Kapitel 36

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Dicke Regentropfen fielen aus den grauen Wolken, die gestern wie aus dem nichst aufegtaucht waren. Mit ihnen hatte sich die Luft abgekühlt und erste Anzeichen von dem kommenden Herbst gezeigt. Lan Zhan und ich standen zusammen mit Lan Yahui und den drei Männern, die ihr überall hin folgten auf einer der Terassen der Xueshan-Akademie. Ich war immer noch nicht wirklich schlau aus den drei vollkommen identischen Männern, genauso wie es mir ein Rätsel war, wie die Schulleiterin sie unterscheiden konnte.

Genießerisch atmete ich die frische Luft ein, die nach feuchtem Laub und See roch. Wir hatten uns entschieden heute aufzubrechen, doch jetzt wo der Regen gekommen war, schien es fast, als würden wir ihn als Ausrede nutzen um noch einen weiteren Tag in dem idyllischen Tal zu verbringen. Letztendlich war es aber Lan Zhan, der sich zu seiner Schwester drehte und sich verabschiedete. Innerhalb der letzten Woche hatten die beiden ab und zu immer wieder Zeit miteinander verbracht und versucht die vergangenen Jahren aufzuholen, doch selbst wenn der Wille da war, so standen sie mittlerweile einer fremden Person und nicht mehr dem vertrauten Geschwisterchen gegenüber. Auch ich hatte mehr Zeit mit Lan Zhan verbringen können, auf die ich mit einem Lächeln im Gesicht zurück blickte. Ich konnte nur hoffen, dass sich mit unserer Abreise aus Yunnan nichts an diesem Verhältnis verändern würde, dass hier entstanden war.

"Passt auf euch auf. Wenn ihr jemals Hilfe braucht, dann ruft mich." Sie reichte uns beiden eine Kette mit einer Perle dran. Fragend sah ich sie an. "Was ist das?" "Falls ihr in Schwierigkeiten sein sollte, aus denen ihr nicht ohne Hilfe rausschafft, dann zerbrecht die Perle." "Was passiert dann?" Fragte nun auch Lan Zhan. Sie antwortete uns nicht mehr auf diese Frage, stattdessen führte sie uns zu zwei Pferden. "Das sind Chun und Yue. Auf ihnen kommt ihr schneller voran als zu Fuß, da ich euch davon abraten würde nocheinmal den Abstieg zu nutzen. Es ist gefährlich für Ungeübte und dazu bei diesem Wetter viel zu riskant." Mein Blick schwenkte zu den Tieren. Es waren zwei große Tiere, die eine unglaubliche Eleganz austrahlten. Ehrlich gesagt hatte ich in den letzten Jahren keine Pferde mehr angerührt - wahrscheinlich weil ich dafür zu arm war. Der Gedanke eins nach all der Zeit wieder zu reiten machte mich ein wenig nervös und zu gleich freute ich mich wie ein kleines Kind. Schnell legte ich mir die Kette mit der Perle um, bevor ich mich vorsichtig einem der Pferde näherte.

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Der Wind fuhr kühl durch meine Sachen und löste eine Gänsehaut bei mir aus. Tränen standen mir wegen des peitschenden Regens in den Augen und ich hoffte einfach, dass Lan Zhan bald eine Pause vorschlagen würde. Er ritt ein Stück vor mir, entlang der Schlucht. Lan Yahui hatte uns den Tipp gegeben die ganze Zeit an der Schlucht zu reiten und nicht die Wege zu nehmen, statt in einer der Städte oder Dörfer zu rasten einfach den Waldrand zu nutzen, weil es schneller ging.

Auch wenn ich es gewohnt war mitten im Wald die Nacht zu verbringen, so stellte sich mir schon seit längerem die Frage, wie es Lan Zhan damit ging. Eine weitere Frage die mich plagte war, dass wir in Yunnan keiner einzigen Marionette begegnet waren, was ich schon gar nicht mehr gewohnt war. Erst vor kurzem, als wir die Grenzen erreicht hatten, konnte ich im Schatten der Bäume eine Marionette aus machen.

Ich merkte, wie Lan Zhan langsamer wurde und schließlich das Tempo bis auf Schrittgeschwindikeit runterdrosselte. Nur schwer verstand ich, was er mir durch den Regen zu rief. Er wollte einen Ort zum Ausruhen finden, bevor es zu dunkel wurde, wobei ich ihm nur zustimmen konnte.

Auf unserer Rechten lag der Wald schon so dunkel da, dass ich bezweifelte, dass wir noch rechtzeitig etwas finden würden. Doch dann kam ein kleines Haus in Sicht, vor dem wir letztendlich anhielten. Ein Zaun, gewoben aus Ästen, war um das Haus gebaut worden, wobei der Garten ziemlich verwildert aussah. Es brannte kein Licht und genauso wenig gab es ein Anzeichen, dass dort jemand lebte.

Unter einem Baum banden wir die Pferde an, bevor wir anklopften. Keiner antwortete. Nach weiteren Versuchen mit den Bewohnern in Kontakt zu treten, öffnete ich schließlich die Tür.

The Yang-Dragon-SealWo Geschichten leben. Entdecke jetzt