Kapitel 37

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Eine Stunde lang versuchte ich vergeblich einzuschlafen, bevor ich aufgab und beschloss, nach unten zu gehen, um Kol zu suchen. Letztlich fand ich ihn im Wohnzimmer, wo er mit einem Zauberbuch in der Hand auf dem Sofa saß. „Hey, wie geht es dir?", begrüßte er mich, als er mich bemerkte, und blickte von dem Buch auf.

„Mein leiblicher Vater ist ein gewalttätiger Alkoholiker, der mich verletzt hat, und Dad habe ich enttäuscht. Könnte also nicht besser laufen", antwortete ich ironisch und ließ mich erschöpft auf das Sofa fallen. Ich schloss die Augen, als ich mich niederließ, in der Hoffnung, ein wenig Ruhe zu finden. Kurz darauf spürte ich, wie das Sofa neben mir nachgab.

„Wieso sollte Elijah enttäuscht von dir sein?", fragte Kol mit hörbarer Verwirrung in seiner Stimme. Ich öffnete die Augen und sah ihn an. „Bevor ich gegangen bin, habe ich Dad viele Dinge an den Kopf geworfen, die nicht fair waren. Und anstatt mich bei ihm zu entschuldigen, setzte ich noch einen oben drauf und suchte meinen leiblichen Vater auf, obwohl er mir ausdrücklich gesagt hatte, ich solle es nicht tun", begann ich zu erklären. Mit jedem Wort sammelten sich mehr Tränen in meinen Augen.

„Ich dachte, er hat Angst, ich würde ihn verlassen und verbietet mir deswegen, ihn kennenzulernen. Dabei wollte er mich nur schützen. Wieso konnte ich nicht einfach auf ihn hören? Wieso musste ich so dumm sein und zu dem Mann gehen, der gewalttätig gegenüber meiner Mutter war?", fragte ich verzweifelt und versuchte, die Tränen wegzuwischen, die über meine Wangen liefen.

„Was ist, wenn Dad mich jetzt hasst? Er hat sich doch nur Sorgen gemacht, und ich bin so unfair. Was ist, wenn er mich jetzt nicht mehr hier haben will? Wo soll ich denn hin?", fügte ich in einem leisen, zitternden Ton hinzu. Plötzlich packte Kol meine Arme und zog sie von meinem Gesicht weg, sodass ich gezwungen war, ihn anzusehen.

„Thalia, hör auf", betonte er etwas lauter und verstärkte seinen Griff leicht, als ich versuchte, meine Arme wegzuziehen. „Elijah würde dich niemals hassen oder gar weggeben. Viel mehr würde er alles dafür tun, dass du glücklich und in Sicherheit bist. Er ist vorhin nicht gegangen, weil er enttäuscht von dir ist, sondern von sich selbst. Er macht sich Vorwürfe, dass er vielleicht etwas falsch gemacht hat und kein guter Vater für dich ist. Wenn er zurück ist, müsst ihr miteinander reden", erklärte Kol eindringlich und musterte mich, woraufhin ich nickte.

„Vermutlich hätten wir schon längst miteinander reden müssen", gab ich zu und sah auf die Uhr, die bereits kurz vor Mitternacht zeigte. Doch Dad war immer noch nicht zurück. „Ich gehe mal schlafen. Dann muss ich wohl morgen früh mit Dad reden", sagte ich niedergeschlagen, während ich aufstand. Nachdem ich Kol noch eine gute Nacht gewünscht hatte, ging ich in mein Zimmer, um mich fertig zu machen und kurz darauf ins Bett zu gehen. Diesmal schaffte ich es bereits nach wenigen Minuten einzuschlafen und fiel in einen unruhigen Schlaf.

Ich wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, bis ich wieder aufwachte, weil ich dachte, etwas gehört zu haben. Ich setzte mich auf und sah mich im Zimmer um. Plötzlich blieb mein Blick an einer Gestalt haften, die auf dem Stuhl am anderen Ende des Zimmers saß und aus dem Fenster blickte. Es dauerte ein paar Sekunden, bis sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten und ich die Person erkannte.

