Kapitel 50

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Aus dem Augenwinkel beobachtete ich Dad, der, seitdem er ins Auto gestiegen war, kein Wort gesagt hatte. Doch entging mir trotzdem nicht, wie angespannt er war. Mit seinen Händen hatte er das Lenkrad so fest umgriffen, dass seine Knöchel weiß hervortreten. Ich vermutete, er würde über Mikaels baldiges Auftauchen nachdenken, weswegen ich schwieg.

Aber auch Liam verhielt sich, seitdem er mit Dad nochmal ins Haus gegangen war, anders. Durch den Außenspiegel konnte ich sehen, wie er mit nachdenklicher Miene aus dem Fenster sah. Als hätte er meinen Blick bemerkt, drehte er seinen Kopf leicht und sah mich durch den Spiegel an. Der Anflug eines Lächelns bildete sich auf seinen Lippen, doch noch ehe ich es hätte erwidern können, wandte er seinen Blick wieder ab.

Ich wollte etwas sagen, wissen, was los war, doch verließ kein Wort meine Lippen. Frustriert atmete ich aus und richtete meinen Blick ebenfalls auf die vorbeiziehende Landschaft. Meine Gedanken schienen sich zu überschlagen. Einerseits wollte ich nicht, dass Liam gleich in diesen Flieger steigt und mich zurückließ, andererseits wollte ich so schnell wie möglich nach Hause, um zu wissen, wie es weitergeht und wie wir Mikael aufhalten können.

"Wir sind da", wurde ich durch Dads Stimme nach einigen Minuten aus den Gedanken gerissen, weswegen ich nickte und ausstieg. Sofort sah ich zu Liam, der dabei war, seine Tasche aus dem Auto zu holen und sich dann neben mich stellte. "Wir kommen noch mit rein", betonte Dad und deutete an, dass wir schon mal vorgehen sollten. Nur wenige Menschen liefen durch die Eingangshalle auf der Suche nach ihrem Gate, doch hatte ich trotzdem das Gefühl, dass alles zu schnell ging.

"Tut mir leid, dass die Woche jetzt so komisch endet", begann ich, um das Schweigen zu unterbrechen, wobei ich stehen blieb und meinen besten Freund ansah. Er war ebenfalls stehen geblieben und sah zu mir zurück. "Es gibt nichts, wofür du dich entschuldigen musst. Ich bin einfach froh, dass du mit mir wieder über alles sprechen kannst. Auch über sowas. Und glaub mir, ich bin nicht glücklich damit, einfach zurückzufliegen, wenn ich weiß, was euch hier erwartet." Liams Worte trieben mir Tränen in die Augen, und ich hatte Mühe, sie zurückzuhalten, als mich Liam auch schon in den Arm nahm. "Ich werde dich vermissen", flüsterte ich, da meine Stimme zu mehr nicht in der Lage gewesen wäre, und spürte, wie er die Umarmung noch einmal verstärkte.

"Wir müssen zum Gate", vernahm ich plötzlich Dads Stimme leise hinter mir, weswegen ich mich löste und ihn ansah. Schwach lächelte Dad uns an, konnte sein Unbehagen aber nicht überdecken. Ich wusste nicht, was es war, doch irgendetwas an Dad ließ auch mich nervös werden. Nur schwer löste ich den Blick von meinem Vater, um Liam zu folgen, wollte aber nicht, dass er wegen mir seinen Flug verpasste. Viel zu schnell standen wir vor einem Schalter, damit Liam einchecken konnte. "Ich mache das eben", erklärte Dad und nahm sich Liams Ticket, mit dem er zum Schalter lief. Eine einzelne Träne lief meine Wange hinunter, als ich meinen besten Freund ansah. Noch ehe Liam hätte reagieren können, hatte ich ihn wieder umarmt. Sofort legte er seine Arme um mich und erwiderte die Umarmung, als Dads Stimme zu mir durchdrang.

"Ich möchte ein weiteres Ticket buchen. Auf den Namen Thalia Mikaelson." Es dauerte kurz, bis der Satz zu mir durchgedrungen war, als ich mich auch schon mit einem Ruck von Liam löste. "Nein", hallte es durch die Lobby, und erst da merkte ich, dass der Schrei von mir kam. Fassungslos blickte ich zu Dad, hoffte mir den Satz nur eingebildet zu haben, nahm dann aber die Tasche hinter ihm wahr, die definitiv mir gehörte.

Der Lärm der anderen Fluggäste war wie weggeblasen, und ich fühlte mich wie in einer Blase, ohne wirklich wahrnehmen zu können, was um mich herum passierte. Immer schneller und unkontrollierter versuchte ich, Luft in meine Lunge zu pumpen, konnte aber nicht verhindern, wie mir schummerig wurde. Schwärze legte sich an den Rand meines Sichtfeldes, zog sich immer weiter zusammen und drohte, mich zu überwältigen, als plötzlich Dad in der Mitte meines Sichtfeldes auftauchte.

Er bewegte seine Lippen, doch drang kein Wort zu mir durch. Trotzdem konzentrierte ich mich auf seine Bewegungen und schaffte es, dass sich die Schwärze zurückzog. Übrig blieb nur ein Gefühl, und das war Wut. "Du kannst mich nicht wegschicken", rief ich und schlug mit einem Mal auf Dads Brust ein. Immer und immer wieder, doch zuckte Dad nicht einmal, sondern ließ es über sich ergehen. Doch als die Panik meinen Körper wieder zu übernehmen schien und die Schläge unkontrollierter wurden, legte er mit einem Mal seine Arme um mich und zog mich in eine Umarmung.

"Du kannst mich nicht wegschicken", wiederholte ich, nur war meine Stimme diesmal nicht mehr als ein Wimmern. Tränen liefen mir unaufhaltsam über die Wange, gefolgt von einem Schluchzen, doch Dad blieb einfach regungslos stehen. "Ich kann uns nur alle beschützen, wenn ich dich in Sicherheit weiß", flüsterte er. Vorsichtig, aber bestimmend löste er sich und sah mich an.

"Bitte, Dad. Schick mich nicht weg. Nicht jetzt", flehte ich in der Hoffnung, er würde seine Meinung ändern. Auch er hatte Tränen in den Augen, sah mich aber mit so viel Liebe an, dass mich erneut ein Schluchzen überkam. "Ich bin stolz auf dich, Thalia", betonte Dad mit einem leichten Lächeln, doch konnte ich es nicht erwidern. "Bitte", flehte ich ein letztes Mal, wobei mir noch immer Tränen übers Gesicht liefen, als sich auch bei Dad eine einzelne Träne löste. Langsam floss sie seine Wange hinunter, doch noch ehe sie den Boden berührte, hatte sich an Dads Blick etwas geändert. Jegliche Emotionen waren verschwunden und Leere war zurückgeblieben. Kalt sah er auf mich hinunter, ehe ein Ruck durch seinen Körper ging und er vor mir verschwand.

Wahnsinn wir sind mittlerweile bei Kapitel 50 angekommen 🎊
Vielen vielen Dank an alle die meine Story lesen. Ohne euch wäre sie vermutlich nie so weit gegangen 🥰

Die Tochter von Elijah MikaelsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt