Kapitel 43

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Ich wusste, dass ich Liam die Wahrheit sagen musste, wenn ich ihn als Freund nicht verlieren wollte. Doch wo sollte ich anfangen? Nervös knetete ich meine Hände, ließ meinen Blick von Dad wieder zu Liam wandern, brauchte aber einen Moment, bis ich ihm in die Augen sehen konnte. „Es ist nicht so, dass ich mich in Gefahr bringe, wenn ich dir die Wahrheit sage, aber ich habe Angst, dich als Freund zu verlieren, sobald du die Wahrheit kennst", begann ich langsam, was zur Folge hatte, dass Liams Blick nur noch verwirrter wurde. „Ich... wieso sollte ich dich verlassen?", fragte er, seine Stimme klang immer noch besorgt, aber auch ein Hauch Unverständnis schwang mit.

„Dad und ich haben Portland damals so plötzlich verlassen, weil ich auf dem Weg nach Hause angegriffen wurde. Wir waren in Portland nicht mehr sicher, und deshalb hat Dad beschlossen, dass es das Beste wäre, wenn wir nach New Orleans zu seiner Familie ziehen. Hätte es eine andere Möglichkeit gegeben, wären wir dageblieben. Doch es ging nicht", gestand ich, während ich zu Dad sah, der mich musterte und schwach lächelte, als wolle er mir Mut machen. Doch wenn ich meine Hände nicht krampfhaft miteinander verschränken würde, könnte Liam sehen, wie stark sie zitterten.

„Also ist deine Familie Teil einer Mafia? Oder wieso wurdest du angegriffen?", fragte Liam vorsichtig, womit er meine Aufmerksamkeit wieder auf sich lenkte. „Nein, also nicht direkt. Meine Familie hat zwar Macht in New Orleans, aber es ist nicht so, wie du denkst. Seit Dad und ich nach New Orleans gezogen sind, versuchen wir größtenteils, eine normale Familie zu sein. Aber die Vergangenheit meiner Familie holt uns regelmäßig ein." Ich wusste, dass alles, was ich Liam bisher gesagt hatte, ziemlich vage war, aber die Angst, ihn zu verschrecken, zu verstören oder sogar zu verlieren, war viel zu groß, als dass ich ihm die Wahrheit einfach so ins Gesicht sagen konnte.

Alles in mir schrie danach, diese Situation zu verlassen, aber ich wusste, dass ich mich Liam irgendwann so oder so stellen musste. Er wusste mittlerweile viel, konnte es aber noch nicht zu einem großen Bild zusammenfügen. Sollte er es allein herausfinden, würde er mir das niemals verzeihen. „Kannst du mir versprechen, dass wir Freunde bleiben, egal was ich dir gleich erzähle? Kannst du mir versprechen, dass du dich nicht von mir zurückziehst und letztlich den Kontakt abbrichst?", flüsterte ich verzweifelt, woraufhin Liam mich an sich zog.

„Ich verspreche dir, dass ich dich nicht wegstoßen werde. Aber bitte sag mir, was los ist. Ich hasse es, wenn du Panik hast und ich dir nicht helfen kann", sprach er beruhigend auf mich ein. Kurz genoss ich seine Umarmung, versuchte mich zu beruhigen und die Worte in meinem Kopf zu ordnen, ehe ich mich von ihm löste. „Können wir uns setzen? Es... ich glaube, es wird ein längeres Gespräch", bat ich, woraufhin Liam nickte und wir uns zusammen im Sand niederließen.

„Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Kannst du dich noch daran erinnern, als wir damals mit Dad auf dem Spielplatz waren und Fangen gespielt haben, wo ich vom Klettergerüst gestürzt bin?", fragte ich Liam, der nach kurzem Überlegen nickte. „Elijah hatte dich damals zum Glück rechtzeitig auffangen können", fügte er ergänzend hinzu. „Du hast dich damals gewundert, wie Dad es geschafft hat, so schnell von der Bank zu uns zu kommen, und Dad hatte behauptet, dass er fast bei uns gewesen sei. Du hast ihm damals geglaubt und gedacht, du hättest dich getäuscht, ihn auf der Bank gesehen zu haben."

Mit hochgezogenen Augenbrauen sah Liam mich an, als er wartete, worauf ich hinaus wollte. „Du hast dich damals nicht getäuscht. Dad hat auf dieser Bank gesessen, und trotzdem war er schnell genug bei uns, um mich vor einem Fall zu bewahren. Das war damals kein Glück." „Das kann nicht sein. Die Bank stand bestimmt 30 Meter weg. So schnell ist kein Mensch. Auch kein Vater, der seine Tochter retten möchte", gestand mein bester Freund. Stimmt, ein Mensch schafft das nicht, dachte ich mir, sprach es aber nicht aus.

„Du hast damals immer betont, dass mein Dad total stark ist und Sachen machen kann, die sonst keiner kann", erzählte ich weiter und hoffte, Liam würde von selbst darauf kommen. Doch es war so abwegig, dass dies vermutlich nicht passieren würde. „Wir waren damals Kinder. Dein Vater hat bestimmt nur irgendwelche Tricks angewendet, um uns zu beeindrucken. Oder möchtest du mir jetzt erzählen, dass dein Vater Teil einer geheimen Superhelden-Vereinigung ist?", witzelte er, doch wurde wieder ernst, als er merkte, dass mir bei dem Thema nicht nach Scherzen zumute war.

„Ich würde mich nicht auf die Seite der Superhelden stellen", vernahm ich plötzlich Dads Stimme hinter mir und wirbelte genauso wie Liam herum. „Aber Thalia hat recht, wenn sie von den Fähigkeiten spricht, die ich habe. Sie sind sowohl Teil von mir als auch meiner Familie", sprach Dad weiter und trat letztlich vor uns, wobei mein bester Freund ihn angespannt musterte. „Okay, dann bist du vielleicht etwas schneller als andere und stärker, aber deswegen wird man nicht angegriffen", erwiderte Liam sofort und blickte erst mich und dann wieder Dad an.

„Wir sprechen hier nicht davon, etwas schneller oder stärker zu sein, Liam", betonte Dad, wurde aber von meinem besten Freund nur verständnislos angesehen. Kurz sah Dad zu mir, als wolle er die Situation abschätzen und sich vergewissern, dass ich das hier wirklich wollte. So nickte ich. „Kannst du den großen Stein dahinten sehen?" Mit seinem Finger zeigte Dad auf einen kleinen Punkt etwa 200 Meter links von uns. „Ja, was ist...", setzte Liam an, doch noch ehe er den Satz beenden konnte, landete der Fels mit einem dumpfen Schlag vor unseren Füßen. Überrumpelt sah Liam den Fels an, unfähig, irgendetwas zu sagen, und versuchte zu verstehen, was gerade passiert war. „Liam?", sprach ich ihn vorsichtig an, woraufhin er langsam seinen Blick hob und Dad in die Augen sah. „Wie konntest du?", fragte mein bester Freund mit erschrockener Stimme und spannte sich in seiner ganzen Haltung an. „Was bist du?"

Ich hoffe ihr hattet ein entspanntes Wochenende. Wie gefällt euch der neue Teil? 😊

Die Tochter von Elijah MikaelsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt