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Revali


Die langen Federn meines Flügels berühren den verschneiten Boden. Der Wind streift mein Gefieder. Ich bin umgeben von Luft, ich kann sie spüren. Mein Atem wirft kleine, sichtbare Wolken. Als ich meine Augen wieder öffne, spüre ich den Aufwind. Abrupt stoße ich mich von der harten Erde ab. Schnee wirbelt auf, als ich mich erhebe. Der Wirbel trägt mich hoch hinaus. Mein Gesicht ist zu einer konzentrierten Grimasse verzogen.

Alles läuft gut, doch dann blitzt IHR hübsches Gesicht vor meinen geistigen Augen auf. Ich erinnere mich daran, als Shania mir beim Training zugesehen und mich bewundert hat. Ihre braunen, warmen Augen wurden groß vor Begeisterung. Wie sehr sie mich doch angehimmelt hat! Oh, ich war so süchtig nach ihrer Bewunderung zu mir!

Meine Flügel geraten ins Wanken. Sofort spüre ich, wie ich die Balance verliere. Der Wirbel packt mich und schleudert mich umher. Im nächsten Augenblick finde ich mich unter einem lauten Aufprall am Boden wieder. Keuchend liege ich im Schnee. All meine Glieder schmerzen grauenvoll. Stöhnend bleibe ich liegen und ärgere mich über meine fehlende Konzentration.

Nicht mal beim Training finde ich meinen Frieden. Überall, zu jeder Tageszeit, höre ich ihr Lachen, sehe ihr Lächeln und fühle ihre Nähe, obwohl sie nicht da ist. Ganz Tabanta und Hebra erinnern mich an Shania. Egal, was ich auch tue, ich kann ihr nicht entfliehen. Dieser Schmerz, dieser unerträgliche Schmerz raubt mir noch den Verstand. Knurrend schaue ich vom Boden auf, blicke sehnsüchtig in die Richtung, wo sie einst stand. Mit kummervollem Blick warte ich darauf, dass die Hylianerin zu mir kommt, mich heilt und von meinen Schmerzen befreit, aber das wird sie nicht, nie wieder. Shania ist nicht hier, sie wird nie wiederkehren, ihre Hände werden niemals wieder mein Gefieder berühren.

Langsam stütze ich mich vom Boden ab, gehe auf die Knie. Seufzend beobachte ich den fallenden Schnee. Shania... Ich vermisse dich so sehr, deine schwarzen Haare, dein süßes Lachen, dein hübsches Lächeln! Aber nun... nun gehört alles ihm, diesem elenden Zora. Dich habe ich für immer verloren, du hast dich für den Prinzen entschieden!

Wütend schlage ich nach dem Schnee, als mir klar wird, wie jämmerlich ich bin. Ich bin der große Revali. Ich brauche Shania nicht, ich brauche niemanden.

Obwohl mein Körper immer noch von meinem Sturz schmerzt, wirke ich meinen Sturm erneut, springe in die Luft, lasse mich vom Wind geleiten. Wieder führt mich der Wirbel bis nach oben. Doch dieses Mal lasse ich es nicht zu, dass Shania meine Gedanken besetzt und mich ablenkt. Schon bald gelange ich an die Spitze des Aufwinds. Mit ausgebreiteten Flügeln lasse ich mich fallen.

Shanias verzücktes Lachen hallt in meinen Ohren. Vor mir sehe ich ihr schönstes Lächeln. Diese beiden Dinge führen mich an den Zeitpunkt zurück, als ich das erste Mal mit Shania geflogen bin. Augenblicklich meine ich, ihre Hände auf meinen Federn zu spüren, die sich an mir festhalten.

»Sag bloß, du traust dich nicht!«, habe ich zur gesagt, bevor wir losgeflogen sind.

»Natürlich traue ich mich«, hat sie mir erwidert und hat dabei versucht, entschlossen zu klingen, obwohl ich ihr die Furcht in ihrem Gesicht ansehen konnte.

Abrupt schüttle ich mich, versuche wieder, zur Besinnung zu kommen. Meine Augen erfassen die Ziele, die ich treffen will. Doch auch dieses Mal werde ich wieder von quälenden Erinnerungen heimgesucht.

»Und?«, habe ich sie amüsiert gefragt, als wir uns in der Luft befanden. »Wie ist die Aussicht von da oben?«

Erst dann hat sie gemerkt, wie weit oben wir uns befanden. Direkt unter uns lag der Orni-See und vor uns standen die schneebedeckten Berge Hebras. Als ich einen Blick über meine Schulter warf, bemerkte ich sie wieder diese wundervollen, großen Augen, die vor Verblüffung weit offenstanden.

Soulhunter 3 - Buch des Feuers (Revali x Shania)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt