Kapitel 45

420 31 2
                                    

PoV. Wei Ying

"Warum den so gereizt, wenn dich ein alter Freund besucht?"

Aus dem Schatten trat ein vertrautes Gesicht. Wu Baihu war ein wenig kleiner als ich, doch wenn es um seinen Körperbau ging, dann übertraf er mich um Längen. Ein boshaftes Lächeln, wie ich es bei ihm noch nie gesehen hatte, zeigte sich auf seinem Gesicht.

"Was machst du hier?" In mir herrschte ein Chaos. Etwas in mir schrie ihm nicht zu vertrauen und ein anderer Teil wollte einen Freund begrüßen, den man seit langem nicht mehr gesehen hatte.

"Was ich hier mache? Dasselbe könnte ich dich fragen, aber ich sollte mich wahrscheinlich erstmal bedanken, dass du dich um A-Ming gekümmert hast, auch wenn sie nicht das bei sich trug, was ich haben wollte." "Was meinst du?" Langsam kam er auf mich zu.

"Das Siegel - oder sollte ich lieber den Plural nutzen? Wo sind sie? Du hast sie. Meine nutzlose Frau hat es dir gesagt." Verwirrt stolperte ich ein paar Schritte zurück. Für mich waren Li Xia und Wu Baihu immer als ein liebevolles Paar rübergekommen, die ihren Seelenpartner in einer gefunden hatten. Das er sie nun nutzlos nannte empörte mich geradezu, wenn ich daran dachte, wie zärtlich die junge Frau ihren Ehemann immer beobachtet hatte.

Alles in mir zog sich zusammen, als der Mann, der einst mein Freund gewesen war und nun wie ein Fremder wirkte, seine Hand auf meine Schulter legte. "Du trägst sie bei dir und hast sie für mich verwahrt nicht wahr?" Befremdet starrte ich ihn an. "Wo warst du nachdem dein Clan ermordet wurde?" Ein heiseres Lachen verließ seine Kehle.

"Dieser Clan hatte mich hintergangen. Meine eigene Frau hat mein Eigentum vor mir versteckt, sich gegen mich aufgelehnt und den ganzen Clan auf ihre Seite gebracht." Nun verstand ich gar nichts mehr. "Was meinst du damit, dass Xia dich hintergangen hat?" Ein gequälter Ausdruck schlich sich in sein Gesicht, der mich wenigstens daran erinnerte, dass er mal soetwas wie Vertrauen und Zuneigung meiner Freundin gegenüber empfunden hatte.

"Sie hat von dem Siegeln erfahren und meinem Vorhaben das letzte Stück mir auch noch zu holen, damit unser Clan auch zu einem der Großen aufsteigen kann. Doch sie war dagegen und meinte, dass das ganze der Schreckensherrschaft von den Wens zu ähnlich werden konnte. Sie hat wie ein dummes Dienstmädchen auf ihren Knien gebettelt, dass ich mit diesem Wahnsinn aufhören soll. Sie hat sich dagegen gesträubt unseren Clan berühmt zu machen und unserer Tochter eine Zukunft zu bescheren, die der einer Prinzessin gleich kommt." Ein irrer Ausdruck lag in seinen Augen. "Sie hat gesagt, dass sie sich an den LanlingJin- oder GusuLan-Clan wenden wird, wenn ich nicht einhalten würde und unser ganze Clan stand hinter ihrer Entscheidung. Sie war nur die Tochter eines Bauers, die in meine Familie eingeheiratet hatte. Was dachte sie wer sie ist?" Die letzten Worte schrie er geradezu.

Überfordert sah ich ihn an. "Also bist du an den Marionetten schuld?" Es war eine einfache Schlussfolgerung nachdem er meinte, dass ihm ein letztes Stück fehlen würde, wobei es sich wahrscheinlich um das Teil aus der Schatzkammer des Jin-Clans handelte, welches in meinem Besitz war. "Das müsste dir doch gefallen, Yiling Patriarch."

Jedes Haar stellte sich in meinem Nacken bei diesem Namen auf. "Warum hast du mir wirklich Schutz vor drei Jahren angeboten?" Jetzt wo er diesen Namen erwähnt hatte kroch in mir das Gefühl auf, dass man mich nur hatte benutzen wollen - die Person die es nur in den Geschichten gegeben hatte.

"Ach, du hast mich durchschaut." Lachend wand er sich zu mir. "Als meine Frau vor drei Jahren mit einem vollkommen heruntergekommen Mann angekommen ist, dachtest du wirklich, dass ich sojemandem einen Unterschlupf gegeben hätte? Doch als sie mir sagte, dass du eigentlich Wei Wuxian der Yiling Patriarch warst der nur untertauchen wollte, da hat sich mein Plan endlich vervollständigt. Ich hätte jemanden an meiner Seite, der die selben Ziele verfolgt. Der seine alten Feinde - die großen Cläne - genauso verabscheute wie ich. Nachdem ich das Yang-Tiger-Seal fertiggestellt hatte wollte ich dich in meine Pläne einweihen, doch meine dumme Frau ist dazwischen gegangen und hat dich damals dazugebracht weiterzuziehen."

"Warum hat der Jin-Clan dann den JilinWu-Clan heimgesucht?" Ich wusste, dass die ganze Fragerei keinen wirklichen Sinn ergab und ich mich eher darauf konzentrieren sollte an das letzte Siegelteil zu kommen oder Wu Baihu auszuschalten, doch zu viele Fragen schwirrten in meinen Kopf.

"Ich wusste, dass Xia Jin Gang kannte und bin deshalb zu ihm gegangen und habe ihm erzählt, dass sie das Yin-Tiger-Seal neu erschaffen hat und eine Bedrohung darstellt. Es hat ein bisschen gedauert, bis er mir geglaubt hat, dass ich meine eigenen Frau anschwärze aber schließlich hat er ein paar Truppen geschickt, um das Böse im Keim zu ersticken. Somit bin ich die Bedrohung für meinen Plan losgeworden. Doch als ich wiederkam konnte ich das Siegeln nirgendwo finden, ebenso wie den Leichnam meiner Tochter. Ich habe mich bei dem Wirt in Jilin umgehört und erfahren, dass Liang Chang noch am selben Tag dagewesen sein musste. Ich habe eins und eins zusammengezählt und bin davon ausgegangen, dass du mein Eigentum haben musst. Du kannst jetzt mitkommen und dann verzeihe ich dir, dass du dich immer noch weigerst mir die Siegel zugeben. Wir können unseren eigenen Clan aufbauen und über alle anderen herrschen. Wir können das vollenden was du vor fast 20 Jahren nicht geschafft hast." Triumphierend sah er mich an.

"Und selbst wenn ich sie dir geben wollte, du scheinst mich falsch einzuschätzen." Der Wahnsinn in seinen Augen nahm nur zu. "Ich habe kein Problem mit den Clänen und habe auch nie eine Herrschaft wie die von Wen Ruohan angestrebt. Ich bin nicht der Yiling Patriarch und ich werde dir nicht die Siegel geben." Die letzten Worte sagte ich mit besonderem Nachdruck, damit sie in seinem durch Wahnsinn benebelten Hirn ankamen. "Wenn du sie mir nicht geben willst, dann muss ich sie mir wohl holen."

Mit diesem Satz sprang er vor, zog in einer flüssigen Bewegung sein Schwert und stürzte sich auf mich. Gerade noch so konnte ich Feng Qui hochreißen und seinen Schlag parrieren. Mit seiner anderen Hand griff er nach meiner Kleidung, wie als hätte er die Siegel dort wahrgenommen. Doch das einzige was er zu greifen bekam war die Kette, die Lan Yahui mir gegeben hatte. Mit einem Ruck zerriss er das Band, an der die Perle hing. Nicht mehr auf mein Gegenüber achtend versuchte ich die Perle noch aufzufangen. In dem Moment streifte mich das Schwert von Wu Baihu und ich zuckte vor dem schneidenden Schmerz zurück.

Die Perle, die ich gerade noch so aufgefangen hatte rutschte durch meine Hände und schlug auf dem Boden auf. Eine blaues Licht leuchtete kurz auf, bevor die Splitter zu staub wurden. Nun erstarrte auch Wu Baihu in seiner Bewegung. "Wen hast du gerufen?" Anscheinend kannte er die Perle von Lan Yahui und ihren Nutzen. Geradezu panisch stolperte er ein Stück zurück. "Ich hol mir die Siegel ein anderes Mal." Das waren seine letzten Worte, bevor er im Schatten des Waldes wieder verschwand und mit ihm die Yin-Energie des fehlenden Siegelteils. Aus dem Augenwinkel nahm ich wahr, wie an drei Stellen blaue Flammen aufzüngelten und eine Frau und zwei Männer zum Vorschein kamen.

The Yang-Dragon-SealWo Geschichten leben. Entdecke jetzt