chapter 38

245 19 12
                                    

"Ich warte hier vorn auf dich, ja?". Andreas gab mir einen Kuss auf die Wange und stand auf. Er ging zu seiner Frau und seiner Mama, sodass ich nun alleine an Chris Grab stand. Ich betrachtete das Meer aus Rosen für einen Moment und dachte noch einmal an meinen Geburtstag zurück. Er hatte damals so unglaublich glücklich gelacht, als ich meinte dies seien meine Lieblingsblumen. Er zog mich die Jahre immer mal wieder damit auf.

"Hey Schatz.". Ich setzte mich richtig hin und sah in den Himmel. "Ich hätte nie gedacht, dass ich schon so früh Abschied von dir nehmen müsste. Du hast mir doch versprochen immer zu bleiben Chris", hauchte ich und seufzte leise. "Wir hatten doch noch so viel vor. Deine Mom wollte noch Enkel von dir, Andy und du wollten noch die ganze Welt verzaubern. Warum zauberst du dich nicht einfach her? Zu uns?".

"Es tut mir so unglaublich weh, dass ich dich gehen lassen habe, ohne mich zu entschuldigen. Ich hätte dir zuhören müssen. Deine Mom hat mir alles erzählt, alles was du durchgemacht hast ohne dass jemand davon wusste.". Ich ließ den Blick wieder aufs Grab sinken. "Du warst so tapfer Schatz. Ich habe dir nicht vertraut, obwohl du es so sehr verdient hättest. Ich hoffe du bist nicht böse auf mich und bleibst trotzdem irgendwie bei mir. Ich werde dich jedenfalls immer und überall in meinem Herzen tragen.". Die Tränen liefen mir über die Wangen, ich schluchzte leise auf.

"Ich liebe dich Christian. Pass mir bitte auf deine Familie auf.". Ich sah kurz rüber zu Andreas, unsere Blicke trafen sich und er schaffte es mir ein kleines Lächeln zu schenken. "Ich bleibe übrigens hier in Herford und komme dich ganz oft besuchen.". Ich atmete leise durch und sah auf die Rose. "Ich will dich nicht loslassen Chris, zeig mir doch bitte, dass das alles nur ein Traum ist.". Ich blieb etwas ruhig und saß mit geschlossenen Augen hier. "Ich danke dir für alles, was du jemals für mich getan hast. Leb wohl mein Schatz.". Ich ließ meine Rose fallen und stand langsam auf.

Schwerfällig ging ich zu Andreas und seiner Familie. "Liv, wir fahren alle zu Mama zum Essen. Möchtest du bei uns beiden mitfahren? Steffi fährt gerade einmal zu ihren Eltern wegen den Kindern.". Ich nickte. "Ja, ist in Ordnung.". Ich drehte mich noch einmal um und sah zu seinem Grab. "Na komm Liebes", Hedi strich behutsam über meinen Arm und ich nickte. "Lasst uns.". Gemächlich schritten wir über die Friedhofswege, schweigend und jeder seinen Gedanken nachhängend. "Chris hätte sich über dieses schwüle Wetter vermutlich aufgeregt", meinte Andy irgendwann und sah uns lächelnd an.

Auch Hedi musste etwas lächeln. "Und dann hätte er dir vorgehalten, dass du ja damals das Kornfeld in Brand gesetzt hast.". Er lachte etwas auf und sah zu mir. "Ich habs damals auf ihn geschoben.". Ich musste auch etwas lachen und es tat verdammt gut. Positive Erinnerungen helfen den Wunden zu heilen, auch wenn jemand nicht mehr unter uns ist. "Du hast alles Mögliche auf ihn geschoben und ich hab dich meist dann verpetzt", grinste ich ihn leicht an, was ihn erneut zum Lachen brachte.

Wir verließen den Friedhof und gingen zum Parkplatz. Andreas vor mir blieb ruckartig stehen. "Hey, was ist los?". Ich sah an ihm vorbei und auch mir blieb ein Kloß im Hals stecken. "Was machen die hier?", murmelte ich. "Keine Ahnung.". Vor dem Parkplatz standen einige Journalisten mit Kameras, Mikros und allem Drum und Dran. "Die haben das Wort Privat auch noch nie gehört", brummte Andreas und legte jedem von uns je einen Arm um die Hüfte. "Einfach schweigen.".

Wir gingen genau auf die Menge zu und sofort herrschte Blitzlichtgewitter und alle fragten Andreas nach dem Brand. "Was ist denn genau passiert? Wie geht es eurer Crew?". Mein Herz zog sich zusammen als das Wort "eurer" fiel, doch ich hielt mich still zurück. Als die Journalisten dann aber Hedi als Andreas Mutter erkannten, begannen die unangenehmeren Fragen. "Wart ihr für eine Beerdigung hier? Also gab es nicht nur Schwerverletzte?". Ich sah kurz zu Andreas, der jedoch in derselben Hilflosigkeit versank. "Wo ist eigentlich dein Bruder?".

Damit war die Grenze für Andreas überschritten und er ging auf einen Männer los. "Haltet euch daraus verdammt!". Ich zog an seinem Jackett. "Andreas, nicht.". Er sah mich hilflos an und ich strich sanft über seinen Rücken. "Mein Bruder ist meine Sache, haltet euch daraus.". Ein Raunen zog durch die Menge und gerade als wir weiter wollten, hörte ich ein genuscheltes "Auf dem Grabstein steht Christian Reinelt" neben mir. Auch Andreas musste es gehört haben und wurde nun laut. "Mein Bruder ist verstorben! Seid ihr jetzt glücklich?!". Mir wurde mit einem Mal immens übel und ich hielt mich an ihm fest. "Andy", murmelte ich noch ehe ich von völliger Dunkelheit empfangen wurde.

"Liv?". Jemand rüttelte an mir. "Liv hey, aufwachen.". Ich riss die Augen auf und sah mich um. Weiße Wände, Hedi saß neben mir und hatte die Hand auf meiner Schulter. "Der Arzt kommt gleich und gibt uns ein Update.". "Update? Worüber?". Sie sah mich besorgt an. "Von Chris, Liv. Ob er außer Lebensgefahr ist.". Ich setzte mich sofort auf und sah vor mich auf das Bett. Mein Atem ging unkontrollierbar schnell und ich schnappte nach Luft, ehe ich anfing zu weinen.

Someone to YouWo Geschichten leben. Entdecke jetzt