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Eine freundliche Entschuldigung an den Kellner und Ben eilte zu dem anderen Tisch:

    »Einen schönen guten Morgen, Julie.«

Er verneigte sich kurz vor der jungen Frau und deutete auf einen Stuhl:

    »Darf ich?«

    »Aber ja.« 

Julie strahlte ihn an:

    »Mein lieber James, ich hätte sie beinahe nicht erkannt. So viel Gold und Silber auf ihrer Uniform.«

Ben lief rot an:

    »Ach, das ist nichts.« 

Er bemerkte Julies Hand auf seiner Eigenen und zuckte ein klein wenig zusammen. Ihre Berührung war angenehm und er wollte nicht, dass sie sie wieder wegnahm. Die junge Frau lächelte immer noch. Ihre hohe, klingende Stimme wärmte Bens Herz:

    »Sie haben uns einen ganz schönen Schrecken eingejagt.«

    »Tatsächlich?«

    »Ja, in der Tat. Es stand auf einmal eine ganze Gruppe Soldaten mit einer Kutsche vor unserer Tür und der Offizier sagte, Major General James Bond erwartet sie in Washington.«

Sie lachte so herzlich auf, dass es in Ben kribbelte.

    »Stellen sie sich vor, James, Isabelle ist beinahe in Ohnmacht gefallen.«

Er genoss jede Minute, die er mit Julie verbrachte. So lange, bis ihm einfiel, dass er nach dem Mord an Lincoln ein Verräter war und sie niemals wiedersehen würde.

    »James, ist alles in Ordnung?«

Ben setzte ein künstliches Lächeln auf:

    »Ja, natürlich. Ich habe nur an etwas im Hauptquartier gedacht.«

    »Sie machen sich zu viele Gedanken.«

Urplötzlich sprang Julie auf und zog ihn hoch:

    »Kommen sie, wir gehen spazieren.«

Überrascht folgte er Julie nach draußen und vergaß das Frühstück. Langsam spazierten sie durch die Straßen Washingtons. Wenn Ben die missbilligenden Blicke der Leute richtig deutete, verstieß Julie gegen alle Regeln der Etikette. Sie hielt seine Hand und spielte immer wieder an seiner Uniform herum. Er musterte ihr Profil und etwas in ihm sprach aus, was er im Herzen schon wusste. Er war in Julie verliebt.

Und als ob eben dieses Herz ihn daran erinnern wollte, dass es da bereits eine andere Frau gab, fuhr wieder ein stechender Schmerz durch seine Brust. Es pochte. Seine Gedanken sprangen zu Lina und was sie wohl gerade tat. Ob sie einmal an ihn gedacht hatte? Ein Druck an seiner Hand holte ihn aber sofort wieder in die Realität zurück, in die er nicht gehörte.

    »James, sie sind heute sehr nachdenklich.«

Ben versuchte, die Gedanken an Lina zu vertreiben und setzte wieder ein schiefes Grinsen auf:

    »Es tut mir leid, Julie, aber mittlerweile habe ich so viele Pflichten und Aufgaben, dass mein Kopf zu platzen scheint.«

Julie nahm seine Hand nur fester und lächelte ihn an. Ben versuchte, diese Berührung zu genießen, aber sein Kopf ließ es nicht zu. Das sie redete bemerkte er nur, weil sich ihre Lippen bewegten. In ihm drehte sich alles. Er konnte und wollte Lina nicht vergessen, aber sein Gehirn sagte ihm, dass er realistisch bleiben musste. Er würde sie nicht wiedersehen. Für einen Neuanfang war Julie absolut geeignet, nur das Problem mit dem Mord am Präsidenten überschattete alle Gedanken.

1863 - Was würdest Du machen?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt