Kapitel 28

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Wer möchte kann sich das Lied WHEN IT'S ALL OVER von RAIGN anhören 😉

Auch wenn die Person vor mir eigentlich eine Fremde war, verspürte ich sofort eine Verbundenheit, wie ich sie noch nie zuvor erlebt hatte. Schließlich hatte sie mich neun Monate unter ihrem Herzen getragen. Wäre es da nicht normal, sie unter Tausenden wiederzuerkennen? Ich musterte meine Mutter von oben bis unten, ehe ich an ihren, ebenfalls mit Tränen gefüllten, Augen hängen blieb. Unzählig viele Gedanken kreisten in meinem Kopf, und es gab so viel, was ich meine Mutter in diesem Moment fragen wollte, doch wusste ich nicht, wo ich beginnen sollte.

"Ist alles okay, Thalia?", hörte ich Dads Stimme im Hintergrund. Ich erwachte erst aus meiner Starre, als sich seine Hand auf meine Schulter legte. "Alles okay?", fragte er erneut. Immer noch leicht abwesend nickte ich, bevor sich mein Blick klärte. "Ich habe dich vermisst.", war letztlich das Einzige, was ich hervorbrachte. Doch es beschrieb meine Gefühlslage am besten. In meinem Kopf herrschte ein Kampf der Gefühle zwischen Freude und Angst, Unglauben und Glückseligkeit, der mich drohte, in die Knie zu zwingen. Ich setzte mich auf die Couch und schloss meine Augen. Immer wieder liefen mir einzelne Tränen über die Wange, während ich mein Gesicht in meinen Händen versteckte und versuchte, mich zu beruhigen.

"Ich war nie ganz weg. Ich war und werde immer ein Teil von dir sein.", drang die Stimme meiner Mutter zu mir durch und brachte mich schließlich dazu, sie anzusehen. "Ich bin unendlich stolz auf dich, Thalia. Du hast in den vergangenen Jahren bereits so viel meistern müssen und hast dich dabei nie beschwert. Ich hätte mir nichts mehr gewünscht, als mitzubekommen, wie du aufwächst. Aber jetzt zu sehen, wie unglaublich stark du bist, macht mich zur glücklichsten Mutter der Welt." Mums Augen spiegelten in diesem Moment so viel Liebe wider, dass auch ich anfangen musste zu lächeln. "Ich bin froh, endlich die Möglichkeit zu haben, dich kennenzulernen.", betonte ich wahrheitsgemäß und sah kurz zu meinem Vater, der uns mit einem Handzeichen vermittelte, dass er uns ein paar Minuten der Zweisamkeit gab. "Bereust du es, schwanger geworden zu sein?", fragte ich nach ein paar Minuten der Stille und suchte den Augenkontakt zu meiner Mutter, der diesen sofort erwiderte.

"Erst durch die Schwangerschaft mit dir habe ich erkannt, was wirklich wichtig ist und was ich will. Die Monate meiner Schwangerschaft waren trotz Höhen und Tiefen die schönsten meines Lebens, weil ich mich gefreut habe, dich bald im Arm halten zu können. Wenn du irgendwann eigene Kinder hast, wirst du verstehen, was ich meine. Als ich dann den Unfall hatte, machte ich mir zu keiner Sekunde Sorgen um mich. Mein einziger Gedanke damals war, dass du überleben musst und als dann dein erster Schrei durch den Kreißsaal hallte, hatte ich keine Angst mehr zu sterben. Ich wusste, dass du und dein Vater zusammen alles überstehen würdet, auch meine Abwesenheit." Nun liefen nicht nur mir Tränen über die Wange, sondern auch meine Mutter hatte gerötete Augen. "Und wenn ich jetzt sehe, wie grandios ihr beiden bis hier alles gemeistert habt, gibt es nichts, was ich bereuen müsste.", fügte sie lächelnd hinzu und wischte sich vorsichtig die Träne weg.

"Dad hat mir immer gesagt, dass du, auch wenn ich dich nicht sehen kann, bei mir bist. Der Gedanke daran hat mich stark gemacht.", gestand ich mit belegter Stimme und schaffte es, nachdem ich mehrfach tief eingeatmet hatte, dass meine Tränen nachließen. Ich folgte dem Blick meiner Mutter. Die Kerze war bereits mehr als zur Hälfte abgebrannt, weswegen sich die Augen meiner Mutter für einen kurzen Moment mit Trauer füllten, die sie aber sofort weg lächelte.

"Ich habe mir immer gewünscht, die Möglichkeit zu haben, einmal mit dir zu reden, und jetzt, wo ich die Möglichkeit habe, fehlen mir die Worte.", gestand ich und sah auf meine Hände, während ich die richtigen Worte suchte. "Ich will mich bei dir bedanken. Auch wenn du mich nie im Arm halten konntest oder mir sagen konntest, dass du mich liebst, weiß ich aus den Erzählungen, wie viel ich dir bereits in der Schwangerschaft bedeutet habe. Ich habe meinen Freunden immer ganz stolz erzählt, dass meine Mutter ein Engel ist und von oben auf mich aufpasst.", bei dem Gedanken daran musste ich kurz lachen.

"Ich habe dich lieb und hätte mir keine bessere Mutter vorstellen können. Ich bin froh, die Möglichkeit gehabt zu haben, dich zu sehen, auch wenn ich anfangs ziemliche Panik hatte." Langsam sah ich zu meiner Mutter auf, deren stumme Tränen die Augen hinunterliefen. "Ich hatte bis jetzt nicht die Möglichkeit, es dir persönlich sagen zu können, aber ich liebe dich von ganzem Herzen. Du bist eine großartige junge Frau geworden und kannst stolz auf dich sein. Nicht jede Mutter hat die Chance, ihre Tochter nochmal ansehen zu können, um sich zu versichern, wie gut es ihr geht. Ich weiß, dass du und dein Vater auch weiterhin jede Hürde meistern werdet.", betonte sie lächelnd und richtete ihren Blick auf einen Punkt hinter mir.

Kurz darauf spürte ich, wie Dad einen Arm um mich legte und mich zu sich zog. "Ich werde unsere Tochter immer beschützen." Auch Dads Augen waren gerötet, doch versuchte er, stark zu bleiben. Die Kerze war fast abgebrannt, als Mum sich mit einem liebevollen Lächeln zu mir wandte. "Ich werde immer bei dir sein und irgendwann werden wir uns wiedersehen. Bis dahin bist du bei deinem Vater in guten Händen." Ich spürte, wie Dad mir einen leichten Kuss auf die Stirn gab, weswegen ich mich näher an ihn drückte. "Ich habe dich lieb, Mum.", flüsterte ich, wobei meine Sicht durch Tränen getrübt war. "Ich liebe euch mehr als alles andere.", betonte Mum noch lächelnd, ehe ein Wind aufkam und Dad mich so drehte, dass mein Gesicht an seiner Brust lag. Dann war es still und nur noch mein vereinzeltes Schluchzen war zu hören. Immer wieder strich mir Dad beruhigend über den Rücken, doch spürte ich, dass auch er mit den Tränen kämpfte. "Danke.", flüsterte ich, doch Dad verstand es. "Ich liebe dich, Thalia.", erwiderte er daraufhin, was mich lächeln ließ. "Ich dich auch, Dad."

Nachträglich kann ich sagen, dass es eins der Kapitel ist, das für mich am Schwersten zu schreiben war. Trotzdem hoffe ich, dass euch das Kapitel gefällt. Ich freue mich über eure Meinung 😊

Die Tochter von Elijah MikaelsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt