Die Versammlung war genauso verlaufen, wie ich es mir vorgestellt hatte. Viel unnützes Gerede und wenig wirklich wichtiges. Sie hatten sich allein an der Frage, warum es aufeinmal wieder so viele Marionetten gab und wo sie hin wollten, mehrer Stunden aufgehalten. Irgendwann war Lan Xichen dazwischen gegangen und hatte das Thema auf die wirklich wichtigen Fragen, wie wir da gegen vorgehen würden, gelenkt. Irgendwann hatten sie sich auch mal geeinigt bekommen, dass die Cläne sich zusammentun wollten und den Weg zu dem Ort, den die Marionetten ansteuerten, frei kämpfen würden. Die Ursache für das vermehrte Auftreten von Marionetten müsste dort zu finden sein.
In dem Saal war es unglaublich laut, da nun die ersten zu protestieren anfingen. Es war klar, dass das ganze zu einem Selbstmordkommando werden könnte, wenn wir nicht genügend Leute hatten und so wollten manche nicht mitkommen, um vielleicht sich und ihren Clan dafür zu opfern. Seufzend lehnte ich mich ein wenig zurück. Letztendlich würden sie eh untergehen, wenn die Marionetten nicht bald ausgeschaltete wurden.
"Meine Familie ist wegen ihnen gestorben." Es wurde still, als sich Clanführer Yao erhob. Er war mit seinem Sitz in Pingyang am meisten betroffen. "Wenn wir jetzt nicht eingreifen, dann wird meine Familie nicht die einzige gewesen sein. Sie durchkämmen das Land, um an diesen einen Ort zu gelangen und verschonen auf ihrem Weg keinen. Wenn ihr jetzt wegschaut, dann werdet auch ihr früher oder später überrannt." Seine Worte versetzten die anderen wieder in Unruhe. Ein paar stimmten ihm zu, doch andere sagten, dass sie lieber bei dem Versuch ihre Familie zu beschützen sterben würden, als unehrenhaft zwischen den Marionetten zu sterben nur um einen Ort zu finden, der am Ende gar nicht besonders war.
"Was genau ist an dem Tod unehrenhaft? Wenn man einen Tod überhaupt als ehrenhaft betiteln kann..." Fragte ich Lan Zhan, doch dieser antwortete mir nicht. Gelangweilt stocherte ich in dem Essen, was man uns hingstellt hatte. Meins war fast vollkommen unangerührt. "Warum gehen die, die nicht mitkommen wollen, nicht einfach nach Hause?" Murmelte ich vor mich her, doch so wie es immer mit Sachen war, die man nur zu sich selbst sagte wurde es genau in dem Moment so leise, dass jeder mich verstehen konnte.
Bösartige Blicke wurden mir von ein paar der protestierenden zugeworfen. Als ob ich nicht schon genug Leute in meinem Leben aufgebracht hätte. Hilfesuchend sah ich zu Lan Zhan, der mich mit einem belustigten Blick musterte. na toll, von ihm konnte ich jetzt wahrscheinlich reichlich wenig Hilfe erwarten.
"Er hat doch Recht." Dankbar sah ich zu meinem Retter, der sich als Wang Liuxian (Kapitel 10-13) herausstellte. "Alle die dagegen sind müssen ja nicht mitkommen." Zögernd kam von anderen Clanführern die Zustimmung und ich konnte endlich aufatmen, als es eine beschlossenen Sache war. Wenige Minuten später waren nur noch zwei Drittel von der vorherigen Anzahl da, die nun ein wenig ratlos herumsaßen.
Diesmal war es Jiang Cheng der das Wort ergriff. "Da wir alle schon versammelt und auf einen bevorstehenden Kampf vorbereitet sind, warum bringen wir es nicht gleich hinter uns?" Anscheinend hatten die Worten von meinem Adoptivbruder Anklang gefunden, jedenfalls waren manche der Clanführer schon richtig in Stimmung. "Ja lasst uns noch heute aufbrechen." Rief jemand ganz euphorisch. Ok, das entwickelte sich langsam in die falsche Richtung. Man sollte sich wenigstens noch einen Tag davor ausruhen können. Anscheinend hatte Lan Xichen den gleichen Gedanken gehabt. "Lasst uns morgen bei Sonnenaufgang aufbrechen und diese Nacht nocheinmal nutzen um unsere Kräfte zu sammeln."
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Im Schneidersitz saß ich auf dem Bett von Lan Zhan. Auch wenn meins eigentlich im selben Raum war, mochte ich seinen Platz lieber. Die Sonnen schien golden durchs Fenster uns erleuchtete genau den Ort, wo ich saß. Kontrolliert atmete ich ein und aus. Die Siegel waren in ihrer unvollständigen Form definitiv eine Belastung auf Dauer. Meine höchste Priorität sollte es eigentlich sein die fehlende Hälfte des Siegels zu sein, damit ich mich vollständig von ihnen lösen konnte. Ich hatte nämlich die Theorie, dass seit der Verbindung zwischen den Teilen die Siegel an meiner eigenen Yin-energie zogen und sie deshalb nicht zu lösen ging. Genervt, weil ich es nicht schaffte mich zu konzentrieren schlug ich die Augen auf. Erschrocken fuhr ich zusammen, als ich Lan Zhan sah.
Er stand neben dem Fenster und beobachtete mich. "Bist du krank?" Seine Frage war so gerade heraus, dass ich erst nicht wusste, was ich antworten sollte. "Wie du ja weißt fehlt ein Teil des Yin-Tiger-Seals und das zieht an meinen Kräften." Erklärte ich ihm kurz zusammengefasst. Nachdenklich kam er auf mich zu und setzte sich neben mich. Von nahem fiel mir auf, dass sein Haar noch feucht war und sein Geruch vermischt mit Kiefernseife durch die Nässe intensiviert hatte.
"Aber es wird schlimmer oder?" Aufmerksam beobachtete er jede meiner Gesichtsregungen. "Ein bisschen aber es geht..." Versuchte ich ihn zu beruhigen, was nicht wirklich zu funktionieren schien. "Dann bleib hier." Seine Stimme war eindringlich. Lächelnd beobachtete ich, wie er auf meine Antwort wartete. "Das alles hat definitiv etwas mit den Siegeln zu tun. Ganz abgesehen davon, dass ich ein und einhalbes zur Zeit bei mir trage, bin ich derjenige der das Yin-Tiger-Seal erschaffen hat. Ich muss mitkommen."
Ich mochte es eigentlich, dass Lan Zhan immer mehr begann seine Gefühle auch über seinen Gesichtsausdruck zu zeigen, doch nun bereiteten mir seine leidenden Augen nur ein schlechtes Gewissen. "Und was ist, wenn es dir nur noch mehr schadet?" "Und selbst wenn, dann muss ich eben nur noch die andere Hälfte vom Yin-Tiger-Seal finden und danach kann ich wieder genesen." Erklärte ich ihm, doch überzeugend schien ich nicht zu sein. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich fast meinen, dass er wütend war. "Warum bringst du dich selber so sehr in Gefahr?" Brachte ich mich selber in Gefahr? Ja ok, es war riskant, aber nichts was ich nicht unter Kontrolle hatte, dachte ich jedenfalls.
Aufeinmal wurde mir bewusst, dass das ganze gerade nur auf einen Streit hinauslaufen würde. Doch ich wusste nicht was ich sagen sollte, um einem Streit auszuweichen und gleichzeitig zu vermitteln, dass ich mich von meinem Vorhaben nicht abbringen lassen würde. Schwer schluckend sah ich zu ihm. Er hatte seinen Blick abgewand und starrte aus dem Fenster. "Ich werd mich schonen und danach nach dem fehlenden Teil suchen, versprochen." Schlug ich einen Kompromiss vor. Zögernd schaute er zu mir und meinem kleinen Finger, den ich ihm hinhielt. Schließlich gab er seufzend von sich: "Wenn du meinst." Da ich nur ungern gekorbt werden wollte verschränkte ich meinen kleinen Finger mit seinem und drückte noch meinen Daumen gegen seinen um das Versprechen zu besiegeln.
Es war eine kindische Art um ihm zu zeigen, dass ich es wirklich so machen würde, aber mir war nichts anderes eingefallen, um ihm zu zeigen, dass es mir ernst war. Ein vorsichtiges Lächeln schlich sich auf seine Lippen und innerlich jubelte ich, da meine kindliche Ader anscheinend auf fruchtbaren Boden gefallen war.
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The Yang-Dragon-Seal
Fanfiction[beendet] Drei Jahre ist es her, dass Wei Ying und Lan Zhan getrennte Wege gingen. Die Jahre vergingen und Wei Ying täuscht sogar seinen Tod vor, um seinem Ruf als Yiling Patriarch zu entgehen. Die Zeit brachte Wei Wuxian einen neuen Clan in welchem...