Kapitel 19

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Pov Tsukishima

Als Tadashi seine Antwort gab, war ich irgendwie erleichtert.
Ich hatte befürchtet, dass es noch jemand anderen gab, der ihm so wichtig war und es schaffte ihn aufzumuntern.
Es war ein sehr egoistischer Gedanke. Eigentlich war es doch gut, wenn Tadashi noch mehr Freunde hatte, aber ich konnte dieses Gefühl der Eifersucht nicht abstellen.

Tch, ich kotzte mich ja selbst schon an. Was waren das denn für komische, erbärmliche Gedanken?
Und doch, ich konnte es nicht leugnen. Ich hatte mich ernsthaft in meinen besten Freund verliebt.

Wenn man genau darüber nachdachte, war das nicht nur ein wenig, sondern schon ziemlich schlimm. Durch nur ein paar Worte könnte ich unsere komplette Freundschaft zerstören und ehrlich gesagt wollte ich Tadashi nicht verlieren.
Aber war es nicht auch irgendwie seltsam ein Leben lang in Tadashis Nähe darüber nachzudenken, dass mehr hätte sein können?
Vielleicht ging dieses Gefühl ja auch wieder weg, wenn ich nichts tat. Aber wäre das Tadashi und auch mir gegenüber überhaupt fair?

Während ich so nachdachte drehte Tadashi die Flasche weiter und wie es auch kommen musste landete sie bei mir.
Meine Güte, war das überhaupt noch Zufall oder hatte hier irgendeine gemeine, höhere Macht ihre Finger im Spiel?
Genervt von meinen eigenen, nicht gerade logisch erklärbaren, Gedanken schaute ich erwartungsvoll zu Tadashi hinüber.
Natürlich nahm ich Wahrheit, ich war ja nicht völlig verblödet.

Tadashi schien über seine Möglichkeiten nachzudenken, aber was er dann fragte hatte ich wirklich nicht erwartet.
"Bist du gerade verliebt?"

Äh, was sollte ich darauf denn sagen?
Wenn ich ihm die Wahrheit sagte, könnte er glauben, dass zwischen Yumi und mir doch noch was lief und das wollte ich auf keinen Fall. Wenn ich aber log, könnte ich die Sache nie klären, weil alle Welt glauben würde, ich habe sie angelogen, was streng genommen ja auch der Fall wäre.

Schlussendlich entschied ich mich also für die Wahrheit. "Ja" antwortete ich schlicht und hoffte, dass Tadashi oder sonst wer nicht zu arg darüber nachdenken würde.
Ich wagte einen prüfenden Blick Richtung Tadashi und meinte in seinen Augen eine Mischung zwischen Erleichterung und Schrecken zu erkennen.
Verdammt! War das doch die falsche Entscheidung?

Wie auch immer, klären konnten wir das jetzt sowieso nicht sofort, also nahm ich die Flasche und drehte weiter.
Das Spiel dauerte noch eine ganze Weile, bis wir alle müde wurden und uns auf unsere Futons legten.

Ein schadenfrohes Grinsen konnte ich mir nicht verkneifen, als ich sah, wie Hinata und Kageyama sich zusammen auf Hinatas Futon quetschen.
Beide hatten ein hochrotes Gesicht und schauten verlegen zur Seite.
Die Aufgabe bei Hinata zu schlafen hatte Kageyama von Nishinoya bekommen und eben dieser lächelte zufrieden in sich hinein, als er es sich auf seinem Futon bequem machte.
Tanaka und er klatschten ab, bevor das Licht ausgeschaltet und der Wecker gestellt wurde.
Mein Gott, was war denn mit den beiden los? War es jetzt auch noch zu ihrer Mission geworden Hinata und Kageyama zu verkuppeln?
Was soll's. Mir war das egal.

Ich konnte nicht einschlafen. Ständig dachte ich über Tadashi nach und ärgerte mich, vielleicht die falsche Antwort gegeben zu haben.
Ich seufzte leise.
Ich wollte ihm auch bei dem Problem zu Hause helfen, ihn nicht allein mit diesem komischen Typen lassen.
Wahrscheinlich wäre es das beste, wenn ich ihn einfach mit zu mir nähme.
Nach einer gefühlt endlosen Stunde schlief ich endlich ein.

Am nächsten Morgen stiegen wir alle, trotz des Schlafes immer noch müde vom ganzen Training, in den Bus.
Tadashi saß dieses Mal neben mir und ich fühlte mich auf eigenartige Weise wohl.

Nach einer langen Fahrt kamen wir schließlich endlich wieder daheim an.
Ich war mir sicher, dass Yamaguchi nicht nach Hause wollte. Nicht nach dem, was er mir über diesen neuen Typen seiner Mutter erzählt hatte, also fragte ich ihn: "Ähm Tadashi? Möchtest du vielleicht noch mit zu mir?"
Ich schaute ihm vielsagend in die Augen und versuchte ihm so mitzuteilen, dass er nur ja sagen sollte. Wir hätten alles andere ja trotzdem noch besprechen können. Es ging nur darum, allein zu sein, ohne unerwünschte Zuhörer, doch er schüttelte zu meiner Überraschung den Kopf.

"Nein, schon gut!" murmelte er und seine Hand schloss sich fest um den Griff seiner Tasche. "Ich will dir nicht zur Last fallen. Außerdem macht sich meine Mum sonst sicher Sorgen."

Dachte er also immer noch so? Dass er eine Last sei?
Verdammt, was musste ich bloß tun um ihm das auszureden?!
"Du bist doch keine Last!" versuchte ich es erneut, aber er lächelte nur.
"Entschuldigung, nächstes Mal bestimmt."
Damit drehte sich dieser Vollidiot einfach um und ging.

Ich stand wie festgefroren mmer noch neben dem Bus.
Schon wieder. Schon wieder war er gegangen und ich hatte ihn nicht daran gehindert. Wann hatte das denn endlich ein Ende? Was sollte ich tun, um ihm zu helfen?
Ich nahm meine Tasche und lief ihm hinterher. Wir wohnten nunmal in der selben Richtung.
Als ich ihn endlich eingeholt hatte fing es auch noch an zu regnen.
"Bist du ganz sicher, Tadashi?" Ich betonte seinen Namen extra ein wenig, um ihm zu verstehen zu geben, dass ich alles, was ich gesagt hatte, ernst meinte.
Ich war vielleicht keine Person der großen Worte, aber ein Lügner war ich sicher nicht. Schon gar nicht bei Tadashi.
"Hör mal" fuhr ich fort. "Du hast mir doch von... von ihm erzählt und ich möchte nicht, dass du ihn heute schon wieder sehen musst."

"Ist schon gut. Er ist heute bestimmt nicht da und ich will ganz ehrlich zurück in mein Bett. Es war irgendwie ungewohnt in diesem fremden Raum zu schlafen." Er legte den Kopf schief und lächelte mich an.

Ich versuchte, ihm zu glauben. Er wollte anscheinend wirklich bloß zurück nach Hause und im Grunde wollte ich ihn daran ja auch nicht hindern, also nickte ich ergeben.

"Okay, aber lass uns am Nachmittag was zusammen machen, ja?" fragte ich.
Ich hoffte, dass ich nicht zu aufdringlich wirkte, aber ganz ehrlich, ich wollte ihn nicht allein lassen.
Ich wusste, dass es vielleicht nicht das war, was er mit seinen Erzählungen bezwecken wollte, aber ich machte mir unglaubliche Sorgen, auch wenn ich von außen oft nicht so wirkte.

Als wir an der Kreuzung, an der wir uns trennen mussten, ankamen, winkte er mir leicht zu und drehte sich um.
"Bis dann." murmelte er leise und ich meinte etwas wehmütiges in seiner Stimme vernommen zu haben, aber ich hatte mich wohl geirrt.
"Ich schreibe dir dann später." rief ich ihm noch nach.

Ich fühlte mich ziemlich dreckig und als ich zu Hause ankam schleppte ich mich nur noch ins Bad und fiel daraufhin direkt ins Bett. Ein wenig Schlaf musste ich noch nachholen, bevor ich Tadashi schrieb. Aber entspannt einschlafen konnte ich trotzdem nicht, also telefonierte ich noch ein wenig mit Yumi, die mir riet so viel Zeit wie möglich mit Tadashi zu verbringen, und machte mir schlussendlich doch einfach etwas zu essen.
Während ich so aß versank ich immer weiter in Gedanken.
Warum war das nur alles so kompliziert?

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