„Dad", flüsterte ich verwirrt. Er drehte sich zu mir und stand auf. Langsam kam er auf das Bett zu und setzte sich auf die Bettkante. „Ich wollte dich nicht wecken", entschuldigte er sich leise. „Ich wollte nur sicher gehen, dass bei dir alles gut ist. Du solltest versuchen, wieder einzuschlafen. Es ist erst halb drei", betonte er und strich mir vorsichtig eine Haarsträhne hinter das Ohr, ehe er sich erhob.

„Dad?", hielt ich ihn auf. „Können wir reden? Über das, was gestern passiert ist." Ich merkte, wie er zögerte, doch dann nickte er und setzte sich auf den Sessel neben meinem Bett. „Ich wusste, wie dein Vater drauf ist, und ich wusste, dass er sich nicht geändert hat. An dem Tag, als du das Gespräch mitbekommen hast, bin ich am gleichen Abend noch zu seiner Adresse gefahren. Er war genauso aggressiv wie damals, und ich wollte dich dem nicht aussetzen. Stattdessen wollte ich mir eine Ausrede überlegen, wieso du ihn nicht kennenlernen kannst. Ich dachte, ich hätte noch mehr Zeit, aber dann hast du plötzlich nach ihm gefragt. Du bist alt genug, dass ich dir die Wahrheit hätte sagen können, aber das ist mir erst jetzt klar geworden. Wenn du vor mir stehst, sehe ich teilweise immer noch das kleine Mädchen, das damals so unbeschwert war und in ihrer Fantasie das Königreich vor bösen Monstern beschützt hat. Seitdem sind fast zehn Jahre vergangen, und du bist dabei, erwachsen zu werden. Ich befürchte einfach, dass der Tag, an dem du mich nicht mehr brauchst, schneller kommt als mir lieb ist."

Mit Tränen in den Augen sah ich Dad an, der sich ebenfalls einmal verdächtig über die Augen strich, dann aber ein leichtes Lächeln aufsetzte. „Ich werde dich immer als Vater brauchen, egal wie alt ich bin. Aber trotzdem werde ich älter und möchte unabhängiger werden. Ja, unser Leben ist anders als das von normalen Familien, aber deswegen muss ich doch nicht auf ein normales Leben verzichten. Ihr seid eine Bereicherung und keine Last. Ich möchte gar kein anderes Leben. Nicht, wenn ich dafür dich als Vater missen muss. Ich kann mir gar keinen tolleren Vater vorstellen. Ich habe dich lieb, Dad, und ich hasse es, wenn wir uns streiten", betonte ich wahrheitsgemäß. Es schien, als merke Dad, wie ernst ich es meinte, denn er entspannte sich sichtlich. Trotzdem blieb ein leichter Funke von Sorge in seinem Blick zurück, den er jedoch mit einem Lächeln überdeckte.

„Kol hat mir erzählt, dass du Liam einladen möchtest. Ich finde, das ist eine großartige Idee. Schließlich habt ihr euch ewig nicht mehr gesehen. Wenn du willst, telefoniere ich morgen mit seiner Mutter." Sofort sprang ich auf und umarmte Dad stürmisch, der mich lachend in seine Arme schloss. „Du bist der Beste." Ich hob meinen Kopf und sah Dad in die Augen, woraufhin er mir einen Kuss auf die Stirn gab und mich noch einmal umarmte.

„Du solltest wirklich noch einmal versuchen zu schlafen. Sonst bist du morgen unerträglich", verlangte Dad mit einem Zwinkern. Empört sah ich ihn an und stemmte die Arme in die Hüfte. „So schlimm bin ich nicht", beharrte ich, doch Dad lachte nur. „Du bist ein Monster, wenn du müde bist, und jetzt ab ins Bett." Sanft, aber bestimmend schob er mich in Richtung Bett, wo ich mich auch sogleich hinlegte. Nach einem letzten Gutenachtkuss von Dad schloss ich die Augen.

Ich hoffe euch hat das neue Kapitel gefallen. Lasst mir gerne eure Meinung in den Kommentaren da 😊

Die Tochter von Elijah MikaelsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt