Ben hatte keine Ahnung, wo er lang lief, und suchte hektisch nach Anhaltspunkten. Binnen Minuten ertönten Schreie am Waldrand. Seine Flucht war bemerkt worden. Er kämpfte sich durch das Unterholz und versuchte, reichlich Abstand zwischen sich und die suchenden Soldaten zu bringen.Mit von den Ästen eingerissenen Händen drang er immer tiefer in den Wald ein. Ihm wurde klar, dass er in dieser Gegend nicht entkam. Er kannte sich hier nicht aus. Während seiner Entführung hatte Ben das Bewusstsein verloren und es war unmöglich, einzuschätzen, wie weit ihn die Männer verschleppt hatten.
Auf der anderen Seite des Wäldchens oder darin waren sicher zusätzliche Wachen, die ihn, ohne zu zögern, erschießen würden. Er sah sich hektisch um. Kurzentschlossen kletterte in die untersten Äste eines Baumes. Die Rinde war rau und riss ihm die Hände weiter auf. Das Holz peitschte Ben ins Gesicht und ließ ihn leise fluchen. Seine Situation wurde immer komplizierter. In der dichten Baumkrone sitzend, sah er Wachen mit Fackeln durch den Wald laufen. Lautlos suchte Ben sich eine sichere Position und entspannte sich ein wenig. Die Soldaten hatten ihn nicht gefunden und wenn es am Morgen hell wurde, würde er einen Fluchtweg finden. Sein letzter Gedanke vor dem Einschlafen war, dass er sich jetzt furchtbar gerne eine Pizza bestellt hätte.
Sanfte Sonnenstrahlen weckten Ben, sogar durch das dichte Blätterdach. Im ersten Moment wäre er um Haaresbreite abgestürzt, bis er sich daran erinnerte, dass er sich in einer Baumkrone aufhielt. Nachdem er sich etwas bequemer hingesetzt hatte, versuchte er durch die Blätter ein wenig mehr von der Gegend zu sehen. Neben einer Lösung für sein Problem hätte er jetzt gerne eine Zahnbürste gehabt.
Nachdem Ben sich sicher war, dass keine Soldaten mehr in näherer Umgebung waren, kletterte er vorsichtig den Baum herunter und sah sich weiter im Wald um. Offenbar suchten die Wachen woanders nach ihm. Weder sah, noch hörte er jemanden. Am Boden angekommen zupfte Ben sich seine Uniform zurecht und setzte sich in die Richtung in Bewegung, in der er den Waldrand vermutete. Er war gewillt, hier so schnell wie möglich zu verschwinden.
Obwohl es erst Vormittag war, wie Ben annahm, brannte die Sonne heiß. Sein Gesicht glühte förmlich, sobald er zwischen den Bäumen hervortrat. Er ließ seinen Blick über die Landschaft wandern. Nirgendwo waren Truppen oder andere Menschen zu sehen. Sein Hals brannte und was würde er jetzt für eine Wasserflasche geben. Den Kragen weiter aufknöpfend fiel ihm auf, dass seine Wunden vom gestrigen Abend wieder erstaunlich schnell heilten. Langsam einem Feldweg folgend, überlegte Ben, wie es weiterging. Da sich die Welt offenbar nicht dazu herabließ, ihn in seine Zeit zurückzuversetzen, blieb Ben keine andere Wahl. Entweder, er entfernte sich so weit wie möglich von allem und hielt sich aus der Geschichte heraus. Oder er starb. Ein Geräusch riss ihn aus seinen Gedanken.
Mit einer schnellen Bewegung verwand Ben in einem Gebüsch am Waldrand und lauschte. Es hörte sich wie Pferde an, die den Weg entlang kamen.
Er wartete nur kurz, bis die Ursache zu sehen war. Hinter einer Biegung tauchte ein Pferdefuhrwerk auf. Einige Zeit später sah Ben, dass die Kutsche von zwei Frauen gelenkt wurde. Da er keine andere Lösung sah, verließ er das Gebüsch und trat zögernd auf den Weg. Es war ja nicht seine Absicht, jemanden zu erschrecken. Ben hob die Hände, nachdem er problemlos zu sehen war:
»Einen schönen guten Morgen.«Die beiden Frauen sahen sich kurz an und die Fahrerin stoppte die Kutsche:
»Guten Morgen, Soldat. Sie sehen mitgenommen aus.«
Ben blieb in einiger Entfernung stehen und überlegte, wie er mit dieser Situation umging. Wie sprach man in dieser Epoche mit Fremden? Vor allen Dingen mit Frauen. Da gab es ja, in dieser Zeit, einige Etiketteregeln zu beachten:
»Ja, Ma'am. Ich habe zwei harte Tage hinter mir. Ich wurde von meiner Einheit getrennt.« Sein Blick fiel auf die junge Frau, die neben der Fahrerin saß. Sein Hals schien schlagartig auszutrocknen. Sie war etwa neunzehn oder zwanzig Jahre alt und trug ihr langen, blonden Locken zu einem altmodischen Zopf gebunden.
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1863 - Was würdest Du machen?
Historical FictionWas mache ich hier eigentlich? Ben ist verzweifelt. Ja, was macht man eigentlich, wenn man eigentlich als Student eine Party plant und sich plötzlich im blutigsten Krieg des 19ten Jahrhunderts, dem amerikanischen Bürgerkrieg, wiederfindet? Auf jeden...