Schuld

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Ich muss nicht mal mit den Augen blinzeln, als der Knall ertönt und sich die Kugel in seine Brust bohrt. Wie erstarrt blicke ich auf ihn hinab. Was habe ich da gerade getan? Eine dunkelrote Flüssigkeit breitet sich um den reglosen Körper unter mir aus. Die Waffe gleitet aus meinen Händen und fällt scheppernd zu Boden. Ich habe es wirklich getan. Ich hab ihn getötet. Er ist tot. Reglos starre ich auf die Leiche. Er ist tot.

„Charlie...?" Buckys Stimme erinnert mich an seine Anwesenheit. Sie erinnert mich an die Wut und an die Verzweiflung, die ich spüre, wenn ich ihn ansehe.

Ruckartig blicke ich zu ihm auf. Ich öffne den Mund um ihm meine Meinung zu sagen, ihn anzuschreien, ihm zu sagen wie verletzt ich bin, um ihm einfach irgendetwas zu sagen. Am Liebsten würde ich ihm einfach eine rein hauen. Doch ich kann nicht. Irgendetwas hält mich zurück. Also schließe ich meinen Mund wieder.

Ich muss hier einfach raus. Ich muss weg von der Leiche meines Vaters. Ich muss weg von Bucky.

Ich will an ihm vorbei gehen, doch er hält mich an meinem Handgelenk fest „Charlie bitte, bleib hier, ich-" „Fass mich nicht an!", blaffe ich wütend. Seine Augen wirken glasig und er sieht traurig aus, doch das ist mir jetzt egal. Gewaltsam befreie ich mich aus seinem Griff und gehe zum Ausgang, wo gerade Steve und Natascha herein kommen. „Charlie, was...?", fragt Nat, doch ich gehe einfach an ihr vorbei nach draußen, die Treppen hinunter und verlasse das Gebäude. Sobald ich alleine bin, spüre ich wie die Tränen meine Wangen hinunterlaufen.

...

Ich habe keine Ahnung, wie spät es ist, oder wie lange ich jetzt schon ziellos durch die Straßen von New York laufe, doch es wird bereits dunkel und dementsprechend auch kalt. Ich verfluche mich, dass ich keine Jacke mitgenommen habe, als ich wütend davon gestürmt bin. Fröstelnd ziehe ich die Arme um mich und gehe ohne zu wissen wohin einfach weiter. Ich muss einfach weg. Den Kopf frei kriegen. Über alles nachdenken.

Wie konnte ich nur denken, dass ich Bucky jemals vergeben könnte. Wie kam es nur so weit, dass ich fast angefangen hätte ihn zu mögen. Wie konnte ich nur vergessen, was er mir angetan hat. Ich weiß, dass es im Grunde nicht seine Schuld ist, ich weiß, dass er damals noch der Winter Soldier war und unter der Kontrolle von Hydra stand. Aber das macht es nicht ungeschehen. Ich weiß ich sollte ihn nicht dafür schuldig machen. Aber wenn ich ihn ansehe, sehe ich meine Schwester. Ihr wunderschönes Gesicht...massakriert durch einen dunkelroten Fleck an der Stirn und Buckys Hände, die voller Blut sind. Deswegen kommt immer diese unbändige Wut und die Trauer in mir auf, wenn ich auch nur seine Stimme höre. Doch gleichzeitig sagt irgendwas in mir, dass ich ihn nicht für immer hassen kann.

...

Als ich völlig verkühlt endlich wieder Am Avengers Tower ankomme, ist es schon mitten in der Nacht. Ich fahre mit dem Fahrstuhl nach oben. Mein völlig vertrockneter Hals führt mich automatisch in die Küche um mir etwas zu Trinken zu holen. Na toll, damit hätte ich doch rechnen können, denke ich mir als ich sehe, dass ich nicht alleine in der Küche bin.

Er sitzt am Tisch, das Gesicht in den Händen vergraben. „Charlie.", stellt er erleichtert fest, als er mich entdeckt und steht sofort auf, um zu mir zu kommen. "Da bist du ja endlich. Ich hab mir solche Sorgen gemacht." Ich überlege nicht lange, drehe mich wieder herum und gehe aus der Küche. „Charlie, bitte warte. Lass uns- Lass uns reden, ja?", ruft er und ich höre, wie er mir nach kommt. „Lass mich in Ruhe!", rufe ich nur wütend zurück.

Vor meinem Zimmer angekommen stelle ich fest, dass ich meine Tasche mit dem Zimmerschlüssel wohl in der Trainingshalle vergessen haben muss und fluche leise. Bucky hat mich bereits eingeholt.

„Charlie." Ich drehe mich zu ihm um. „Charlie ich...ich hab mir Sorgen gemacht. Du warst den ganzen Tag weg." Belustigt stoße ich Luft aus. "Du hast dir also Sorgen um mich gemacht, ja?" Er sieht mich ernst an. "Ja. Ja das habe ich, Charlie. Ich-ich wusste nicht, wo du hin wolltest und nach dem was passiert ist, wusste ich nicht, was du tun würdest...ich-ich bin den ganzen Tag durch die Stadt gefahren, um dich zu suchen." Mein harte Maske bekommt einen Riss und für einen kurzen Augenblick werden meine Gesichtsmuskeln ganz weich. Er-er hat mich gesucht? Den ganzen Tag lang? Doch dann schüttele ich schnell den Kopf, als würde ich den Gedanken abschütteln wollen.

Hate and Love (Bucky FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt