Kapitel 15

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Pov Tsukishima

Ich hatte Daichi gesagt Yamaguchi und ich müssten etwas klären und sie sollten ruhig einfach weiter trainieren.
Er hatte nur genickt und so hatte ich Yamaguchi bis zum Waschraum gezogen.

Ich hatte ihn gebeten seinen Ärmel hochzuziehen und dabei hatte ich mich schon auf das Schlimmste eingestellt.
Ich konnte mir gar nicht vorstellen, dass mein kleiner, unschuldiger, niedlicher Yamaguchi eine dermaßen erschreckende Tat begangen hatte.
Es war nicht so, dass ich ihn verurteilte oder es irgendwie ekelhaft fand und ich war auch sicherlich nicht der Meinung, dass es seine Schuld war, es tat mir einfach nur so unfassbar weh, dass ich nichts getan hatte. Ich konnte ihm nicht helfen und aus diesem Grund machte ich mir so viele Vorwürfe.

"Ich möchte dir helfen, Tadashi. Egal, was du da auch an deinen Armen hast, es ändert nichts daran wie wir zueinander stehen, okay?" sprach ich also wahrheitsgemäß und ich meinte es genau so. Ich wollte ihm wirklich helfen!
Das erste Mal seit sehr langer Zeit hatte ich ihn wieder beim Vornamen genannt und es fühlte sich gut an.
Ich mochte seinen Vornamen. Er klang schön und passte zu diesem niedlichen, kleinen Wesen da vor mir.
Ehrlich gesagt schämte ich mich ein wenig für diese Gedanken, aber es war nunmal die reine Wahrheit.
Yumi hatte doch auch gesagt, ich sollte es akzeptieren, also versuchte ich es auch.
Er war verdammt nochmal eben niedlich und diese süßen Sommersprossen auf seiner Nase und sein weiches Haar, dass auf seinem Kopf so lustig abstand und...
Okay, Stopp! Das reichte jetzt mit akzeptieren.
Gerade musste ich mich auf seine Arme konzentrieren!

Ich nahm ihn in den Arm. Ich hatte das Gefühl, dass er das jetzt brauchte und ich brauchte es auch.
"Es ist alles gut, Tadashi. Du musst dich nicht mehr zusammenreißen.
Ich verurteile dich wegen nichts, du kannst mit mir reden. Über alles." murmelte ich und hoffte, dass er verstand wie ernst ich es meinte.

Er begann zu weinen und ich konnte nichts tun, außer ihn im Arm zu halten.
Ich hoffte, dass das reichte um ihm ein Gefühl von Sicherheit zu geben.

Als er schließlich aufgehört hatte zu weinen, bat ich ihn noch einmal die Arme sehen zu dürfen und dieses Mal zog er tatsächlich seine Trainingsjacke aus.

Auch, wenn ich schon geahnt hatte, was mich unter seinem Ärmel erwartete war ich dennoch geschockt.
So viel Blut.
Er schaute beschämt zu Boden und ich verstand einfach nicht, warum.
Ich war derjenige, der als Freund versagt hatte, nicht er.

Ich hatte schon seit Jahren nicht mehr geweint, aber jetzt stiegen mir Tränen in die Augen und ich konnte sie nicht zurückhalten.
Er begann mir Träne um Träne aus dem Gesicht zu wischen, nahm mich in den Arm und ich musste nur noch heftiger weinen. Warum war er so selbstlos und nett?
Ich war doch Schuld daran, dass es ihm so ging, oder nicht?
Wie konnte er da bloß so unglaublich lieb sein?

Ich versuchte meine Gedanken in Worte zu fassen und ihm zu erklären, wie Leid es mir tut, aber er antwortete nur es sei nicht meine Schuld.
Dachte er wirklich so? Oder wollte er mich bloß beruhigen?
Dass ich an dieser ganzen Sache nicht unschuldig war, war schließlich keine Hypothese, sondern eine klare Tatsache.
Dachte er also wirklich, es sei seine Schuld?
Er konnte doch nichts dafür, dass ich so blind war.

Er streichelte beruhigend meinen Rücken und nach ein paar Minuten fasste ich mich wieder.

Ich nahm ein Handtuch und begann vorsichtig das Blut von seinen Armen zu waschen.
Mir fiel auf wie zart seine Haut doch war, aber hauptsächlich konzentrierte ich mich darauf nicht wieder anzufangen zu heulen.

Ich versuchte ihm nicht allzu sehr weh zu tun und schließlich war der Großteil des Blutes abgewaschen und mir fiel auf, dass die Schnitte an seinem einen Arm noch sehr frisch wirkten.
So als habe er sie sich erst gestern oder heute zugefügt.

Ich erhob mich. "Ich komme gleich wieder, bleib bitte hier." sagte ich zu Tadashi. Es widerstrebte mir zwar, ihn allein zu lassen, aber ich musste unbedingt Verbandszeug und so etwas holen.

Also beeilte ich mich und glücklicherweise gab es einige nützliche Sachen in einer Tasche, die Herr Takeda für Notfälle mitgenommen hatte.
Ich würde mir später eine passende Ausrede für die fehlenden Dinge ausdenken.

Während ich also wieder zurück zum Waschraum eilte, dachte ich über Tadashis frische Wunden nach.
Hatte er etwa...? Nein! Als ich ihn gesucht hatte wirkte er zwar durch den Wind, aber so etwas hatte er doch nicht in dieser Zeit tun können, oder?
Andererseits schloß man sich ja nicht mal eben für längere Zeit im Bad ein und verpasste so das ganze Frühstück.
Zweifelnd trat ich um die Ecke, an der Tadashi und ich vor einigen Tagen zusammengestoßen waren.
Auch dabei hatte er überhaupt nicht gesund und fröhlich gewirkt.
Was hatte ich mir nur dabei gedacht, ihn einfach so wieder gehen zu lassen?
Hatten seine Verletzungen von vor kurzer Zeit etwas mit Yumis und meiner Verkündung zu tun?
Aber wieso hatte ihn das so belastet?

Fragen über Fragen wirbelten in meinen Gedanken, aber ich fand keine Antworten.
Ich wollte Tadashi nicht ausfragen, aber unwissend konnte ich auch nicht bleiben.

Als ich den Waschraum erneut betrat sah Tadashi auf.
Er saß noch genau so, wie ich ihn zurückgelassen hatte und zu meinem Schrecken flossen schon wieder Tränen über sein Gesicht.
Rasch stellte ich das Verbandszeug ab und kniete mich vor ihn.
"Hey, was ist denn? Alles okay."
Ich nahm ihn fest in den Arm.
"Es tut mir so Leid!" schniefte er. "Ich habe dich so oft angelogen. Und ich dachte, jetzt wo du weißt, was ich getan habe willst du vielleicht doch nichts mehr mit mir zu tun haben."

So etwas dachte er? Ich hatte nicht erwartet, dass er solche Angst hatte verlassen zu werden.
"Tadashi." sagte ich ernst. Ich nahm sein Gesicht in meine Hände und drehte es zu mir.
Seine braunen Augen glänzten vor Tränen aber das ließ ihn nur noch niedlicher aussehen.
Ich schüttelte mich leicht und brachte mich so wieder in die Realität.
Tadashi wollte seinen Blick abwenden, aber ich zwang ihn mir in die Augen zu sehen.
"Es ist mir egal, was du getan hast. Ich verurteile dich nicht! Ich habe dich unglaublich gern und ich brauche dich! Du darfst niemals wieder denken, ich würde dich verlassen. Das werde ich nie. Ich verspreche es!"

Als mir bewusst wurde, was für kitschige Worte da gerade über meine Lippen kamen, wurde ich rot.
Ich ließ Tadashis Gesicht los und drehte mich zur Seite.
"Jetzt können wir ja anfangen deine Arme zu verarzten." murmelte ich und fing an Verbände aus dem Kasten zu nehmen.

"Vielen Dank, Tsukki." hörte ich Tadashi flüstern. "Übrigens, ich finde es schön, wenn du mich Tadashi nennst."

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