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»Sir, dort vorne ist Gettysburg.«

Nach Kebbels Ankündigung seufzte Ben erleichtert auf und versuchte, seinen schmerzenden Hintern zu entlasten. Sie waren seit zwei Tagen unterwegs und Ben war davon überzeugt, er könne nie wieder auf einem Pferd sitzen. Lieutenant Kebbel stoppte sein Tier, zog ein Fernglas aus seiner Tasche und suchte die Umgebung ab:

    »Nichts zu sehen, Colonel. Ich denke, hier ist es ruhig.«

In näherer Umgebung von Gettysburg wurden mehr Spuren der Verwüstung sichtbar. Zerschossene Bäume, Bombenkrater und gelegentlich liegengebliebene, beschädigte Ausrüstung. Der Sergeant, der Bens Flagge hielt, rümpfte die Nase:

    »Verzeihung, Sir, aber hier riecht es nicht gerade angenehm. Hat man die Gefallenen hier verbrannt?«

Ben hob kurz die Schultern:

    »Keine Ahnung, aber bei der Menge, die in dieser Schlacht gefallen sind, kann ich mir kaum vorstellen, dass sie alle begraben wurden und der Geruch wird sich wohl einige Zeit halten.«

Ein älterer, ängstlich wirkender Mann begrüßte sie auf der Hauptstraße, die direkt in die Stadt führte:

    »Colonel! Greifen die Rebellen wieder an?«

Ben hob beruhigend eine Hand:

    »Nein, Sir. Machen sie sich keine Sorgen. Die Konföderation ist auf dem Rückzug. Wir sind nicht im Auftrag der Armee hier.«

Der Gesichtsausdruck des Mannes hellte sich auf und er ließ die Neuankömmlinge alleine auf der Straße zurück. Kebbels Tonfall wirkte niedergeschlagen:

    »Es ist erschreckend, welche Angst hier herrscht. Die Menschen hier haben Schreckliches gesehen.«

    »Das haben wir alle, Captain.« Ben brauchte ein paar Versuche, um sich zu orientieren, dann fand er das kleine Haus und sein Herz schien aus seiner Brust zu springen. Er ließ seine Männer absitzen und klopfte an der staubigen Holztür. Eine Weile passierte gar nicht und Ben fürchtete schon, enttäuscht wieder abreisen zu müssen, als die Tür geöffnet wurde. Isabelle de La Madelène musterte ihn misstrauisch:

    »Sie wünschen bitte?«

Ben stutzte kurz, weil sie ihn offenbar nicht erkannte:

    »Colonel James Bond. Ist Miss Julie zu sprechen?«

Isabelle schien zu überlegen, woher sie den Offizier kannte und plötzlich verlor ihr Gesichtsausdruck jegliche Höflichkeit:

    »Sie sind doch der Soldat, der unverschämterweise Hand an meine Schwester legen wollte.«

    »Miss, ich wollte niemals unverschämt sein und auch nicht Hand an Miss Julie legen. Ich wünsche sie lediglich noch einmal zu sehen.«

Isabelle machte Anstalten, die Tür wieder zuzuschlagen:

    »Ich habe ihnen bereits gesagt, dass sie hier nicht mehr willkommen sind.«

Eine helle Stimme ertönte und, obwohl er das gar nicht wollte, flatterten Schmetterlinge durch Bens Bauch.

    »Isabelle? Wer ist denn da?«

Die Stimme kam nicht aus dem Haus, sondern aus dem Garten. Bevor Ben reagierte, rief Kebbel:

    »Der kommandierende Colonel der zweiten Brigade wünscht Miss Julie de La Madelène zu sprechen.«

Ach kommen Sie, Captain. Das ist zu dick aufgetragen!

Isabelles Gesichtsausdruck zeigte, dass sie in diesem Fall Bens Meinung war. Ihre Stirn lag in tiefen Falten. Eine junge Frau kam um das Haus herum und Ben lächelte, als er sie sah:

1863 - Was würdest Du machen?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt