Und dann lag Ben in diesem seltsamen Zimmer. Es war am nächsten Morgen und die Schmerzen hatten so weit nachgelassen, dass Ben sich, wenn auch vorsichtig, problemlos bewegen konnte. Sonnenlicht fiel durch das geöffnete Fenster in den Raum und ein sanfter Wind brachte frische Luft hinein. Er nahm einen tiefen Zug. Der Geruch nach Sommertag und Blumen war herrlich. Rauer Stoff kratzte über die Verletzung und erinnerte Ben an die Wunden. Ähnliches Verbandsmaterial fand sich an Seite und Bein.Allzu vertrauenserweckend wirkt das aber nicht.
Ben setzte sich vorsichtig auf. Langsam regten sich wieder Erinnerungen an die Unterhaltung in der letzten Nacht und er ließ seinen Blick erneut durch den Raum wandern.
Man könnte fast meinen, ich läge in einem Museum. Und wieso spricht Claire englisch mit mir?
Die Wasserkaraffe hatte Gesellschaft bekommen. Auf einem kleinen Brett lagen einige Scheiben von einem groben Brot, die er ignorierte. Das Wasser war jetzt erheblich angenehmer. Er trank große Schlucke direkt aus der Karaffe. Es war eine Wohltat für seinen Hals. Vorsichtig stieg Ben aus dem Bett und tat ein paar zögerliche Schritte. Gelenke und Muskeln protestierten gegen die Bewegung, aber sie hielten durch. Er stand aufrecht. Auf der anderen Seite des Raumes entdeckte er eine rustikale Holzbank, auf der seine Sachen lagen. Der Rucksack und die Einkaufstaschen fehlten:
»Verdammt.« Er schob die Gedanken daran erst einmal beiseite und machte sich auf die Suche nach einer Toilette.
Seine Verwunderung stieg beim Betreten des Flurs. Dieser war ebenfalls rau verputzt und der Boden bestand aus breiten, grob gezimmerten Holzdielen. Zwei weitere Türen waren bis zur nächsten Ecke zu sehen. Dort vermutete Ben das Wohnzimmer oder etwas in der Art. Hinter der ersten Tür war nur eine annähernd leere Abstellkammer zu finden, die Ben nicht interessierte. Die zweite Tür enthüllte die Speisekammer. Von der Decke hingen einige Fleischstücke an kräftigen Metallhaken. In einem Regal stapelten sich Konservendosen ohne Aufschrift und der Boden wurde von einem großen Korb mit Kartoffeln verdeckt. Erstaunlicherweise war nicht ein einziges elektrisches Gerät zu sehen. Leise die Tür schließend folgte er dem Flur ein Stück weiter. Nach wenigen Schritten stieß er in einer Nische auf ein echtes Museumsstück. An einem Messinghaken hin ein Gewehr. Es handelte sich um einen klassischen Vorderlader mit Ladestock. Der Schaft bestand aus Holz und die Metallbeschläge waren fein verziert. Ben schätzte das Baujahr auf Mitte des neunzehnten Jahrhunderts. Er ließ seine Finger über das glänzende Metall gleiten. Die Waffe war in einem beneidenswerten Zustand und wurde offenbar intensiv gepflegt:
»Wahnsinn. Sieht brandneu aus. Das Ding gehört in ein Museum.« Er erschrak bei der Stimme, die hinter ihm erklang:
»In ein Museum? Es wird hier gebraucht.« Claire wirkte beleidigt. Ben hob entschuldigend die Hände:
»Verzeihen sie bitte, ich wollte Sie nicht beleidigen. Ich bin nur fasziniert davon, wie erstklassig diese Waffe erhalten ist. Sie wird doch schon ewig nicht mehr hergestellt. Ihre Pflege muss sehr gut sein.«
Claire schien besänftigt, obwohl sich Verwirrung auf ihrem Gesicht abzeichnete. Mit einer Handbewegung bedeutete sie ihm, ihr zu folgen:
»Es sei Ihnen verziehen. Mein Mann hat sie mir gegeben, bevor er losgezogen ist. Er sagte, dass man ja nie wüsste, was passieren würde. Er hatte wohl recht. Kommen sie, sie müssen hungrig sein.«
Bens Verwunderung über dieses Haus und seine Bewohnerin stieg. Das Gefühl, in einem Museum zu sein, steigerte sich mit jedem Augenblick und er überlegte, wo es in Hamburg ein derartiges Gebäude gab. Der Stil war vollkommen. Geschmackvoll und absolut authentisch eingerichtet. In der geräumigen Küche entdeckte Ben die nächste Überraschung. Eine echte Feuerstelle, über der ein Kessel Wasser brodelte. Eine erloschene Öllampe hing an der Decke und helles Licht fiel durch ein offen stehendes Fenster. Nirgendwo war ein Hinweis auf funktionierende Elektrik zu entdecken. Er betrachtete eine alte Kaffeemühle:
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1863 - Was würdest Du machen?
Historical FictionWas mache ich hier eigentlich? Ben ist verzweifelt. Ja, was macht man eigentlich, wenn man eigentlich als Student eine Party plant und sich plötzlich im blutigsten Krieg des 19ten Jahrhunderts, dem amerikanischen Bürgerkrieg, wiederfindet? Auf jeden...