Kapitel 4

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"Halt." Erschrocken zuckte mein alter Freund zusammen und es tat mir schon fast leid, dass ich seine nicht vorhandene Autorität noch mehr mit den Füßen trat, weil ich ihn unterbrach. "Mein Name ist Liang Chang. Bei dem Mädchen, welches Sie gefangen genommen haben, handelt es sich um meine Tochter Liang Li-Ming. Als ich in Lanling mit ihr war ist sie aufeinmal verschwunden und jetzt finde ich sie hier wieder. Mir ist nicht klar, warum Sie unschuldige Kinder entführen und als jemanden verkaufen wollen der sie nicht ist. Ich verlange meine Tochter zurück." Ein Raunen ging durch die Menge, als ich meine kurze Anschuldigung getätigt hatte. "Wie kannst du beweisen, dass sie deine Tochter ist?" Fragte Lan Xichen. Ihm schien die ganze Situation auch nicht zu gefallen. "Ich denke, vielen hier ist aufgefallen, dass meine Tochter die einzige in schwarz- rotem Hanfu ist und nicht die blauen-gelben oder grünen trägt, wie sie bei den anderen vertreten sind." Misstrauisch beäugten mich die Clanführer. "Wa-warum verdeckst du dein Gesicht?" Kam es von Nie Huaisang. "Warum sollte ich mein Gesicht den nicht verdecken?" Die Gegenfrage schien so unerwartet zu kommen, dass erstmal Stille eintrat. Meine letzte Hoffnung lag bei Jiang Cheng und dass er noch für mich eintreten würde und ich es mir ersparen konnte meine Identität aufzudecken. Egal wie scheiße ich aussah, irgendwer würde mich erkennen und wenn es am Ende Lan Xichen war. Die Stimme von Jin Ling drang aus der Menge hervor und durchschnitt die Stille. "Wie wärs wenn er gegen den besten aller Cläne ein Duell macht und wen er gewinnt darf er mit seiner sogenannten Tochter gehen." Genervt seuftze ich auf. Warum hatte dieser Junge immer so sinnlose Ideen und hielt nie den Mund. Noch bevor ich dagegensprechen konnte, wurde dem schon von Seiten der Cläne zugestimmt. Kurz berieten sich die Clanführer und meine Hoffnung, dass sie die Idee doch noch abtuen würden schwand immer mehr. Schließlich erhob sich Jiang Cheng und verkündet den Entschluss. "Da das heutige Turnier eigentlich dafür da sein sollte einen Besten zu krönen, haben wir uns entschlossen jemanden gegen dich antreten zu lassen gegen den bis jetzt noch niemand im Duell gewonnen hat. Han Guang Jun aus dem GusuLan-Clan. Wenn du es schaffst gegen ihn zu gewinnen, kannst du deine Tochter nehmen und verlässt den Wettkampf, damit wir ihn danach weiterführen können" Für einen kurzen Moment setzte mein Herz einfach aus, um danach mit  doppelter Geschwindigkeit weiter zuschlagen. Ein Raunen ging durch die Menge und alles was ich je zu eine sozialen Kompetenz bei Jiang Cheng gesagt hatte nahm ich jetzt zurück. War er blind oder warum erkannte er nicht, dass ich der war, der vorhin mit ihm angekommen war und dazu noch meine Tochter mit ihm gesucht hatte.

Ein warmes Kribbeln durchfuhr meinen Nacken, als ich aus dem Augenwinkel wahrnahm, wie Lan Zhan aus der Menge hervortrat. Sein kalter und ernster Blick hatte mich komplett fokusiert und ließ mich nicht mehr los. Langsam drehte ich mich um, den Nervenkitzel ihn nach drei Jahren wiederzusehen auskostend. Ich hatte mir viel zu oft vorgestellt, wie unser wiedersehen aussehen würde, doch in meinen Träumen hatte er mich angelächelt und wäre erleichtert gewesen, dass die Gerüchte ncht stimmten, dass ich tot bin. Ich wollte diese lächeln sehen, welches so selten war und trotzdem so wunderschön und natürlich. Nun strahlte sein Gesicht aber nur die altgewohnte und unnahbare Kälte aus. Mit langen, eleganten Schritten kam er auf mich zu, Bichen in seiner einen Hand. Ich musste lächeln, als ich an meine neue spirituelle Waffe dachte. Ich hatte sie vor zwei Jahren zusammen mit A-Mings Eltern gefunden. Sie war eine der ältesten Waffen, wie ich später herrausfand und konnte sich nach belieben des Besitzers materialisieren. Auch jetzt spürte ich, wie sich das Jián (劍 / 剑 , gerades, zweischneidiges chinesiches Schwert) Feng Qui an meine Hand schmiegte und sich an meine Handfläche anpasste. Ein plötzlicher Angriff von Lan Zhans Seite kam so überraschend, dass ich gerade noch so ausweichen konnte. Mit einer schwungvollen Drehung brachte ich mich erstmal außer Reichweite und beobachtete die Raubtierhaften Bewegungen meines Gegenübers. Ich wollte Lan Zhan nicht verletzten, doch im Gegenzug würde er keine Gnade walten lassen, da er sich meiner Identität nicht bewusst war. Ich mich genauso gut mit dem Yang-Dragon-Seal verbinden, doch ich hatte noch keine Ahnung, inwiefern es sich auf meinen Gegenüber auswirken könnte. Mit tänzerischen Bewegungen wich ich seinen präzisen Hieben aus und parierrte immer wieder seine Schläge und obwohl ich ihm mal ebenbürtig war, zeigte sich nun, die letzten Wochen in denen ich nicht geübt hatte und auch keinen Anlass zum kämpfen gehabt hatte. Außer Atem stand ich ihm gegenüber. Jede seiner Bewegungen war so unglaublich elegant, als er auf mich zu kam, bereit jeden Moment wieder anzugreifen. Es war jetzt schon ein Wunder, dass ich es solange geschafft hatte, aber länger würde selbst ich nicht mehr durchhalten. Ich hätte nie gedacht, dass ein Windzug meine Rettung sein würde, aber es waren nur wenige Sekunden in der meine Kapuze wegen des Windes verrutschte und mein Gesicht Preis gab, doch es war genug für Lan Zhan um mich zu erkennen. Sein ernster Gesichtsausdruck entglitt ihm und er stoppte in seiner Bewegung. Auch wenn es nicht gerade meinem Kampfstil entsprach nutze ich diese Gelegenheit schamlos aus, um nah genug an ihn ranzukommen und Feng Qui an seinem Halz zu platzieren. Seine Augen fixierten mich und suchten meinen Blick. Ein einziges Gefühlschaos spiegelte sich in seinem Gesicht wieder, wie ich es bei ihm noch nie hatte beobachten können. Richtig, auch er hatte gedacht, dass ich tot gewesen wäre. Nur mit Mühe setzte er wieder diese kalte, emotionslose Maske auf, doch sein Blick ruhte immer noch auf meinem nun wieder verdeckten Gesicht und dort konnte er nicht verbergen, wie viele Fragen gerade auf seiner Zunge brannten. So war es schon immer gewesen. Seine Gefühle hatten sich wenn schon in seinen Augen wiedergespiegelt.

"Ich habe gewonnen." Rief ich zur Tribüne mit den Clanführern rüber. Auch ihnen stand der Unglauben ins Gesicht geschrieben, wenn auch aus einem anderen Grund. Zufrieden beobachtete ich, wie Lan Xichen ein Zeichen gab und A-Ming frei gelassen wurde. So schnell wie ihre kleinen Beine sie tragen konnten rannte sie zu mir rüber und warf sich schluchzend in meine Arme. Ihr vertrauter Duft nach Kleinkind umfing mich, als ich sie fest an mich drückt. Das Lan Zhan neben mir stand hatte ich für diesen Moment so sehr verdrängt, dass ich einen halben Herzinfarkt bekam, als er aufeinmal mit gesenkter Stimme zu mir sprach. "Ich dachte du wärst Tod?!" Seine Stimme klang verletzt und zugleich überkam mich eine Gänsehaut beim Klang seiner Stimme, doch ich musste ich jetzt beherrschen und erstmal A-Ming wegbringen. "Wei Ying?" Ein warmes Gefühl durchströmte mich, als er meinen echten Namen aussprach. Ich blickte mich nicht mehr um, sondern verließ zusammen mit A-Ming den Platz. Ich vertraute darauf, dass Lan Zhan nicht die Person war, die eine Szene machen würde und die Aufmerksamkeit von Leuten, die mich selbst jetzt wo ich wieder für tot gehalten wurde noch hassten, auf mich lenken würde.

"Wer war der Mann, Onkel Chang?" Ihre kleine Hand krallte sich fest an meine. "Warum fragst du?" Versuchte ich selbst jetzt noch mich den Gedanken an Lan Zhan und den damit verbundenen Erinnerungen zu entziehen? "Es sah so aus, als würde er dich kenne, auch wen er dich Wei Ying genannt hat." "Ja, ich kenne...ich kannte ihn. Ich habe viel mit ihm erlebt, bevor ich auf deine Eltern getroffen bin und euch kennengelernt habe. Wir waren sowas wie Seelnverwandte." "Also ist er lieb?" Stellte die kleine treuherzig fest. "Ja, so könnte man es sagen. Er wird nichts tun, was uns weh tut." Davon ging ich jedenfalls aus. Eine Eigenschaft, die nur A-Ming besaß war, dass sie sobald ihre kindliche Wahrnehmung eine Situation als ungefährlich einschätze vollkommen ausgeglichen und fröhlich wurde- so wie jetzt. Mit einem süßen Glucksen löste sie sich von meiner Hand und sprang vorraus. Ihr Rock umspielte sanft ihre Beine. Es erinnerte mich daran, wenn wir abends zu den Grabhügeln zurückgekehrt waren, nach einem langen Tag den wir mit Kartoffeln verkaufen verbracht hatten. Das ganze zeigte mir wieder ein Stück Normalität. Eine fröhlich Li-Ming und ich, auf dem Weg nachhause.

Ein weiterer Monat verging in den Grabhügeln. Ich hatte begonnen A-Ming ein wenig etwas über Kultivierung und den Umgang mit ihrem Dolch beigebracht, wobei sich zeigte, dass sie ein unglaubliches Talent für diese Dinge hatte. Zwischen uns wuchs in dieser Zeit immer mehr das Vertrauen in die andere Person, aber ich rutschte auch immer mehr in die Vaterrolle. Immer öfters erwischte ich sie, wie sie mich Papa nannte und ich musste mir eingestehen, dass ich es nicht schlimm fand. Doch ich war es gewohnt, dass wenn gerade alles gut lief mein komplettes Leben auf den Kopf gestellt wird.

The Yang-Dragon-SealWo Geschichten leben. Entdecke jetzt