Kapitel 4

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Pov Yamaguchi

Ich wusste, dass ich wieder in die Halle musste, also raffte ich mich auf und wollte gerade die Tür öffnen, als ich Schritte hinter mir hörte.
Ich drehte mich um und da stand Yumi. Ich dachte sie wäre schon gegangen. Sie setzte eine besorgte Miene auf, als sie mich so dort stehen sah und kam auf mich zu.
Das Abendlicht der Sonne fiel auf ihre glänzenden Haare und spiegelte sich in ihren Augen. Und wieder einmal musste ich eingestehen wie verdammt hübsch sie doch war. Ich hätte direkt wieder weinen mögen, aber ich riss mich zusammen.
"Hallo, Yamaguchi! Ist alles okay bei dir? Du siehst irgendwie traurig aus... Hast du geweint?"
"Nein, nein, ich hab nur gegähnt." Ich lächelte sie unschuldig an und anscheinend schluckte sie diese zugegeben etwas lahme Lüge. "Na dann. Ich musste nochmal zurück kommen, weil ich mit eurem Trainer sprechen wollte. Ist er noch drin?"
"Klar, wir trainieren noch." "Oh das ist gut, dann kann ich ja Tsukki beim blocken zu sehen, darin ist er so gut!"
Ich zuckte zusammen. Wie hatte sie ihn eben genannt? Wow, das gab mir wirklich den Rest. Tsukki war mein Spitzname für ihn und nur ich nannte ihn so. Es machte mich so unsäglich traurig ihn aus ihrem Mund zu hören. Ich zitterte leicht und stütze mich an der Wand ab. "Kannst du dem Trainer Bescheid geben, dass ich schonmal nach Hause musste? Mir geht es doch irgendwie nicht so gut." "Oh, natülich, ich sag auch Tsukki Bescheid, dann wartet er nicht extra auf dich, ja?"
Da war er wieder. Der Name aus ihrem Mund. Es hörte sich ganz falsch und komisch an.
"Danke" murmelte ich nur kraftlos und schleppte mich zur Umkleide.

Als ich zu Hause ankam traf ich meine Mutter in der Küche an. Sie sah sehr ernst aus und schien mich nicht zu bemerken bis ich ihr auf die Schulter tippte. "Hallo Mum." Sie schreckte auf und rieb sich die Stirn. "Oh, entschuldige ich hab dich gar nicht reinkommen hören." "Was ist denn los? Du siehst so bedrückt aus."
"Tadashi?" "Ja?" Das machte mir jetzt irgendwie Angst. So hatte sie meinen Namen noch nie ausgesprochen. Mit einer solchen Ernsthaftigkeit.
"Was ist denn Mum, sag schon, bitte!"
"Tadashi.... Ich muss dir etwas sagen. Ich... Ich habe jemanden kennengelernt. Er ist ein Restaurantbetreiber und ich bin ausversehen mit ihm zusammengestoßen und dann hat er mir geholfen und so kamen wir ins Gespräch und naja es hat irgendwie direkt gefunkt, aber ich weiß ja wie schwer du es mit deinem Vater hattest, deshalb habe ich nichts gesagt, aber er wollte sich doch auch so gern vorstellen, als ich ihm erzählt habe, dass ich schon einen Sohn habe und deswegen kommt er morgen zum Essen und..."
"Hey Mum!" unterbrach ich ihren schier unendlichen Redefluss. "Alles okay, ich freu mich doch für dich. Wann kommt er denn morgen?" Sie sah mich einige Sekunden perplex an, bis sie anfing zu strahlen. "Ach Tadashi, ich bin so froh, dass ich dich habe."
So sehr ich mich auch bemühte, ich konnte das einfach nicht glauben. Trotzdem lächelte ich sie tapfer an.
"Er kommt morgen gegen 18 Uhr."
"Okay, dann bin ich pünktlich hier." Schloss ich unser Gespräch und verließ die Küche.
Ich wollte weder schlafen gehen noch etwas essen, aber bloß irgendwo rum sitzen wollte ich auch nicht also beschloss ich ein wenig spazieren zu gehen. Ich nahm meine Kopfhörer und schaltete mein Lieblingslied an. Ich verließ das Haus und ging auf den kleinen Park zu, der zwei Straßen weiter begonn.
In diesem Park hatte ich mich früher immer mit Tsukki getroffen.
Es schmerzte immer noch, dass dieser Spitzname jetzt nicht mehr nur mir gehörte. Es war das einzige gewesen, was mir noch von ihm geblieben war und nur mir gehörte.
Enttäuscht kickte ich einen kleinen Stein vor mir her, bis ich eine Bewegung neben mir wahr nahm.

Ich drehte mich leicht in diese Richtung und dort sah ich Tsukki. Er saß mit dem Rücken zu mir und neben ihm offensichtlich Yumi. Sie machten auf dieser blöden Parkbank rum und ich stand da, wie festgefroren.
Ungünstigerweise öffnete Yumi genau in diesem Moment ihre Augen und sie weiteten sich als sie mich sah. Leicht winkte sie mir zu und stupste Tsukki an, während sie wohl mit ihm sprach.
Oh bitte nicht! So viel Zufall kann es doch gar nicht geben. Warum muss ich sie denn auch noch auf diesem Spaziergang treffen? Verfolgten die mich? Oder verfolgte ich unbewusst doch eher sie?
Ich hatte wirklich keine Lust auf ein Gespräch mit den beiden. Früher hatte ich gerne stundenlang mit Tsukki geredet, aber seit Yumi da war gab es fast keine Gelegenheiten mehr dazu und wenn er mal Zeit hatte merkte ich, wie ihn Yumi beschäftigte.
Schnell drehte ich mich einfach um und rannte los. Später könnte ich ja einfach behaupten mich hätte jemand angerufen oder so. Ich spürte Tsukki und Yumis Blicke auf meinem Rücken und vielleicht riefen sie auch nach mir, aber ich hatte meine Musik so laut gedreht, dass ich nichts mehr hörte.
Es war mir egal, was um mich herum passierte.

Ich rannte bis mir die Puste ausging und fand mich schließlich auf einem Weg wieder, der zu einer kleinen Aussichtsplattform führte, von der man die gesamte Stadt überblicken konnte. Ohne viel nachzudenken lief ich den Weg entlang und setzte mich, oben angekommen, auf das Geländer und ließ meine Füße baumeln.

Wie wäre es wohl, wenn ich mich fallen lassen würde? Einfach loslassen. Nichtmal wirklich springen. Es könnte auch ein Unfall sein, bei dem ich einfach abgerutscht wäre.
Wäre ich doch nur viel früher gesprungen, wäre meine Mutter noch glücklich mit meinem Vater verheiratet und Tsukki hätte ich eine lange Zeit des Nervens erspart.
Für das Team wäre es auch sicherlich kein Verlust, wenn ich springen würde. Meine Aufschläge sind einfach nicht gut genug.
Tsukki und Yumi könnten glücklich werden.
Aber dieser eine Teil von mir behauptete, ich würde mehr Schaden anrichten wenn ich springen würde, als wenn ich es einfach ließe. Es wäre doch egoistisch zu springen, oder nicht?

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