Colonel Chamberlain, der Mann, der die Rebellen jetzt zurückschlug, lag tot auf der blutgetränkten Erde. Bens Gedanken wirbelten durcheinander. Er befürchtete, gleich das Bewusstsein zu verlieren. Bis zu diesem Punkt war er ohne Zweifel, dass die Nordstaaten es geschafft hatten und alles perfekt nach Plan lief. Vermutlich hatte General Lee seine Taktik geändert, Ben wusste es nicht. Um ihn herum kämpften überall Soldaten des 83sten und des 301sten Seite an Seite. Der Boden war bedeckt mit Toten in grauen und blauen Uniformen. Ein Offizier brüllte:»Wir wurden überrannt. Rückzug! Rückzug in Richtung der Armee!«
Ein Trompetensignal ertönte zwischen den Schreien und dem Krachen der Gewehre. Kräftige Hände zogen Ben auf die Füße und irgendwer brüllte ihm über den Lärm hinweg ins Ohr:
»First Sergeant, kommen sie. Kommen sie!«
Es war jemand Vertrautes. Jemand zum Festhalten. Rivers zog ihn von der Front weg:
»Schnell, Sergeant.«
Sie hatten beide keine Waffe mehr und Rivers Gesicht war blutverschmiert. Etwas Schweres traf Ben in der Seite und riss seine Haut auf. Er schrie auf vor Schmerz. Der Rebell drehte das Bajonett und Ben sackte zusammen. Rivers hielt ihn fest. Ein Unionssoldat sprang an ihnen vorbei und rammte dem Gegner seine Waffe in die Brust. Der Mann stürzte und die Klinge verschwand aus Bens Seite. Der blauuniformierte Kamerad ließ sein Gewehr fallen und half Rivers. Die brüllenden Schmerzen in seinem Körper verhinderten, dass Ben sich zu schnell bewegte. Das Blut lief an ihm herunter und färbte seine Uniform dunkelrot. Mehr kriechend denn laufend schleppten die Männer Ben durch die eigenen Reihen, bis sie die neue Front passiert hatten. Diese Linie war deutlich stärker als die exponierte Flanke und stoppte den Vormarsch der Rebellen. Der Gefechtslärm nahm ab und die Truppen der Südstaaten stießen nicht weiter vor. Sie hatten die Hügel besetzt und waren in perfekter Angriffsposition. Die litte round Tops, die so wichtig für den Sieg der Union in Gettysburg waren, befanden sich in den Händen der Rebellen.
Ben lag im Gras und krallte sich in den Ärmel eines Soldaten. Sein Atem ging stoßweise:
»Hat jemand überlebt? Was ist mit dem 301sten passiert?«
Ein Soldat presste ein Tuch auf die Wunde in Bens Seite und versuchte, die Blutung zu stoppen:
»Bleiben sie ruhig liegen, First Sergeant. Viele der Männer konnten entkommen. Wir wissen noch nicht, wieviele.«
Ben beruhigte seine Atmung ein wenig. Zu seiner eigenen Überraschung sorgte er sich um die Soldaten des 301sten, anstatt sich auf seine Verwundung zu konzentrieren. Er war kein echter Sergeant und war für niemanden hier verantwortlich.
Rivers kniete sich neben ihn und schob das Tuch von der Wunde. Ben hielt seine Hand fest:
»Lassen Sie das, sie sind selbst verwundet.«
»Unsinn. Ich habe nur einen Kratzer, sie wurden von einem Bajonett getroffen. Lassen sie mich sehen.« Er schob die Uniform zur Seite und wischte das Blut weg. Rivers grinste Ben an:
»Mister Bond, sie sind ein Jammerlappen. Das ist ja auch nur ein Kratzer.«
Ben biss die Zähne zusammen und betrachtete den Riss. Wie in den anderen Fällen ließen die Schmerzen erstaunlich schnell nach und die Wunde heilte bereits. Das Bajonett hatte Organe getroffen, aber die waren offenbar ebenso wieder in Ordnung.
Was passiert hier? Dieser Stoß war tief genug, um mich zu töten.
Rivers wickelte eine Stoffbahn einmal um seinen Bauch und half ihm hoch. Die Wunde brannte ein wenig und Ben beschloss, sie zur Sicherheit einem der Ärzte zu zeigen. Obwohl das hier wenig brachte. Beide Armeen befestigten ihre Linien und Ruhe kehrte in die Front ein. Ben sah den Frust in den Gesichtern der blauuniformierten Soldaten. Sie waren hier in einer lausigen Position und rechneten jeden Moment mit einem weiteren Angriff.
Er schleppte sich mit dem Rest des 301sten zu einem Sammelplatz, wo sie versorgt wurden und ein wenig neue Ausrüstung erhielten. Viele der Männer hatten kleinere Wunden und ein paar waren auf das Lazarett angewiesen. Ben wurde deutlich vor Augen geführt, wie rückständig die Medizin zu dieser Zeit war. Die Ärzte amputierten Gliedmaßen, ohne wenigstens zu versuchen, sie zu retten. Wunden wurden großzügig aufgeschnitten und zum Desinfizieren gab es ausschließlich Alkohol. Zwei Soldaten schoben einen abgedeckten Karren an ihm vorbei. Durch die verrutschte Plane waren abgetrennte Beine zu sehen. Ben übergab sich in einen nahen Busch.
Es dauerte Stunden, bis alle Männer versorgt waren und sich klein wenig erholt hatten. Ben stand etwas abseits und betrachtete die Frontlinie. Die Geschichte war vollkommen durcheinander und das war alleine Bens Schuld. Seine Anwesenheit und einige kleinere Bemerkungen hatten die Zeitlinie verändert und in einer Katastrophe geführt. Die Union drohte Gettysburg zu verlieren. Chamberlain hatte im Verlauf des Krieges und später vieles geleistet, aber das konnte Ben jetzt nicht mehr in Ordnung bringen. Er setzte sich auf eine kleine Kiste und vergrub das Gesicht in den Händen. Krampfhaft versuchte er, nicht in Tränen auszubrechen. Warum war er nicht verschwunden, nachdem er seine Situation erkannt hatte? Ben hatte die Geschichte verändert und fragte sich, wie das die Zukunft verändern würde. Wie ging es weiter? Was würde passieren? Eben überlegte er, wie er nach dem Gefecht verschwinden würde, und jetzt musste er entscheiden, wie und ob er die Zeit wieder in Ordnung bringen würde.
Die Suche nach einer Lösung für dieses Problem beherrschte seine Gedanken, derweil ein Reiter das Regiment erreichte und ihren Colonel ansprach. Sie unterhielten sich kurz und der Befehlshaber rief die Soldaten zusammen. Das 301ste hatte den Befehl erhalten, sich in der Mitte der Frontlinie aufzustellen und sich für den Notfall bereit zu halten. Als Bezugspunkt wurde ihnen eine Baumgruppe an einer kleinen Anhöhe gezeigt. Darüber nachdenkend, woher er diese Stelle kannte, marschierte Ben neben seiner Gruppe.
In dem Moment, in dem die Männer stoppten, fiel Ben siedend heiß ein, wieso er sich an diese Stelle erinnerte.
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1863 - Was würdest Du machen?
Ficción históricaWas mache ich hier eigentlich? Ben ist verzweifelt. Ja, was macht man eigentlich, wenn man eigentlich als Student eine Party plant und sich plötzlich im blutigsten Krieg des 19ten Jahrhunderts, dem amerikanischen Bürgerkrieg, wiederfindet? Auf jeden...