mit beiden Beinen und aller Kraft festhielt, was ihn nun über Kopf über dem Fluss hängen ließ.
"Alles... in Ordnung..." schnaufte er, als er sich nach den dünneren Ästen, die direkt aus dem Wasser ragten streckte.
Er ließ sich nach vorne fallen, um Lianen zu greifen und schwebte nun knapp über der Wasseroberfläche.
Als der Hobbit sich nicht mehr rührte, erkannte Ilèyn, dass der Zauber anfing, seine Gedanken anzugreifen.
"Bilbo!" rief sie.
Als hätte sie ihn aus einem kleinen Nickerchen geweckt, schreckte Bilbo auf und schüttelte den Kopf. Jetzt kletterte er weiter. Immer weiter näherte er sich dem Ufer, an welchem Ilèyn stand und helfend die Arme ausstreckte.
Mit einem letzten unsicheren Sprung, kam Bilbo genau auf sie zugeflogen. Sie bekam ihn an seiner Jacke zu fassen und zog ihn schnell zu sich heran.
Bilbo krallte sich an ihr fest und sie zog ihn auf die Beine wie einen Sack Kartoffeln.
"Irgendwas stimmt hier nicht." ächzte der Hobbit und stand wieder sicherer auf beiden Beinen.
"Bleibt, wo ihr seid!" rief er noch zu den Zwergen auf der anderen Seite.
"Spars dir..." brummte Ilèyn und drehte Bilbo mit dem Blick Richtung Fluss.
Die Zwerge hingen in den Ästen, fanden kaum Halt, rutschten ab und versuchten ohne jegliches System so schnell es ging das rettende Ufer zu erreichen.
Der erste, der er erfolgreich zu Bilbo und Ilèyn hinüberschaffte, war Thorin selber. In dem Moment, als er neben ihnen landete, vernahm Ilèyn ein Knacken. Sie fuhr herum, den Dolch gezogen.
Bilbo und Thorin sahen sie verwundert und erschrocken an. Auch sie hörten nun ein Geräusch. Die drei starrten in dieselbe Richtung, als aus den Tiefen des Waldes ein majestätischer weißer Hirsch erschien. Das Tier blieb direkt vor ihnen stehen, beschienen von einem fahlen Lichtstrahl.
Ilèyn atmete erleichtert aus und entspannte sich etwas. Sie ließ den Dolch sinken. Plötzlich nahm sie das unverkennbare Geräusch einer sich spannenden Bogensehne wahr. Sie drehte sich um und sah Thorin, wie er mit einem Pfeil auf der Bogensehne jederzeit auf den Hirsch schießen wollte.
"Nein!" Ilèyn stürzte zu ihm um mit dem Dolch nach der Sehne zu schlagen. Der Zwergenanführer erschrak und der Pfeil zischte nach vorne. Er verfehlte das Tier, welches aufgescheucht zurück in den Wald galoppierte.
Thorin sah die Zwergin zornig an.
"Das hättest du nicht tun sollen." sagte Bilbo leise. Ilèyn richtete sich wieder auf und entfernte sich von Thorin.
"Das bringt kein Glück." endete der Hobbit.
"Ich glaube nicht an Glück!" entgegnete Thorin hart "Wir schmieden unser eigenes Glück."

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