Kapitel 34

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Es war kalt in dem Haus, was sonst immer gut geheizt wurde. Die Türen und Fenster waren weit geöffnet uns ließen die eisige Luft herein, die den penetranten Geruch nach Tod vertreiben sollte. Doch anstatt von frischer Luft zog Rauch in das Zimmer und brannte unangenehm in den Augen und der Kehle. Heiße Tränen liefen unaufhaltsam über mein Gesicht, während ich den Blick von dem starren Körper unter dem weißen Tuch nicht abwenden konnte. Verängstigt versuchte ich meine Aufmerksamkeit auf das unkontrollierte Zittern meiner Hände zu lenken, doch die Präsenz des toten Körpers war zu sehr zu spüren, als das man sich auf etwas anderes hätte konzentrieren können.

Der Arzt betrat den Raum mit zwei Männern, die auf ein Zeichen von ihm die Person samt dem Tuch über ihr anhoben. Verwirrt sah ich zu, wie sie den Körper meiner Mutter raustruge, bevor ich reagieren konnte. Hastig sprang ich auf und erreichte schlitternd den Hauseingang, von dem ich auf ein Feuer sah. Vor meinen Augen warfen sie meine Mutter in das Feuer. Ein erschrockener Schrei verließ meine Kehle. Verzweifelt rang ich nach Atem, als ich mit nackten Füßen über den Schnee auf das Feuer zu lief. Jemand zog mich grob zurück, sodass sie aus meiner Reichweite blieb. Langsam verschwamm meine Sicht, während ich versuchte mich zu befreien und irgendwann erkannte ich nur noch einen orangenen Fleck, mit einem weißen Punkt, der sich langsam färbte. Sanft leckten die Flammen an dem reinen weiß, bevor sie es auffrassen.

Ab dem Punkt setzte mein Verstand vollkommen aus. Endlich schaffte ich es mich von der Person zu lösen, die mich festgehalten hatte und rannte einfach los. Ein klatschendes Geräusch entstand bei jedem Schritt, wenn mein Fuß auf dem gefrorenem Boden aufkam. Orientierungslos rannte ich durch den Kiefernwald. Ich hatte kein Ziel - ich wollte nur weg. Weg von der Erinnerung an den zuckenden Körper und das Blut, dass sie gespuckt hatte, welches man in Spritzern auf meiner Kleidung wiederfand. Immer wieder stolperte ich über meine eigenen Füße, während ich mir einen Weg durch den Wald kämpfte, der immer dichter wurde.

Ich hielt erst an, als ich vor Erschöpfung fast zusammenbrach. Mein ganzer Körper bebte, als ich mich auf den Boden sinken ließ. Augenblicklich verschwand jegliches Gefühl aus meinen Füßen und mit der Kälte, verschwand auch mein Wille weiter zu rennen. Meine Augen waren rot angeschwollen, während meine Lippen salzig von den Tränen schmeckte. Jeder Zentimeter meines Körpers schmerzte und ich hätte das Lieblingsbuch von Huan verwettet, dass sich bald Eiszapfen in meinem Gesicht bilden würden, so sehr kroch mir die Kälte unter die Haut.

Irgendwann überkam mich die Müdigkeit und schließlich gab ich mich ihr hin, obwohl meine Mutter mir so oft eingeredet hatte, dass es mein Ende sein könnte, wenn ich zu lange auf einer Stelle in dieser Kälte blieb. Das sanfte Lächeln, dass sie nur zeigte, wenn wir drei auf dem Boden zusammen sitzen und spielen, brannte sich vor mein inneres Auge und begeitete mich in meinen unruhigen Schlaf.

Das nächste Mal als ich meine Augen öffnete war es warm - wärmer als zuvor. Jemand musste neben mir sitzen und mir somit Körperwärme spenden. Nur mit Mühen konnte ich meine Augen öffnen. Vorsichtig blinzelte ich, bevor ich wirklich etwas erkennen konnte. Es war tiefe Nacht und nur der Schein einer Fackel brachte ein wenig Licht ins Dunkle. Das Klappern von Hufen war zu hören und es fühlte sich an, wie als würde ich mich fortbewegen, oder besser gesagt der Platz auf dem ich saß. Schemenhaft erkannte ich, dass ich in einem käfigartigem Gebilde saß. Kaltes Metall schloß sich um meine Handgelenke. "Na, auch mal wach?" Erschrocken fuhr ich zusammen.

Die Person neben mir, die mich wärmte, hatte mich angesprochen. "Mmh." "Gesprächig bist du ja nicht." Er hatte eine tiefe und raue Stimme, die mir unheimlich war. Sein Gesicht konnte ich nicht erkennen, was mich nur noch nervöser machte. Ich merkte, wie ich mir wünschte, dass Huan und Zhan jetzt bei mir wären und ich ihre vertrauten Stimmen hören könnte. "Warum bin ich hier?" Überwand ich mich dem Mann eine Frage zu stellen. "Willkommen bei Huang Mings Menschenmarkt. Er bietet alte, junge, starke, hübsche Menschen. Es ist egal für welchen Zweck man sie braucht Huang Ming hat einen für dich. Nenn nur deinen Preis und wir werden ein gutes Geschäft verhandeln." Zitierte der Mann, während er seine Stimme verstellte. "Du hast es nicht verstanden? Ganz einfach, der in dessen Händen du dich befindest ist absofort die Person, die über deine Zukunft entscheiden wird. Aber wenn ich dich vorhin richtig gesehen habe, dann wirst du zur Kategorie 'die Schönen' gehören und dein Leben nicht mit harter Knochenarbeit verbringen müssen." Lachte er, auch wenn ich nicht verstand was daran lustig sein sollte. Mein Leben gehörte mir, warum also sollte jemand anderes in seinen Händen halten?

"Ich möchte nach Hause." Gab ich leise von mir. Daraufhin lachte der Mann nur wieder laut auf. "Nach Hause? Du hast kein Zuhause. Und selbst wenn, dann jetzt nicht mehr..." "Aber meine Familie wird mich suchen." Wiedersprach ich ihm. "Deine ach so tolle Familie wird dich bei Huang Ming aber nicht finden. Niemand der einmal in seinen Fängen gelandet ist konnte bis jetzt entkommen. Also mach dir nicht zu große Hoffnungen." Ein beklemmendes Gefühl machte sich in mir breit. "RUHE DA HINTEN." Erschrocken fuhr ich abermals zusammen und drückte mich fester an die Gitterstäbe hinter mir. Meine Gedanken überschlugen sich, während ich stark zitternd ins Leere starrte, in der Hoffnung, dass ich in einem Albtraum gefangen war, aus dem mich meine Mutter jeden Moment aufwecken würde. Vielleicht würde ich ja auch im Schlaf schreien, wenn ich hier schrie. Ein Versuch war es wert...


The Yang-Dragon-SealWo Geschichten leben. Entdecke jetzt