Kapitel 20

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Pov Yamaguchi

Ich hatte Tsukki glaubhaft versichert, dass ich nach Hause wollte.
Das war auch die Wahrheit gewesen, aber als ich vor unserer Haustür stand überkam mich ein ungutes Gefühl.
Aber so oder so, umdrehen konnte ich jetzt ohnehin nicht mehr, also schloss ich die Tür auf und trat ein.

"Hallo?" wollte ich mich vorsichtig bemerkbar machen, aber es antwortete niemand.
Auf leisen Sohlen schlich ich in mein Zimmer und stellte meine Sachen ab.
Es war etwas ungewöhnlich, dass meine Mum nicht antwortete, aber vielleicht hatte sie ja eine extra Schicht übernehmen müssen und kam erst am Nachmittag wieder zurück.

Nachdem ich mich meiner Tasche entledigt hatte ging ich also nach unten, um in der Küche nach einer Nachricht zu suchen.
Und tatsächlich, auf dem Tisch lag ein Zettel. Auf diesem stand krakelig 'Willkommen zurück Liebling. Ich musste, wie du dir wohl schon denken kannst, spontan eine Schicht übernehmen, aber ich sollte noch vor 14 Uhr zurück sein. Falls du Hunger hast steht noch Abendessen im Kühlschrank.
Haruto wird heute dann wieder zu Besuch kommen, aber erst um 18 Uhr, also kannst du mir später noch viel erzählen, bis dann. Fühl dich gedrückt!" geschrieben.

Ich seufzte tief und ging wieder hoch. Während ich duschte und das warme Wasser auf meine Schultern tropfen ließ, dachte ich darüber nach, wie ich Haruto möglichst lange aus dem Weg gehen konnte.
Ich wollte nicht für die ganze Zeit quasi bei Tsukki einziehen, aber hier bleiben konnte ich so eigentlich auch nicht.
Wobei, mit meinem Dad hatte ich es ja auch geschafft. Ich musste mich nur frühzeitig in mein Zimmer verdrücken und außerdem würde Haruto bestimmt schon nichts machen, wenn Mum dabei war.

Als ich fertig war setzte ich mich mit meinem Handy in unser Wohnzimmer und verbrachte den restlichen Vormittag mit einer guten Serie.

Um etwa 14 Uhr kam tatsächlich meine Mum durch die Tür und ich erzählte ihr ein wenig vom Trainingscamp. Natürlich hielt ich die Geschehnisse zwischen Tsukki und mir zurück und beschrieb stattdessen unser Gebäude, den Speisesaal und die große Sporthalle.

"Ist es für dich denn okay, wenn Haruto dann gegen 18 Uhr kommt?"
"Oh ja, sicher."
"Sag mal, Tadashi, fandest du ihn nett? Denkst du, du kommst damit klar?"

Ich überlegte kurz, ihr die Wahrheit zu sagen, entschied mich aber doch dagegen. Ich würde mehr Schaden anrichten, als ich verhindern könnte.
"Der erste Eindruck war ganz gut.
Mum, ist er ab jetzt oft hier?"
"Naja, er möchte eben viel Zeit mit uns verbringen und weil er nur eine sehr kleine Wohnung hat und auch allein lebt funktioniert das nun einmal am Besten hier."
Sie sah mich prüfend an und strich mir über die Wange.
"Aber wenn ihr euch gut versteht sollte das ja kein Problem sein.
Willst du Kaffee?"
"Nein danke, ich hatte vor noch zu Tsukki rüber zu gehen, wenn das okay ist."
"Oh ja, mach ruhig, es wäre nur schön, wenn du dann spätestens um Viertel vor Sechs wieder hier wärst." rief sie über die Schulter während die Küchentür schon zu fiel.
"Ist gut." murmelte ich mehr zu mir selbst als zu ihr und griff nach meinem Handy, um Tsukki zu schreiben.

Auf meine Frage, wann wir uns denn treffen wollten, antwortete er wenige Minuten später: 'Komm einfach rüber wann du willst.'
Na schön, dann würde ich mich sofort auf den Weg machen.

Nach kurzer Zeit stand ich also vor Tsukkis Haustür.
Ich zögerte zu klingeln. Wollte ich ihn wirklich nerven?
Ich hatte eigentlich nur zwei Optionen. Entweder ich klingelte nun oder ich schrieb ihm, es sei etwas dazwischen gekommen und ich müsste doch zu Hause bleiben. Würde ich mich für letzteres entscheiden müsste ich die übrigen Stunden irgendwo anders verbringen.

Während ich so im Vorgarten der Tsukishimas stand und überlegte öffnete sich die Tür.
"Was machst du da, Tadashi?" fragte mich ein etwas verwirrter Tsukki.
"Ähm, ich wollte gerade klingeln." log ich zugegeben sehr einfallslos.
"Aha" antwortete Tsukki etwas skeptisch und ergriff meine Hand, um mich ins Haus zu ziehen.
"Komm rein, es zieht." meinte er überflüssiger Weise und bedeutete mir meine Schuhe auszuziehen.

"Was willst du machen?" fragte er, nachdem wir in sein Zimmer gegangen und ich mich auf sein Bett gesetzt hatte.
"Das ist mir egal." Daraufhin verfielen wir einige Minuten in Schweigen.
Ich empfand es nicht als unangenehm, fragte aber nach einer Weile: "Wollen wir dann eine Serie schauen?"
Obwohl ich für gewöhnlich gern draußen war, hatte ich im Moment irgendwie überhaupt keine Lust dazu, aber auch Tsukki schien lieber drinnen bleiben zu wollen.
Er nickte und wir machten es uns im Wohnzimmer bequem.
Tsukkis Familie war nicht da und ich war ziemlich dankbar dafür. Auf Konversationen mit anderen Menschen hatte ich keine Lust.

Wir schauten Folge um Folge unseres Lieblingsanimes, zufällig hatten wir den selben, und ich vergaß darüber ein wenig die Zeit.
Um halb Sechs fiel mir dann ein, dass es schon recht spät war und ich stupste Tsukki an.
"Ich muss um Viertel vor wieder zu Hause sein."
Er warf mir einen Blick zu. "Warum?"
Ich kratze mich verlegen am Hinterkopf. Wenn ich es ihm jetzt sagen würde, würde er sich sicher bloß sorgen machen, aber anlügen wollte ich ihn auch nicht schon wieder.
"Haruto kommt zu Besuch." nuschelte ich also kleinlaut in meinen Ärmel und schaute zur Seite. "Mum hatte das schon so verabredet und ich wollte ihr das nicht versauen."
"Du musst dich nicht rechtfertigen." Tsukkis Stimme klang sanft, aber es schwang auch soetwas wie Wut mit. Als ich in sein Gesicht schaute, war nichts dergleichen zu erkennen. Es war ausdruckslos wie immer.

"Also dann, bis morgen." sagte ich und ging leise in den Flur.
Er kam mir hinterher und fragte: "Tadashi? Komm rüber wenn du nicht mehr willst, klar?"
Ich war etwas überrascht. Normalerweise lud Tsukki nie freiwillig Besuch zu sich ein, ausgenommen ich, aber auch das war selten der Fall. Umso überraschter war ich, dass er mir das heute schon zum zweiten Mal anbot. Das kam einem kleinen Wunder gleich.

"Mhm." antwortete ich. Ich wollte nicht ablehnen, aber mir war schon jetzt klar, dass ich es nicht übers Herz bringen würde ihn noch einmal zu stören.

"Ich meine es ernst. Du störst nicht." Konnte er etwa Gedanken lesen?
Ich wurde rot und öffnete die Tür.
"Wie auch immer. Bis dann, Tsukki."
Schnell huschte ich durch die Tür und beeilte mich nach Hause zu kommen.

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