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Die angespannte Atmosphäre und kleinere Scharmützel sorgten dafür, dass die Nacht wenig erholsam war. Es gelang nicht vielen Soldaten, richtig zu schlafen.

Ben lag lange wach und ließ sich seine Situation durch den Kopf gehen. Egal, wohin er seine Gedanken lenkte, sie wanderten immer wieder zu dieser Zeitreise. Es überraschte ihn, wie wenig er momentan an seine Zeit und die Reise dachte. Er war hier so beschäftigt, dass er zu abgelenkt war.

Gab es überhaupt eine Möglichkeit, zurückzukommen? Suchte seine Familie nach ihm? Ob Tom trotz allem die Party durchgezogen hat? So viele Fragen, auf die er keine Antwort hatte. Seine Gedanken wanderten zu Lina und sofort tauchte Julie in seinem Kopf auf.

Ben wusste, dass er dabei war, Gefühle für sie zu entwickeln, was auf keinen Fall sein durfte. Gleichzeitig fragte er sich, ob es verwerflich war, ernsthaft darüber nachzudenken, wenn er für immer in dieser Zeit festsaß.

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Ein Scheppern riss Ben aus dem Schlaf. Er hatte keine Ahnung, wie viele Stunden er geschlafen hatte, aber es war längst hell. Ein Soldat hielt ihm eine Blechtasse entgegen:

»Hier, Sergeant. Ich habe bereits etwas getrunken. Ist zur Zeit alles etwas knapp.«

Ben setzte sich auf und nahm die Tasse dankend an:

»Danke.«

Ben trank etwas knirschenden Kaffee. Wenige Momente später kam Rivers grinsend auf ihn zu:

»Guten Morgen, Sergeant.«

»Guten Morgen.«

»Was sitzen sie herum, Sir? Sie sollten hier das Kommando führen.«

Ben erlaubte sich ein Lächeln:

»Das haben zum Glück Andere übernommen.«

Rivers ließ sich auf die Erde fallen und biss in ein altes Stück Brot:

»Ich bin froh, wenn die Versorgungswagen hier sind. Wir müssen einiges ersetzen.«

Ben nickte zustimmend. Sie hatten bei dem Rückzug zu viel verloren. Ein Großteil der Männer, ihn eingeschlossen, hatten nicht einmal mehr eine vollständige Uniform.

»Wo finde ich Sergeant James Bond?«

Rivers hob die Hand:

»Er ist hier, Sir.«

Der Offizier, der die Frage gestellt hatte, kam zu ihnen herüber:

»Sergeant Bond?«

Ben erhob sich:

»Ja, Sir?«

Der Offizier gab ihm einen gefalteten Zettel:

»Sie haben Befehl, sich im Divisionskommando zu melden.« Er salutierte knapp und verschwand ohne ein weiteres Wort. Rivers sah Ben überrascht an:

»Divisionskommando? Was haben sie denn verbrochen?«

Ben faltete den Zettel auseinander und las:

 »Keine Ahnung. Hier steht auch nichts darüber. Nur, dass ich mich im Divisionskommando bei General Winters melden soll.«

»Na dann gehen sie. Einen General lässt man nicht warten.«

Ben gab seine Kaffeetasse an Rivers weiter und machte sich auf den Weg. Er fand schnell eine Gruppe von Offizieren, die, halb von einem ramponierten Planwagen verdeckt, um einen Tisch herumstanden. Ben erkannte die Dienstgrade nicht, aber die meisten hatten Gold auf den Schultern.

 »Kann ich etwas für sie tun, First Sergeant?« Ein Offizier stand vor ihm und betrachtete ihn misstrauisch. Ben merkte, wie sein Mund trocken wurde:

»Ja, in der Tat. Sergeant James Bond. Ich soll mich bei General Winters melden.«

Der Offizier wandte sich ab und führte Ben zu der Gruppe von Männern am Tisch:

»General Winters? Sir, First Sergeant Bond ist hier.«

Einer der Uniformierten, er trug zwei Sterne auf seinen Schulterstücken, entließ den Offizier mit einer Handbewegung und betrachtete Ben eine Weile. Keiner der anderen Männer sagte etwas. Ben wurde die Situation von Sekunde zu Sekunde unangenehmer:

»Sir, ich bitte um Entschuldigung.«

General Winters brachte ihn mit einem Wink zum Schweigen:

»Sergeant, ich habe eine Menge über sie gehört.«

Ben schluckte schwer:

»Sir, ich bin sicher, dass ich das erklären kann.«

»Sie brauchen nichts zu erklären, Bond. Sie haben großartige Arbeit geleistet. Sie haben in einer Notsituation das Kommando übernommen und verhindert, dass das 301ste aufgerieben wird. Einer meiner Offiziere sagte mir, sie hätten noch nie im Militär gedient?«

Einige der Anwesenden warfen Ben skeptische Blicke zu, was sein Unbehagen verstärkte. General Winters räusperte sich:

»Sergeant, sie haben einen geordneten Rückzug eingeleitet und das Regiment in den Linien unserer Armee gehalten. Es war eine chaotische Situation. Ein erfahrener Offizier hätte nicht besser handeln können.«

Ben war es peinlich, dass er rot wurde. Dieses Kompliment hatte er nicht verdient. Rivers hatte ihm die meisten Entscheidungen vorgesagt und der Rest war gnädiges Schicksal:

»Vielen Dank, Sir. Es war aber das Können der Männer und Glück, dass es glimpflich ausgegangen ist.«

»Kein aber, Bond. Könnten sie sich vorstellen, dass 301ste Pennsylvania dauerhaft zu führen?«

Ben war wie vor den Kopf geschlagen. Er würde kein Regiment kommandieren, dafür gab es gründlich ausgebildetes Personal. Der General schien seine Gedanken zu erraten:

»Viele Offiziere sind in diesem Gefecht getötet worden. Sie haben die richtigen Führungsqualitäten bewiesen und ich weiß, dass sie diese Aufgabe bewältigen werden.«

Ben versuchte, das Gehörte zu realisieren. Er war kein Offizier und selbst wenn er gewollt hätte, konnte er kein Regiment führen:

»Sir, ich weiß nicht so recht, was ich sagen soll?«
Innerlich kannte er die Antwort und sie passte überhaupt nicht in seine Planungen. General Winters wartete einige Sekunden, als wolle er ihm Gelegenheit geben, etwas Intelligenteres zu sagen, dann räusperte er sich erneut:

»Bond, ich übertragen ihnen das Kommando über das 301ste. Ich wünsche ihnen viel Erfolg.«

»Ja, danke, Sir.«

Winter winkte einen weiteren Offizier heran:

»Da wäre noch eine Kleinigkeit.«

Schweißperlen erschienen auf Bens Stirn. Was würde jetzt kommen? Winters hatte seine Pläne für eine heimliche Flucht zerschlagen und ihn in eine Rolle gedrängt, die Ben nicht auszufüllen vermochte.

Der Offizier reichte ihm ein sperriges Paket und zog sich zurück, nachdem Ben es in den Händen hielt. Es fühlte sich weich an. Ben sah den General fragend an:

»Sir?«

»Ihre neue Uniform. Meinen Glückwunsch, Colonel.«

1863 - Was würdest Du machen?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt