Kapitel 10

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Thalia, 5 Jahre

Gespannt beobachtete ich die runterfallenden Blätter von meinem Fenster aus. Es war Herbst und heute schien die Sonne, wodurch die ganzen bunten Blätter in unterschiedlichen Farben glitzerten. Papa hatte versprochen, dass wir, wenn er irgendwas geklärt hatte, eine Fahrradtour machen würden. Langsam wurde ich ungeduldig und entschied mich dazu, schon mal runterzugehen. Vielleicht war Papa schon fertig. Ich hörte, dass er unten mit jemandem redete. Haben wir Besuch? Ich folgte den Stimmen und sah, dass Papa telefonierte. Er saß mit dem Rücken zu mir in einem der beiden Sessel.

„Hast du was von Marcel gehört?", fragte Papa und hörte dann zu, was der Anrufer ihm antwortete. „Thalia und ich wollen gleich noch eine Radtour machen und irgendwo picknicken gehen. Sie ist ganz stolz, dass sie so schnell das Fahrradfahren gelernt hat.", erzählte Papa nun wieder. „Grüß Kol und Rebekah von mir. Ich melde mich wieder." Mit diesen Worten legte er auf und erhob sich. Als er sich umdrehte und mich erblickte, stockte er. „Thalia, ich habe doch gesagt, dass du warten solltest.", sagte er streng und lief zu mir. „Tut mir leid. Ich wollte schauen, ob du schon fertig bist.", flüsterte ich und sah ihn traurig an. Seine Miene entspannte sich langsam, woraufhin ich ihn entschuldigend anlächelte. „Jetzt bin ich ja fertig."

„Mit wem hast du telefoniert?", fragte ich, nachdem Papa in die Küche gelaufen war, um einen Picknickkorb zu packen. „Das war ein guter Bekannter von mir. Ich stelle ihn dir irgendwann mal vor.", antwortete Papa und lenkte seine Aufmerksamkeit schnell auf die Brote vor sich. Mit der Antwort zufrieden, setzte ich mich auf einen der Stühle und beobachtete Papa beim Brote schmieren und Obst schneiden, bis er endlich fertig war und alles eingepackt hatte.

„Fertig. Gehst du schon mal deine Schuhe anziehen? Ich komme sofort.", forderte er mich auf und nach einem Nicken lief ich zur Garderobe und zog mir meine Schuhe an. Gerade als ich fertig war, kam Papa auch schon und zog seine Schuhe ebenfalls an. Dann liefen wir in die Garage, wo ich sofort auf mein Fahrrad zusteuerte. Ich liebe es, mit Papa Fahrrad zu fahren. Er machte den Korb an seinem Gepäckträger fest und dann fuhren wir auch schon los. Wir fuhren eine Zeit entlang der Straße, bis wir in einen Wald einbogen.

„Ich bin schneller als du, Papa.", rief ich lachend und fuhr so schnell ich konnte den Waldweg entlang, wobei Papa kaum mithalten konnte. Irgendwann holte er mich doch ein und sagte mir, dass wir die nächste rechts wollen. Sofort wusste ich, wo Papa hinwollte und freute mich total. Von weitem sah ich schon den großen Spielplatz und einige Kinder, die dort spielten.

„Thalia, ich setze mich da vorne zu Eve. Liam muss hier also auch irgendwo sein. Wenn was ist, kommst du zu mir.", erklärte Papa mir noch, nachdem ich mein Fahrrad abgestellt hatte. Nach einem schnellen „Ok" rannte ich auch schon davon, weil ich Liam gesehen hatte. „Hallo Liam.", rief ich schon von weitem und ging auf meinen besten Freund zu. Er saß im Sandkasten und baute eine Burg. „Hallo Thalia. Willst du mitbauen?" Sofort nickte ich und nahm mir eines der Förmchen. Wir bauten eine total große und tolle Burg, bis ein anderer Junge kam und sich ebenfalls in den Sandkasten setzte.

„Möchtest du mitmachen?", fragte ich ihn und hielt ihm eines der Förmchen hin. Er nickte, doch anstatt dass er das Förmchen mit Sand füllte, warf er es gegen unsere Burg, die an der einen Seite einkrachte. Lachend zerstörte er auch die andere Burg. Wütend stand Liam auf und schubste ihn von unseren Sachen weg. „Hör auf.", schrie ich und sah ihn böse an. Doch er ging erneut zu unserer Burg und trat darauf. Jetzt stand ich ebenfalls auf und schubste den Jungen fester weg. Dieser stolperte und fiel aus dem Sandkasten. Augenblicklich fing er laut an zu schreien, was sowohl seine Eltern als auch unsere anlockte.

„Liam, was ist passiert?", fragte Eve und schaute zu ihrem Sohn. „Er hat Thalias und meine Burg kaputt gemacht.", sagte er, was ich mit einem Nicken bekräftigte. „Und was ist dann passiert?", Ich spürte Papas Blick auf mir, doch sah ich nach unten. „Thalia. Schau mich bitte an. Was ist dann passiert?", wiederholte Papa und ich hob widerwillig meinen Blick und sah Papa mit Tränen in den Augen an. „Sie hat mich geschubst.", schluchzte der Junge, der aufgestanden war und zu seiner Mutter gelaufen war.

