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Nur Minuten später bekam Ben ein neues Gewehr in die Hand gedrückt und marschierte mit seiner Gruppe.

Natürlich übernehme ich gerne wieder das Kommando. Was mache ich hier nur? Das ist doch Wahnsinn!

Glücklicherweise war das 301ste nur als Reserve eingeteilt. An ihrem Lagerplatz ließen sich viele Soldaten ins Gras sinken und schlossen einen Augenblick lang die Augen. Die Offiziere blieben wachsam und schienen nur auf einen Angriffsbefehl zu warten.

Ben durchsuchte den Tornister, den er einem Toten abgenommen hatte und ließ den Inhalt angewidert auf den Boden fallen. Das war ja mehr Schimmel, denn Lebensmittel. Hier freute er sich sogar über die gefundene Zahnbürste, was in jeder anderen Situation unmöglich schien. Wenn er schon nicht an eine Dusche kam, so würde er zumindest Zähne putzen.

Rivers setzte sich neben ihn:

»Sergeant, erzählen sie doch mal. Was ist passiert?« Ben nahm ihm etwas Brot weg und schob es sich in den Mund. Er erzählte von der Gefangennahme, dem Verrat von Soldat Jameson und seine Flucht aus dem Rebellenlager. Ein bisschen schwärmerisch berichtete Ben von Julie, bis er bei der Explosion an der Front ankam, die ihn um ein Haar getötet hätte.

»Da haben sie ja eine ganze Menge erlebt. Ich bin froh, dass sie zurück sind. Wir haben uns große Sorgen gemacht, als wir die Patrouille fanden.«

Ben war gerührt, dass man sich um ihn sorgte. Er wurde rot, nachdem Rivers ihm erzählte, dass die Männer nicht damit zufrieden waren, unter einem anderen Unteroffizier zu dienen. Sie wünschten sich Bond zurück. Ben grinste die Gruppe an:

»Das haben sie doch nur gesagt, weil ich sie nicht die ganze Zeit angeschrien habe. Wo ist der neue Sergeant eigentlich?«

»Er ist tot. Er hat mit einigen Männern einen dummen Angriff geführt. Es sind nicht viele zurückgekommen.«

Nach den traurigen Themen besserte sich die Stimmung und etwas später wirkte es fast, als würde das 301ste ein improvisiertes Sommerfest feiern. Es wurde gescherzt und gelacht und für einen Augenblick vergaß Ben, dass er hier nicht hingehörte. Immer noch ohne eine Idee, wie er in seine Zeit zurückkam.

Einer der Kuriere ritt am Regiment vorbei und Rivers winkte ihn heran:

»Captain, wie sieht es aus?« Der Offizier verlangsamte sein Pferd kurz:

»Buford ist auf dem Rückzug. Das erste Korps ist an der Front.«

Ein anderer Soldat sprang auf:

»Halten sie stand?«

»Sie werden wohl ziemlich übel zusammengeschossen.« Der Reiter nahm wieder Geschwindigkeit auf und verschwand. Der aufgesprungene Soldat setzte sich grummelnd. Er sah Ben an:

»Sergeant, meinen sie, wir müssen auch bald an die Front? Ich möchte endlich gegen die Rebellen kämpfen.«

Ben ekelte sich vor dieser Tötungssucht:

»Seien sie froh, wenn sie nicht kämpfen müssen. Das sind Amerikaner, die sie da töten wollen.«

Der Soldat setzte zuerst zu einer Erwiderung an, schaute dann betreten zu Boden und schien die Antwort hinunter zu schlucken:

»So war das nicht gemeint. Ich bitte um Entschuldigung.«

Ben beachtete den Mann nicht weiter, der sich beschämt zurückzog. Rivers schüttelte traurig den Kopf:

»Ich möchte ja auch, dass die Union siegt, aber jeder gefallene Soldat ist einer zu viel.«

