chapter 7

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"J-ja", meine Tasche sank langsam zu Boden, während sich die Tür öffnete. "Ich wusste, dass mir der Name irgendwoher bekannt vorkam", Andreas sah mich aus seinen wachsamen Augen an. Er registrierte jede meiner Bewegungen und konnte so auch mein Zurückweichen sehen. "Ich weiß nicht, was Sie meinen", hauchte ich schwach, doch konnte sehen, wie seine Augen aufblitzten.

"Ich bin nicht so unaufmerksam, wie mein Bruder Liv.". Ohne weitere Vorwarnung nahm er mich in den Arm. Und Gott tat seine Umarmung gut. Es fühlte sich richtig an, aber einerseits auch zu vertraut sodass ich mich allmählich löste. "Ich bin so froh dich wiederzusehen, du warst damals plötzlich weg und niemand konnte dich mehr erreichen.". Besorgt sah er mich an. "Wegen Chris, oder?". Ich schwieg.

"Ich hab doch Recht, du bist abgehauen wegen ihm.". Er schien nicht nachvollziehen zu können, was ich damals fühlte. Die Gefühle kamen langsam hoch, alles, was ich die Jahre über in mich hinein gefressen hatte, verließ gleich meinen Mund.

"Du bist genau wie er! Er hat es auch nicht verstanden Andreas. Ich liebte ihn!". Ich strich mir durchs Haar und sah ihn tieftraurig an. "Ich liebte ihn, ja. Und was tat er? Er macht mit meiner besten Freundin rum, keiner sagt mir etwas und mit seinen Worten verletzt er mich nur immer weiter. Ich habe es ihm gesagt, dass ich Gefühle habe und er macht Witze darüber! Ich musste da weg. Einfach weg von ihm und allem, was mich an ihn erinnert.".

Stumm sah er mich an. Er schien langsam zu verstehen, denn sein Blick wurde mitleidig. "Ich wusste nicht, was da alles hinter steckte. Chris hat nie mit mir darüber geredet.". Er nahm mich nochmal in den Arm und diesmal genoss ich es wirklich. "Ich liebe ihn immernoch Andy", flüsterte ich an seinen Hals während sich eine Träne erneut den Weg meine Wange hinunter suchte. Er strich mir sanft über den Rücken. "Das wird, versprochen.". Ich schüttelte den Kopf.

"Er hat doch sicherlich eh jemanden, er erkennt mich ja nicht einmal mehr. Es ist egal, ich habe die letzten 14 Jahre auch ohne ihn geschafft.". Ernst sah er mich an. "Aber glücklich bist du nicht geworden. Du hast ihn nie vergessen, sonst würdest du jetzt nicht weinen. Und zum Thema Liebesleben meines Bruders-". Ich unterbrach ihn. "Ich wills nicht wissen, ja?".

Er seufzte. "Kommst du nun mit mir raus? Irgendwann musst du dich ihm stellen.". "Nein, nein Andreas.". Ich nahm meine Tasche. "Ich komm mit raus, sage Tschüß und bin dann weg. Du kennst meinen Arbeitsplatz, falls du noch was brauchst dann da.". Er legte den Arm um mich und ging langsam mit mir raus. Sofort sahen mich Steffi und auch Chris an. "Alles okei?". Steffi sah Andreas fragend an, misstrauisch. "Natürlich, oder L-". Ich nickte schnell und sagte: "Klar". Kurz lächelte ich und winkte einmal durch die Runde.

"Ciao, schönen Tag euch noch.". Chris sah mich lächelnd an. "Danke, Ihnen auch.". Und schon verließ ich die drei und hörte Andreas noch tottern, ob Chris denn komplett dämlich sei. Dieser verstand natürlich nicht. Ich fuhr heim und beruhigte mich erstmal, was kaum half sodass ich entschied mir heute Abend mal wieder einen Club-Abend zu genehmigen.

Ein dezentes Make-Up und ein schlichtes Kleid zierten keine zwei Stunden später meinen Körper. Eine kleine Handtasche wurde noch schnell gepackt und schon gings los mit dem Taxi zum Go-Parc Herford. Ich nahm meinen Platz an der Bar ein und genehmigte mir einen Drink. Hochprozentig, fruchtig und hoffentlich gedankenverdrängend.

Im Laufe des Abends kamen noch einige Drinks dazu, von Männern wurde ich auch des Öfteren angesprochen, doch ich ignorierte sie. Als ich gerade gehen wollte, hörte man zwei laute Männerstimmen. Kurz darauf wurden die Stimmen aggressiver und eine Menschenmenge sammelte sich neben der Tanzfläche um die beiden Männer herum. Da erkannte ich Henry am Rand stehen und ging eilig zu ihm.

"Hey, was is denn hier los?". Er sah mich überrascht, dann freudig an. "Hey Liv. Ach das, nur ne kleine Prügelei.". Ich versuchte hinzusehen, doch es standen zu viele Leute davor. "Will da keiner eingreifen?". Er schüttelte den Kopf. "Is ja schließlich nich Chris erste Prügelei.". Erschrocken sah ich ihn an. "Bitte wie?!". Ich drängte mich durch die Massen und griff das erste Kleidungsstück, was ich kriegen konnte. Tatsächlich war es Chris, der mich nun mit einem teufelswütenden Blick ansah. "Was willst du?!".

Er war einfach total betrunken, ich seufzte. "Hör auf, komm mit.". Ich nahm seine Jacke und zog ihn an der Hand aus der Menge. "Wo wohnst du Chris?". Ich bezweifelte zwar, dass er mich hören und verstehen konnte und eigentlich wollte ich das gerade auch gar nicht. Aber ihn in dem Zustand da lassen?

"Innen-", er würgte kurz. "Innenstadt, Mönchstraße 4.". Ich nickte und schnappte uns ein Taxi. Dem Fahrer gab ich die Adresse und kaum fuhren wir, schlief Chris neben mir ein.

So langsam dämmerte mir, was hier gerade geschah. Mir wurde übel und schwindlig, sodass ich einige Male tief durchatmen musste. Ich bringe ihn nur heim, dann geh ich wieder. Ich betrachtete ihn etwas. Seine kastanienbraune Haare, welche mit einer leicht blonden Strähne gefärbt waren. Seine ruhigen Gesichtszüge, seine kleinen Lachfalten.

Ich wollte es nicht, aber ich merkte, wie ich wieder mehr und mehr in meiner Liebe für ihn versank. Wer weiß, vielleicht wollte er es jetzt doch? Vielleicht würden seine Gefühle mittlerweile anders sein? So entschied ich mich spontan und vermutlich auch durch den Alkohol: Ich würde die Nacht bleiben. Ich werde mit ihm reden.

Someone to YouWo Geschichten leben. Entdecke jetzt