„Stimmt das?", fragte Papa mich streng und ich nickte leicht. Er atmete hörbar aus. „Geh dich bitte entschuldigen.", forderte er mich auf. „Julian, dass du die Burg kaputt gemacht hast, war nicht nett. Dafür entschuldigst du dich auch bei den beiden.", betonte seine Mutter streng, woraufhin er zu mir und Liam sah. Wir liefen auf ihn zu und ich reichte ihm zuerst meine Hand. „Entschuldigung, dass ich dich geschubst habe.", sagte ich.

„Entschuldigung, dass ich eure Burg zerstört habe.", antwortete Julian und gab daraufhin auch Liam die Hand. Nachdem Julian mit seiner Mutter verschwunden war, sah ich wieder zu Papa, der mich immer noch enttäuscht ansah. „Danke für das Gespräch, Eve. Thalia und ich fahren noch einmal weiter.", verabschiedete sich Papa von Eve und sah dann zu mir. "Tschüss Liam.", flüsterte ich meinem besten Freund noch zu, als Papa schon meine Hand nahm und mit mir zu unseren Fahrrädern lief.

„Bist du böse, Papa?", fragte ich leise, als er dabei war, unsere Fahrräder aufzuschließen. Er drehte sich um und ging vor mir in die Knie. „Ich bin nicht sauer, sondern ein bisschen enttäuscht. Gewalt ist nie die richtige Lösung bei Konflikten. Du hättest mit ihm reden können oder aber zur Not zu mir und Eve kommen können.", erklärte Papa und lächelte mir am Ende aufmunternd zu. Immer noch traurig stieg ich auf mein Fahrrad und fuhr Papa langsam hinterher. Doch anstatt nach Hause zu fahren, fuhr er zu einem kleinen See mit einer einzelnen Bank.

„Zeit für unser Picknick.", betonte er zwinkernd, woraufhin er den Korb öffnete und mir eines der Brote gab. „Danke.", sagte ich, als ich es entgegennahm und begann es sofort hungrig zu essen. „Das schmeckt super.", erklärte ich Papa, der mich belustigt ansah.

„Das sehe ich. Dein ganzes Gesicht isst mit.", klärte er mich lachend auf, ehe er mir ein Taschentuch gab. Ich aß noch ein paar Stücke Apfel, bevor ich aufstand und um den See herum lief. Auf der anderen Seite saß ein Frosch, der lustig quakte. Papa saß immer noch auf der Bank und tippte auf seinem Handy, weswegen ich mich wieder dem Frosch zuwandte. Ich ging näher zu ihm, um ihn mir genauer anzusehen, als ich an einer Wurzel hängenblieb und stürzte. Ich wäre fast ins Wasser gefallen, doch kurz vorher fing Papa mich auf und wirbelte mich durch die Luft.

„Du musst aufpassen.", betonte er aufgebracht und sah mich dann prüfend an. „Alles gut?", fragte er mich. „Ich bin gestolpert.", erklärte ich ihm, aber merkte dann den Schmerz an meinem Knöchel. Sofort stiegen mir Tränen in die Augen und ich wimmerte auf. „Wo hast du dich verletzt?" Ich zeigte auf meinen Knöchel und Papa hob mich auf seinen Schoß. Langsam zog er mein Hosenbein nach oben und sah sich meinen Knöchel an. Ich schrie, da es wehtat, weswegen Papa mich an sich drückte. Dann hob er seinen Arm und machte irgendwas, woraufhin plötzlich sein Arm rot wurde. Diesen hielt er mir dann hin, bis ein paar Tropfen meine Lippen berührten. Langsam ließ der Schmerz nach und ich lehnte mich immer noch weinend zurück.

„Alles gut. Gleich ist der Schmerz weg.", flüsterte Papa, was stimmte. Nach ein paar Minuten hob er mich hoch und trug mich zur Bank, auf der er mich absetzte. „Geht es wieder?", wollte er wissen und ich nickte. „Es tut nicht mehr weh.", bestätigte ich ihm. Wir blieben noch eine Zeit auf der Bank sitzen und beobachteten die Enten auf dem Wasser, bis mir langweilig wurde und ich aufstand. Ich sah, dass knapp einen Kilometer von hier Pferde auf der Koppel standen und zeigte Papa dies. „Können wir dahin gehen?", fragte ich aufgeregt, woraufhin Papa nickte.

„Trägst du mich?" Nach kurzem Überlegen hob Papa mich auf seinen Rücken und lief mit mir in schneller Geschwindigkeit zu den Pferden. Lachend hielt ich mich an seinem Hals fest und beobachtete dann gespannt die Pferde beim Grasen. „Pferde sind ganz schnell. Aber nicht so schnell wie du, Papa.", erklärte ich ihm, was ihn zum Schmunzeln brachte. „Ist das so?", fragte er mich. „Ja, du bist so schnell wie ein Superheld.", betonte ich und sah meinem Papa in die Augen. „Na dann versuche ich dich mal superheldenmäßig zu unseren Fahrrädern zurückzubringen, damit wir nach Hause fahren können.", erklärte er und schon flogen die Bäume wieder an mir vorbei. Ich hatte einfach den besten und schnellsten Papa der Welt.

Hier ein neues Kapitel. Wie findet ihr es?
Ab Montag habe ich meine Klausuren hinter mir und kann meine restlichen Semesterferien zum Schreiben nutzen. Dann kommt hoffentlich regelmäßiger ein Kapitel 😊

Die Tochter von Elijah MikaelsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt