Kapitel 21

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Pov Yamaguchi

Ich kam ein wenig zu spät, aber meine Mum wurde nicht wütend. Sie war viel zu aufgeregt um mich anzumeckern.
Stattdessen lächelte sie mich an und fragte: "Sag mal, findest du mir steht dieses Kleid hier?"
Okay, wenn sie sich über so etwas schon Gedanken machte musste sie wirklich arg verliebt sein.
Normalerweise war meiner Mum ihre Kleidung und die anderer Leute egal. Sie legte nicht viel Wert auf Äußeres.

Ich grinste in mich hinein. Obwohl ich nicht verstand, was zum Henker sie an diesem Typen fand, freute ich mich für sie.

"Da kommt er." Meine Mum winkte durchs Fenster und eilte zur Tür.
Kurz darauf stand er auch schon vor mir.

Er lächelte mich an, aber ich konnte keine Freundlichkeit in seinem Blick erkennen.

"Lasst uns essen. Heute gibt es eine Gemüsepfanne, also setz dich Haruto. Tadashi, hilf mir bitte mal mit den Töpfen hier."
Ich hatte nichts dagegen. Hauptsache ich musste nicht allein mit Haruto in einem Raum sein.
"Sicher" antwortete ich also und begab mich Richtung Küche.

Nachdem wir alles auf den Tisch gestellt hatten, begann das Essen.
Wie beim letzten Mal hörte ich zwar zu, wurde aber wenig gefragt und aß dementsprechend still.

Nach einer Weile sprang meine Mum plötzlich auf.
"Verdammt! Ich glaube ich habe den Nachtisch vergessen.
Wartet kurz, ich geh schnell rüber und hole ein wenig Kuchen, okay?"
Nein! Nicht okay! Was sollte ich denn darauf sagen? Aber sie nahm mir die Entscheidung gänzlich ab und verschwand ohne ein weiteres Wort durch die Tür.

Abrupt stand Haruto auf. Ich wich ein Stück zurück und begann zu zittern.
Ich hatte eindeutig das selbe Gefühl wie damals, als das mit meinem Dad begonnen hatte.

"Weißt du was?" zischte er und ich wich noch weiter zurück, bis ich die Wand im Rücken spürte.
"Weißt du, was du deiner Mum jeden Tag antust? Ich habe es dir schon einmal gesagt: du erinnerst sie an eine schreckliche Ehe. Aber diesmal hast du es wirklich übertrieben."
Wovon zum Teufel redete er denn?
Wie konnte ich es mit meiner Existenz denn bitte übertreiben?
Ich war die letzten zwei Wochen nicht einmal hier gewesen.
"Sie hat geweint." sagte er und in seinen Augen stand bloßer Hass. Das machte mir richtig Angst.
"Ich musste so oft hier übernachten, weil sie nicht alleine hier sein wollte. Sie konnte nicht schlafen. Hat geschrien und geweint und dich und deinen Vater verflucht."
Ich blickte zu Boden. Warum? Das konnte doch nicht sein. Diese Phase hatte sie doch überwunden. Schon vor einem Jahr. Warum fiel sie denn jetzt wieder zurück?
"Du bist Schuld. Schuld daran, dass ihr Leben so schwer war. Daran, dass sie so leidet.
Ich hasse dich dafür. Und wenn sie nachts im Schlaf redet, sagt sie das selbe. Sie hasst dich. Sie wollte dich nie. Wegen dir hat sie alles verloren."

Ich zuckte zusammen. Ich wusste nicht wie viel Wahres in dieser Geschichte steckte, aber ich wusste selbst, dass ich Schuld war. Das brauchte er mir nicht zu sagen.
Und doch erschütterte es mich zutiefst, zu hören, dass Mum wieder in diesem Zustand war. Ich hatte es nicht bemerkt.
Ich glaubte ihm sogar, dass sie mich unbewusst hasst. Das würde ich auch tun. Falsch, das tat ich auch.

Er setzte sich wieder auf seinen Stuhl und sah mich mit kalten, unbarmherzigen Augen an.
"Du solltest sterben. Du kannst ja so tun, als sei es ein Unfall gewesen.
Es würde dich niemand auf Dauer vermissen. Sie wäre besser dran ohne dich und sonst hast du ja wohl nicht so viele Freunde, die dich brauchen würden, oder?
Ich kenne dich kaum, aber ich hasse dich dafür, dass du deiner Mutter, der Frau, die ich liebe, so etwas antun kannst. Dass du sie so belastest.
Ich bin mir sicher deinen Tod verkraftet sie besser, als den Rest deines Lebens erleben zu müssen."

Ich stützte mich an der Wand ab. Das war zu viel. Zu viel für mich.
Ich sagte nichts und konnte es auch nicht, selbst wenn ich gewollt hätte. Ich sah ihn nur einen Moment stumm an. Sein Gesicht war vollkommen ausdruckslos. Er meinte es also wirklich ernst.
Etwas anderes hatte ich ehrlich gesagt aber auch nicht erwartet.

Ich taumelte in den Flur und nahm meine Schuhe.
Als ich durch die Tür gehen wollte, stieß ich mit meiner Mum zusammen, die gerade herein treten wollte.

"Hey, was soll denn das? Was machst du da? Tadashi? Ist alles okay? Du bist so blass, was ist denn los?"
Ich konnte ihren Fragen nicht wirklich folgen, aber ich antwortete:"Mir geht es gut. Ich habe nur etwas Kopfschmerzen und muss kurz an die frische Luft."
Damit drückte ich mich an ihr vorbei und bog um die nächste Ecke.

Ich begann zu rennen. Ich wusste nicht wohin, ich wusste nicht warum, aber als ich zum Stehen kam, merkte ich, dass ich vor Tsukkis Haus stand.
Warum war ich denn bitte hier hin gelaufen?
Aber wenn ich schon einmal hier war, könnte ich doch auch klingeln, oder?
Er hatte es mir ja angeboten.
Ich schüttelte den Kopf.
Hör auf damit. Ich konnte doch jetzt nicht einfach so herein platzen und ihn wieder vollheulen.
Er war schließlich mein bester Freund und nicht mein Therapeut, also sollte ich ihn auch nicht als solchen ausnutzen.

Ich drehte mich um und begann mich wieder in Bewegung zu setzten.
Während ich so lief zog ich mein Handy aus meiner Tasche und sah auf das Display.
Vier Nachrichten meiner Mum. Ich wollte sie jetzt nicht lesen, also scrollte ich weiter und drückte auf den Chat unseres Volleyballteams.
Dort führten sie gerade eine hitzige Diskussion darüber, wann wir uns treffen könnten, um gemeinsam essen zu gehen. Eigentlich ging es mehr darum wo wir essen gehen wollten, aber auch diese Nachrichten überlas ich einfach und kam schließlich auf den Chat zwischen Tsukki und mir.

Ich starrte einfach nur auf die Tastatur und wusste nicht genau, was ich tun sollte.
Wenn ich nicht mit ihm reden wollte, konnte ich ihm ja wenigstens eine Nachricht schreiben.
Ich schüttelte den Kopf. Was sollte das? Warum sollte ich ihm denn schreiben, was interessierte es ihn schon, wo ich hier gerade durch die Gegend lief.

Ich schaute auf und bemerkte, dass ich mich vor unserer Schule befand.
Aus einem Impuls heraus versuchte ich das Tor zu öffnen und tatsächlich war es offen.
Der Hausmeister musste vergessen haben abzuschließen.

Ich betrat das Schulgelände und wieder lief ich wie von selbst durch die Gänge, bis ich schließlich im obersten Stockwerk angekommen war und auf das Dach trat.

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