Ben nickte, doch bevor er zu einer Antwort kam, hielt ein erschöpfter Bote vor Ihnen:

»Wo ist der Colonel?«

Einige der Männer sahen sich suchend um, aber niemand entdeckte den Regimentskommandeur. Ein junger Offizier sprang auf und Rivers schnaubte verächtlich. Ben sah ihn überrascht an:

»Was ist denn los?«

»Captain Tompsen. Ein Speichellecker, wie er im Buche steht. Er rennt die ganze Zeit hinter dem Colonel her und versucht, ihm alles recht zu machen. Er hofft so sehr auf eine Belobigung und darauf, selbst ein Regiment zu kommandieren, dass er das Kämpfen vergisst.« 

Besagter Captain eilte zu dem Reiter:

»Cpatain Tompsen, ich nehme die Nachricht entgegen.«

Der Bote gab ihm ein gefaltetes Papier:

»Das 301ste rückt vor und führt einen Vorstoß in die linke Flanke der Rebellen. Ein Angriff zur Entlastung unserer Linien.«

Der Captain erwiderte den zackigen Gruß des Reiters und lief so schnell davon, dass er beinahe stolperte. Rivers grinste Ben an:

»Sehen Sie.«

Ben schmunzelte. Die Gespräche wurden fortgesetzt, bis mit einmal der Colonel mit dem Captain im Schlepptau erschien:

»Achtung! Das 301ste rückt vor. In Kampflinie aufstellen und Ausrüstung prüfen.«

Die Soldaten sprangen auf und verstauten ihre Utensilien. In einer lange geübten Bewegung stellten sich die Männer in einer Formation auf und waren in kürzester Zeit kampfbereit. Ben gesellte sich, hoffentlich korrekt, dazu. Der Colonel hielt seinen Offizierssäbel hoch über den Kopf:

»Achtung! Vorwärts marsch.« Er senkte den Säbel und das Regiment setzte sich in Bewegung. Ben betete erneut im Stillen, dass der Kampf kurz und schmerzlos verlaufen möge. Womöglich hatten sie Glück und konnten sich zügig wieder zurückziehen.

Nach einem schnellen Marsch brüllte der Colonel den Befehl, dass eine Kampflinie zu bilden sei.

Ben wurde nervös und lud sein Gewehr. Die Kugeln pfiffen ihnen schon um die Ohren. Nach nur wenigen Schüssen schmerzte ihm wieder die Schulter. Die Abstände zwischen dem Abfeuern seiner Waffe wurden größer.  Er lud soeben sein Gewehr, als der Mann direkt neben ihm aufschrie. Der presste sich die Hände an die Brust, prallte torkelnd gegen ihn und beide stürzten zu Boden. Ben zog eben seine Beine unter dem Toten hervor, da brach der Mann, der hinter ihm gestanden hatte, von zwei Kugeln getroffen, zusammen.

Glück muss der Mensch haben!

Er rappelte sich wieder auf. Rivers, der auf seiner anderen Seite stand, stellte sein Gewehr ab:

»Sergeant, jetzt können sie zweimal im Jahr Geburtstag feiern.«

Ben nickte nur und nahm sein Gewehr wieder auf. Sie feuerten einige Schüsse ab, bis der Colonel hinter dem Regiment entlanglief:

»Rückzug, der Befehl lautet: Rückzug.«

Die Formation löste sich auf und die Soldaten eilten im Laufschritt hinter die eigenen Linien zurück.

Auf einem kleinen Platz sammelten sich die Männer und der Colonel gab den Befehl, sich etwas auszuruhen. Ein Soldat sprach Ben an:

»Sergeant, bekommen wir zu Essen?«

Ben grübelte einen Augenblick, warum es in der Schlacht etwas zu Essen geben sollte, da brüllte Captain Tompsen:

»Antreten zum Essen fassen.« 

1863 - Was würdest Du machen?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt