Kapitel 16

2.5K 142 49
                                    

Pov Yamaguchi

"Vielen Dank, Tsukki" flüsterte ich. Seine Worte hatten mir etwas Mut und Zuversicht geschenkt und ich sah ihn an.
Er war leicht errötet und schaute zur Seite, um die Verbände zu suchen.
Wenn er rot wurde konnte er ja echt verdammt süß aussehen.
Bevor ich mich daran hindern konnte die Worte auszusprechen, die mir gerade durch den Kopf gingen, war es auch schon raus.
"Übrigens, ich finde es schön, wenn du mich Tadashi nennst."
Oh man, warum hatte ich das denn jetzt gesagt?
Und wieder kamen diese Gedanken auf, die mich total aus der Fassung brachten. Dinge wie 'er hält dich jetzt sicher für bescheuert.' oder 'womit hat er dich nur als Freund verdient?', aber diesmal unterdrückte ich sie.
Er hatte doch eben noch beteuert, dass er mich nicht verlassen würde.

Ich sah vorsichtig auf und sein Blick ruhte auf meinem Gesicht.
Er lächelte. Es war ein schönes, warmes Lächeln und mir wurde richtig warm.

"Ich mag deinen Namen auch gerne." Es war bloß ein normaler Satz, aber in diesem Augenblick klang er so aufrichtig und ehrlich, dass ich einfach nur zurück lächeln konnte.

"Okay" unterbrach er schließlich die entstandene Stille. "Ich desinfiziere deine Wunden jetzt mal. Es könnte etwas weh tun, aber ansonsten besteht die Gefahr, dass sie sich entzünden und das wäre gar nicht gut." erklärte er mir und sah mich vorsichtig an. "Bereit?"
Zugegeben beruhigte es mich etwas, dass er so fürsorglich war und ich nickte unsicher.

Es brannte höllisch und ich zuckte heftig zusammen. Beinahe hätte ich wieder losgeheult, aber sein mitleidiger Blick hielt mich aus irgendeinem Grund davon ab.
"Gleich vorbei." Auch diese Worte beruhigten mich und so wartete ich geduldig, bis er fertig war.

"Tadashi?" Wieder mein Vorname. Ich lächelte in mich hinein.
"Ja?" fragte ich.
"Vielleicht willst du das nicht beantworten und wenn du nicht willst, dann ist das absolut okay und es tut mir Leid, dass ich jetzt schon frage, aber es beschäftigt mich so sehr."
"Schon gut." beschwichtigte ich ihn, wobei ein ungutes Gefühl in mir aufstieg. Ich wusste, welche Frage jetzt kam und ich war mir nicht sicher, ob ich sie schon beantworten konnte.

"Hast du es nach dem Frühstück getan? Als ich dir wegen der Verkürzung des Trainingscamps Bescheid gab, hattest du da...?"
Mir wurde schlecht. Fühlte er sich schuldig, weil er nichts gesagt hatte?
Ich blickte betreten zu Boden, dann nickte ich leicht. Halb hoffte ich, er hätte es übersehen, aber der scharfe Atemzug seinerseits bestätigte mir, dass er es gesehen hatte.

Ich wagte nicht aufzublicken, aber ich wollte ihn unbedingt beruhigen, also sagte ich: "Es war nicht deine Schuld oder so."
"Tut mir Leid." hauchte er und es klang wirklich erschüttert.
Ich fasste meinen Mut zusammen und schaute ihm ins Gesicht. Seine Augen waren leicht geweitet und er zitterte etwas.

"Dir muss nichts Leid tun. Es war meine Entscheidung, meine Schuld und ich lasse nicht zu, dass du dir in irgendeiner Weise die Schuld gibst."

Er lächelte matt und stellte die Frage, vor der ich noch mehr Angst gehabt hatte.
"Warum?"

Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
Sollte ich ihm nun alles erzählen? Aber würde er sich dann nicht von mir abwenden, wenn er bemerkte, dass ich ihn so lange angelogen hatte?
Außerdem musste ich dann auch gestehen, dass ich in ihn verliebt war und spätestens dann wäre er doch weg, oder nicht?

"Hey, du musst nicht antworten." versuchte er mich zu beruhigen und fuhr fort meine Arme zu verbinden.

"Ich möchte aber. Ich möchte dir endlich alles erzählen, aber ich weiß nicht wo ich anfangen soll." Ich versuchte meine Stimme stark klingen zu lassen, aber in der Hälfte des Satzes brach sie.

"Beginne einfach dort, wo es dir am leichtesten fällt." Seine Stimme klang so ruhig und seine Berührungen waren so sanft.
Seine Nähe ließ mich entspannen und ich atmete tief durch.

"Vor ein paar Jahren" begann ich also etwas stockend. "hat mein Dad angefangen zu trinken. Auch davor war er nie sonderlich viel für mich dagewesen, aber mit dem Alkohol kamen auch Handgreiflichkeiten dazu. Er begann mich zu schlagen oder zu treten, wenn er abends betrunken nach Hause kam.
Ich schloss mich also einfach immer in meinem Zimmer ein, wenn ich ihn kommen hörte und dann ließ er mich für den Abend in Ruhe.
Mum... Mum hatte es auch nicht leicht. Sie stritten häufig, aber eines Abends sprach er das aus, was ich mir schon die ganze Zeit gedacht hatte."

Noch einmal atmete ich tief durch und ich spürte wie Tsukki mir beruhigend über den, nun endlich verbundenen, Arm streichelte. Er wandte sich dem anderen zu und ich fuhr fort.

"Er stapfte also in die Küche und ich hörte, wie er zu meiner Mum sagte, dass ich nie gewollt war und... und... und"

Wieder musste ich eine Pause machen und senkte den Blick.

"Und er meinte, er habe vor einem Jahr eine neue Frau kennengelernt, Mary hieß sie glaube ich, und er wollte uns verlassen und mit ihr umziehen.
Meine Mutter schickte ihn raus, aber ich hatte ja alles mit angehört und ab diesem Moment begann eine etwas schwierige Zeit für uns.
Meine Mum fiel in eine lange, schwere depressive Phase und trank selbst immer häufiger.
Ich half ihr so gut ich konnte, aber i-ich konnte einfach nichts für sie tun."

Beim letzten Satz versagte mir beinahe die Stimme.

"Das war das letzte Jahr in der Mittelschule. Nach ungefähr einem Jahr wurde es etwas besser. Meine Mum fand einen neuen Job, lernte neue Menschen kennen und schaffte es langsam aus dieser Phase.
Auch mir ging es immer besser.
Du hast mir sehr geholfen, auch wenn es dir vielleicht nicht bewusst war."

Ich lächelte kurz, ließ meinen Blick aber gesenkt. Ich wollte seine Reaktion gar nicht erst sehen.

"Wir kamen also an die Oberschule und hier fand ich Freunde im Volleyballclub. Und es wurde alles wieder besser.
Naja und dann, dann..."

Oh verdammt, ich brachte es einfach nicht über die Lippen. Ich wollte Tsukki nicht verletzten, ich wollte ihm nicht die Gelegenheit bieten überhaupt die Schuld bei sich zu suchen, aber er beendete meinen Satz selbst.
"Und dann kam Yumi und wir wurden ein Paar."
Seine Stimme klang emotionslos und ich wagte nicht aufzublicken.

"I-ich, ich... also ich meine es lag einfach an mir. Ich hatte doch schon die Trennung meiner Eltern zu verantworten und ich wollte eure Beziehung nicht auch noch zerstören und deshalb habe ich mich immer weiter distanziert und wollte nicht im Weg stehen.
Und dann habt ihr heute Morgen eure Trennung bekannt gegeben und mir wurde bewusst, dass auch eure Beziehung zerstört wurde und ich habe die Schuld bei mir gesucht und dann hab ich mich an die Erleichterung vom ersten Mal erinnert, als Mum ihren neuen Freund vorgestellt hat und er hat etwas gesagt, was mir ein schreckliches Gefühl gab und so dachte ich, ich..."

"Moment." unterbrach mich Tsukki. Die letzten Sätze hatte ich so schnell gesprochen, dass ich mir selbst nur schwer folgen konnte.
"Ganz ruhig."
Ich hatte gar nicht bemerkt wie meine Atmung immer schneller geworden war und ich angefangen hatte zu zittern.
Er begann leicht über meine Wange zu streichen und meine Atmung beruhigte sich wieder.
"Was hat der Freund deiner Mum gesagt?"
Versuchte er Struktur in meine Erzählung zu bringen und ich nickte kurz.

Don't worry, I'm fine! Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt